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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

17. 4. 2011 - 23:28

Fußball-Journal '11-31.

Relativierte Ausgeglichenheit. Über die Wirtschaftlichkeit des österreichischen Fußballs anhand der aktuellen Lage.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit einem kurzen Abstecher in die Untiefen der Meisterschaft und ein paar relativierenden Hintergründen.

Die ersten vier innerhalb von drei, die ersten sieben innerhalb von acht Punkten - das ist wahrlich ausgeglichen. Weil sich die heimischen Liga-PR-Wastln nicht beherrschen konnten, diese Gleichwertigkeit der besseren Teams als tolle Erungenschaft hinzustellen, wussten andere, diesmal sogar ernsthaft kritische Medien darauf hinzuweisen, dass dieses Kopf-an-Kopf-Rennen des fast gesamten Felds statistisch durchaus als Zeichen für die Schwäche der Liga steht; internationale Vergleiche (wie steht der siebte anderswo da?) machen sicher.

Letztlich manifestiert dieses fast schon peinlich betulich zusammengeschobene Feld die grundsätzliche Haltung der Liga und des heimischen Fußballs: Wagenburg-Mentalität, eng beinander, keine Lücken lassen.

Diese Provinzialität des Denkens konnte heute Sonntag in seiner hirnlosesten Praxis erlebt werden: das Sonntags-Spiel, das entweder vom Terminkalender diktiert wird (wenn es international tätige Clubs gibt) oder als Spitzenspiel eine der wichtigen Begegnungen der Runde rauslösen soll, wurde vom von Magna verlassenen SC Wr.Neustadt und der SV Ried bestritten, vor dieser Runde 7. und 4., direkt vor dem Spiel 7. gegen 6., nach dem Spiel wieder 7. gegen 4. Richtig, das ist kein Spitzenspiel.
Die Runde hatte Sturm - Salzburg anzubieten, auch Wacker gegen Rapid, also deutlich höherwertigere und auch sportlich sowie journalistisch interessantere Partien.

Zickenkrieg um das Sonntags-Livespiel

Und so wird ja auch entschieden, welches Spiel das Sonntags-Spiel jeweils ist: die Liga und die TV-Partner einigen sich da, nach genau diesen Kriterien.

Dass dann heute das Match zwischen ganz schwachen und am Fertigspielen der Meisterschaft eher desinteressierten Neustädtern und den von einer über den Verhältnissen gespielten Saison durchaus bereits ausgelaugten Riedern derart trostlos abgeführt wurde, war nicht vorauszusehen - trotzdem muss der Grund für diese Auswahl aufgezeigt werden. Es ist die anfangs erwähnte und von der Liga beschworene Ausgeglichenheit. Und die besagt: es ist furzegal, welches Match sportlich oder journalistisch interessant wäre - nach einem bestimmten Schlüssel habe jede Mannschaft ordentlich dranzukommen, per Heimspiel, egal, was sie kann oder hergibt.

Diese im TV-Vertrag zwischen Liga und den Partnern irgendwo eingestreute Regel gilt im übrigen nur für den Sonntag. Denn am Sonntag überträgt der ORF live, und nur das zählt für die Werbepartner. Dass Sky eh jedes Spiel live überträgt und dass eines der vier Samstags-Matches durch den 16 Uhr-Termin exklusive Coverage erhält, das zählt zwölfe.
Sky Österreich hat (nach Jahren der Geheimhaltung) unlängst erstmals wieder Zahlen veröffentlicht. 239.400 Abonnenten gibt es jetzt, ursuper, 25.000 mehr als im Vorjahr.

Die Erfolgsgeschichte um die 'Sky Österreich'-Abos

Der völlig an seiner Aufgabe vorbeischwurbelnde heimische Medien- und Wirtschaftsjournalismus war allerdings mit einer einzigen Ausnahme nicht imstande, diese Poser-Blenderei in Relation zum Spitzenwert der alten Premiere-Abos (320.000) zu setzen.

Weil die Wirtschaftstreibenden (= Sponsoren) nicht so doof sind, wie die Wirtschaftsjournalisten, wissen sie: die Sky-TV-Berichterstattung allein ist genau nix wert. Wichtig ist die Präsenz im ORF-TV; und Punkt.
Und deshalb will jeder in den Sonntags-Termin rein.

Wie verworren da die Verhandlungs-Situation, samt "Geheimklauseln" ist, zeigt dieser Report von 90minuten.at.

Und, sieh an, nur ein paar Stunden nach der Niederschrift dieses Journals ist die Samstags-Show auch schon in trockenen Tüchern...

Und deshalb soll auch der ORF endlich wieder eine Samstagabend/nacht-Fußballsendung machen; nur dort sind im Mickey Maus-Markt Österreich relevante Quoten zu erzielen, die die Groß-Sponsoren verlangen. Bislang scheiterte diese Sendung an den überteuerten Rechte-Forderungen der Liga. Jetzt soll sie sogar schon im April oder Mai kommen.

So wild gerade ringsherum um TV-Rechte gepokert wird (in Deutschland schnappte das ZDF der Sat1-Gruppe die Champions League weg/in Österreich ersteigerte die dafür der Sat1-Ableger Puls 4, durchaus strategische Absicht des ORF, der sich mittelfristig eher auf die Euro-League konzentrieren will/die Formel I-Rechte und der Skilauf/sprung-Deal mit dem ÖSV haben hingegen Priorität, dort wird der wahre Battleground sein) - für das heimische Fußball-Aufkommen, das auf seinem aktuellen Pimperl-Niveau eben nicht viel kann, deswegen auch nicht viel wert ist, deswegen mit mehr Aufwand geringere Sponsorengelder lukrieren muss und deshalb ins ORF-Livespiel kommen muss, bleibt nur die Jagd durch den Teufelskreis.

Die Liga der zusammengeschobenen Betulichen

Denn für den durchschnittlichen heimischen Verein zählen auch die kleinen Kröten, die mittelklassigen Sponsoren - und die wollen sich am Sonntag-Nachmittag im jedermann zugänglichen Fernsehen sonnen.

Beim SV Ried wurde dieser Tage bekannt, dass der Vertrag mit Martin Stocklasa, dem Liechtensteiner Innenverteidiger, nicht verlängert werden kann. Nicht, weil der Routinier nicht gut (er ist eine Stütze der Mannschaft) oder ein Hundling (er genießt ein hyperseriöses Image) wäre: Stocklasa belastet als Ausländer das entsprechende Kontingent. Und für Ried als Verein, der mit jedem erreichbaren Euro kalkulieren muss, ist jeder ausländische Spieler ein paar tausend Netsch weniger aus dem Österreicher-Topf der Liga. Nun hat Ried sonst eh nur zwei deutsche Torleute (einen nur per Leihe) und drei Spanier - aber nicht einmal das geht sich wirtschaftlich aus.

So klamm und knapp läuft es in diesem Business. Auch auf dem Level Sturm/Rapid/Austria - da laufen noch alte und neue Schulden mit, dass einem schwindlig werden könnte. In dieser Branche gehe es hart am Rande der Kriminalität zu, konstatierte das Profil der Vorwoche.
Auch deshalb ist die Liga derart zusammengeschoben - das relativiert die sportlich ach so lässige Ausgeglichenheit ordentlich.

Wer sein Produkt nicht schätzt, macht es schlechter

Fußball ist ein höchst unvorhersehbares Ding, unprognistizierbar, fragil und von Gefühligkeiten hoch zwei abhängig.
Verteilungskämpfe wie die um die beste Sendezeit, um das Sonntagsspiel, befrieden zwar kurzfristige Sponsor-Interessen und den Ehrgeiz der Martin Puchers der Liga, verärgern aber die Fans, mindern deren Interesse und schaffen ein Image der Schwächlichkeit - tun also alles, um mittel- und langfristig so viel Schaden wie möglich anzurichten. Manchmal auch vor dem Hintergrund, dass man eh nicht weiß, ob man morgen noch mitspielt (Stronach, Neustadt, Pasching, Klagenfurt, GAK, Bregenz etc...) und die Nachhaltigkeit eh unendlich wurscht ist.

Wenn man so wie heute die eigene Unsicherheit, die eigenen Ängste, die eigene Pseudo-Basisdemokratie des "jeder kommt einmal dran, wurscht wie attraktiv das Produkt ist" direkt an den Kunden und den Fan weitergibt, ist es kein Wunder, dass sich das Niveau nach unten nivelliert: alle spüren das, alle bekommen mit, wie peinlich da gearbeitet wird, das gesamte Umfeld und natürlich auch die Spieler selber, deren Leistung ja auch nicht gewürdigt wird.
Wer spürt, dass er nicht geschätzt wird, agiert automatisch eine Stufe schlechter.

Also: die Liga ist deshalb so eng beinander, weil sie ihr eigenes Produkt durch ihre eigene engstirnige provinzielle Politik beschädigt. Nachhaltig.