Erstellt am: 16. 4. 2011 - 19:15 Uhr
Small Screen Stories: Record Shops
Der Record Store Day huldigt den kleinen subkulturellen Keimzellen der Musikvermittlung und dem Ort der Begegnung von gleichgesinnten Nerds, Freaks und Fans. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Job in einem Plattenladen zu den Allerbesten zählt und jeder Besuch einen mehr als nur ein paar Platten mitnehmen lässt.
Neben Konzerten und Ausstellungen in den Plattengeschäften gibt es am Record Store Day Limited Editions von zahlreichen Künstlern, die nur an diesem Tag verkauft werden dürfen: exklusive 7-Inches, Split Singles mit Cover-Versionen oder Re-Releases werden in minimaler Auflage veröffentlicht – u.a. von Radiohead, Sonic Youth, Gorillaz, Foo Fighters, Beth Ditto, Kings of Leon sowie Lady Gaga. Die Linzer Hip-Hop Crew Texta liefert mit der Single „Die Dramaturgie der Ereignisse“ (Trost) den einzigen heimischen Beitrag zum Record Store Day.
recordstoreday.com
Insgesamt feiern heuer 5 Shops in Österreich den Record Store Day: ein:klang und Inandout Records in Graz, sowie Rave Up Records, Recordbag und Substance in Wien.
2007 wurde der Record Store Day von Chris Brown ins Leben gerufen, um zu verhindern, dass die kleinen Independent-Läden wie eine Plattenrille leise knisternd auslaufen und verstummen. Doch allen Unkenrufen zum Trotz dreht sich das Vinyl erfolgreicher denn je. Die sinnlichen Qualitäten des schwarzen Goldes scheinen sich wie eine Endlosrille nicht abzunutzen. Tausend Mal tot-gesagt, niemals tot-gespielt.
Revival
Seit Jahren hört man von den steigenden Vinyl-Absätzen und in den kleinen Plattenläden in Wien wird diese Aussage bestätigt: „Nur die CDs werden irrelevant, die Schallplatten nicht“, sagt Konstantin Drobil vom Substance in Wien. Aber nicht alle Plattengeschäfte sind beim Record Store Day mit dabei, wie zum Beispiel das „Market“ von Fritz Plöckinger. In seinem Laden findet man häuptsächlich Disco, Techno und House - also Genres, die der Record Store Day mit seinem Fokus auf Indie-Rock ausschließt. Abgesehen davon, hat Fritz Plöckinger seine eigene Sicht der Dinge: Ihn stört der „Beigeschmack der aussterbenden Spezies“ und für ihn sind „365 Tage im Jahr Record Store Day“.
Nicht 365 Tage, aber zumindest 31 Tage lang huldigte der Berliner Techno-Tempel Berghain der Schallplatte. Im März wurden die DJs aufgefordet „Vinyl only“ zu verwenden – eine beeindruckende Ansage, v.a. wenn renommierte DJs in ihrem Blog schreiben, seit langem wieder Platten einzukaufen, weil sie einen der wichtigsten Clubs der Stadt bespielen.
Doch lange vor dem Berghain und anderen bedeutenden Clubs, die den Ruf Berlins als Techno-Mekka prägten, war ein Plattenladen richtungsweisend für die Entwicklung der elektronischen Musikszene: das Hard Wax. 1989, im Jahr des Mauerfalls gegründet, begleitete diese Institution den Aufstieg von Techno vom Underground-Phänomen zum Massenkulturgut. Von 1993 bis 1996 war Susanne Kirchmayer aka Electric Indigo im Hard Wax für die Platteneinkäufe zuständig.
Frauen, die in Plattengeschäften arbeiten, sind nach wie vor eher die Ausnahme, wie auch Werner „Shorty“ Schartmüller bestätigt. In den Neunziger Jahren arbeitete neben seiner Ehefrau Doris eine weitere Frau im Rave Up Records, doch die testosteron-schwangeren Ansagen der Kunden nach „härter, schneller, lauter“ ließen sie bald den Hut nehmen. Einen guten Verkäufer macht seiner Meinung nach „Wissen, Freundlichkeit, Redegewandtheit und die persönliche Ausstrahlung“ aus. Eigenschaften, die auf den von Jack Black klischeehaft dargestellten Plattenverkäufer Barry in High Fidelity nur teilweise zutreffen.
Die Dokumentation „I need that Record – The Death (or possible Survival) of the Independent Record Store” beschäftigt sich mit dem Auslöser des Record Store Days, dem Verschwinden von über 3.000 Plattenläden in den USA. Dabei kommen Autoren wie z.B. Legs McNeil (Punk Magazine) und Noam Chomsky genauso zu Wort wie Plattenladen-Besitzer und Musiker: Chris Frantz (Talking Heads/Tom Tom Club), Ian MacKeye (Fugazi/Minor Threat) oder Thurston Moore von Sonic Youth, der sagt: “Touring was just about two Things: playing and going to Record Stores. And I can't even tell you which one is more primary.” Nach wie vor großartig, wie gelassen er so große Worte ausspricht.
Paul Mawhinney aus Pittsburgh, Pennsylvania, ist der Mann, der die größte Plattensammlung der Welt zusammengetragen hat: eine Million Alben und 1,5 Millionen Singles, und von diesem Schatz sind nur 17% auf CD erhältlich. Neben seiner beeindruckenden Sammlung hat er sich auch um seinen Plattenladen „Record Rama“ gekümmert, der Mitte der Neunziger Umsätze von bis zu 5 Millionen Dollar pro Jahr einbrachte. 2008 musste er den Shop schließen und versuchte, seine auf 50 Millionen Dollar geschätzte Sammlung auf E-Bay zu verkaufen. Das höchste Gebot von 3 Millionen Dollar, stellte sich als Fake heraus. Was mit dem Archiv passiert, das unter anderem die erste „flache“ Schallplatte aus dem Jahr 1881 sowie rare und nie veröffentlichte Sonderpressungen beinhaltet, ist ungewiss.
Schöne Sidenote:
Die vielleicht teuerste Scheibe im Archiv des Vinylkönigs Mawhinney ist ein nie veröffentlichtes Rolling Stones Album. Stones Drummer Charlie Watts besuchte bei seinem letzten Wien Aufenthalt im März gemeinsam mit Bassist Dave Greene öfters das Antiquariat Teuchtler in der Windmühlgasse und deckte sich dort mit alten Jazz-Schellaks ein.
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Zum letzten Video ist nicht viel zu sagen, als dass es die Essenz des Record Diggin' wie sonst kein anderes Video veranschaulicht. Nuff said.