Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Something that made my day"

Susi Ondrušová

Preview / Review

14. 4. 2011 - 18:13

Something that made my day

"DMD KIU LIDT" von Ja, Panik ist das FM4 Album der Woche.

Inhaltspunkte für eine Inhaltsangabe (Auszug):

Wer:
Alle, Leute, people, somebody, last born of an inbred dynasty, mother, family, coward, Clemens, Andreas, Miss Mary Jane, Isabella, boys, ghost, Tommy, enemies, friends, creepy bastards, devil, Sebastian, Stefan, strangers, Thomas, Christian, Mr. Blue, surrender, Liebchen, lovers, noone, nocturnal friends, soldiers, Mr. Jones, Norma Desmond, posterboy Dadaist, singer, Teufel, Versender, Empfänger, Leiche, Engelmacher, nobody, Gespenster, liar, noone, grand dame, Hanky, Susi, Jungs, die coolsten, Andere, Freunde von Freunden, lover, DMD KIU LIDT, Manche, kommende Gemeinschaft, Doktor, Geister, Terroristen, Deserteure, Giftler, Partisanen, Fremde, bagage, Angela, Nicolas, Champagnerrevolluzer, Söldner.

Wann:
another day after the day after tomorrow, years to come, useless afternoon, out of time, tomorrow, an einem Freitag, Hundstage, everlasting end, now, Anfang ohne Schluss, vintage years, past, zu früh, zu spät, too early, too late, alle Zeit, Sekunde, nie, mitte Mai, day much like today, letztendlich, nichtsnutzige Tage, verlorene Jahre, mittendrin, Zeiten modern und immer bitter, Welt da draussen, Strasse, on the road, die Stunden in den Zimmern, evening sun.

Wo:
ship, Welt, planet, Europa, trainstation, shelter, ocean, Rom, hotelrooms, bar, Berlin, Spree, Schottentor, Stadt, Fenster, Inferno, schwarzes Loch, nocturnal space, home, Wien West, room with my soul left out, weit, Westen, Osten, Süden, Norden, Knast, im Scheiss, besetzte Zonen, simple but noble mind, Ränder einer Zone, die Klinik, weiter als weit, am anderen Ende im Osten der Stadt, europe, die Welt, Kairo, New York City, Rio.


DMD KIU LIDT

Es gibt kein Richtig und Falsch beim Interpretieren einer like/unlike Situation. Insofern war mir der thematische Überbau dieser Ja, Panik-Platte, diesem 14-Song-Wunder plus dem Song-Monster Song Nr. 15, das einiger Empfindung bedarf, gar nicht so wichtig. Jedenfalls nicht an jenem Tag vor etlichen Wochen, als ich mich hingeklotzt habe und vorhatte, mich nur auf die Musik einzulassen und nur mal so durchzuhören, ohne Mitschreiben, ohne Auffangen von situationistischen Details. Stimmung vor Inhalt, bevor man sich auf den Unterschied zwischen Manifest und Manifestation einlässt.

ja panik

So schauts aus.

Denn Ja, Panik, die Band mit ihrem Zitatschleuder-Agitpop der beiden Money-Phasen, wird mir den thematischen Überbau mit der Zeit noch häppchenweise nahe bringen. Also verfolge ich vor den Buchstaben ("dmdimsumwas?") doch zuallererst die Noten. So stelle ich mir das vor und scheitere. Mir hat ja früher ein "Ach, verdammt" oder ein "Begreifst du die Cha-a-a-ance" ausgereicht, um das Hundertstel einer Sekunde aus einem Stundenpuzzle wertzuschätzen, aber mit DMD KIU LIDT schickt uns die Gruppe Ja, Panik auf eine konkrete Hörspielreise. Jetzt neu: mit stringenter Handlung!

Vom Überleben in der Metropole
Andreas Spechtls Kolumne auf fm4.ORF.at, die am Freitag das letzte Mal erscheinen wird.

"Wohin ich blicke seh ich jemand, der sich für jemand anderen zum Trottel macht", heißt es im Opener "This Ship Is Ought To Sink" und wer sich, wie ich, täglich abwechselnd auf einer der beiden Seiten des Trottel-Sektors befindet, nickt und lacht. Ja, Panik Songs sind wie Kordeln, die den Vorhang, den Gedankenschleier, zur Seite ziehen, um Durchblick zu schaffen.

An den hektischen, eindringlichen und teils tourette-haften Rockmuskel, den sich Ja, Panik so energetisch letzten Jahre antrainiert haben, erinnern auf DMD KIU LIDT nur mehr Songtitel wie "Horror" "Trouble", "Surrender", "Run From The Ones That Say I Love You" oder "Nevermind".

ondrusova

"Es war so: Wütender werde ich nicht mehr schreien, wüster wird es nicht mehr, viel pingeliger werde ich meine Texte nicht mehr zusammenklauen! Dieser ganze Arbeitsprozess wurde innerhalb unserer Möglichkeiten perfektioniert", meint Sänger Andreas Spechtl im Interview Ende März, als er an den Beginn der Albumarbeiten zurückdenkt. Als die Band mit Lorbeerblättern der deutschsprachigen Musikpresse ausgestattet nach Berlin zieht und den Neustarthebel umklammert und zusammenwächst.

Der ganze "Befindlichkeitswahnsinn" wird im Song "Nevermind" explizit und traurig auf den Punkt gebracht. Jede Strophe eine Liebeserklärung an die Mitglieder der Gruppe Ja, Panik. Einsamkeit, Angst und Orientierungssuche, wohin also? In die eigene und/oder gemeinsame Mitte? Ein Song, der die perfekte Zeile "weil es dich nur als den einen gibt, hinter dem das viele liegt" besitzt und nach einem kurzen bestärkenden Gitarren-Galopp eine Verlorenheit und Einsamkeit verlautbart, die zum Heulen ist.

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Am Ende musst du gar nichts

Entschleunigt, weil am Nullpunkt angekommen, der Melancholie verschrieben, so klingen Ja, Panik. Gedrosseltes Tempo, hier ein Streichquartett, dort ein Wüstenriff. Und an manchen Stellen ordnet sich die Gitarre ganz dem Klavier unter, die Klarheit der Aussprache wird durch die Singstimme betont.

Ja, Panik live

07.05. Wien: Popfest
09.05. Berlin: HAU 1
20.05. Linz: Linzfest
29.05. Hamburg: Uebel & Gefährlich
30.05. Köln: Gebäude 9
31.05. Offenbach: Hafen 2
01.06. München: Feierwerk
02.06. St. Gallen: Palace

Die erzählerischen Texte samt persönlichen Ansprachen lassen beim Hören ganz nah am Geschehenen teilhaben. So wie das Atmen und Knistern, das die Live-Situation der Studio-Aufnahmen wiedergibt. Trotzdem arbeitet DMD KIU LIDT mit Täuschung. Die "gefakte Autobiographie" verwaltet Referenzen und ist eine Fundgrube an Details, aber am Ende ist mir weder die Ortung eines Chris-Korda-Zitates noch das Herbeiwünschen von "Cry you a river"-Zuständen eine unterstützende Hilfe sondern fast die eigentliche Last, weil am Ende musst du gar nichts.

Weil die Nähe und die popkulturell herbei gesungene Stütze im ganzen Unbehagen, das sich Leben nennt, zu hinterfragen ist. So teilt sich das Album nach wiederholter Erlebnisfahrt in einen ersten Teil mit seinen vierzehn Songs, bei denen man mit dem Kopf gegen sein Schneckenhaus schlägt, bis ein "suicide is love, suicide is passion" oder "sleeping in a room with my soul left out" entweicht. Und in einen zweiten Teil mit dem letzen Song, DMD KIU LIDT, einer Lawine an Song, einer Art Dialog, der nochmal die Tabula-Rasa-Fahrt im Teil eins erklärt.

christoph voy

Mir sagt dieses DMD KIU LIDT, das alles gut wird, solange man nicht stehenbleibt.