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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

16. 4. 2011 - 13:38

Die FM4 Bücherei mit Paulus Hochgatterer

Der Schriftsteller, Kinderpsychiater und Wortlaut-Juror empfiehlt drei "Bubenbücher" von Thomas Bernhard, Dan McCall und Richard Ford.

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Gäste der FM4 Bücherei

Die FM4 Bücherei ist keine herkömmliche Bücherei, in der man Bücher ausleiht, sondern eine, in der Bücher vorgestellt werden.

Der oder die BesucherIn der FM4 Bücherei stellt seine oder ihre drei Lieblingsbücher vor, bzw. Bücher, die man durchaus lesen sollte.

Diesmal zu Gast: Paulus Hochgatterer

Er würde immer wieder um Literaturtipps gefragt, erzählt Paulus Hochgatterer. Von PatientInnen ebenso wie von ÄrztekollegInnen. SchriftstellerInnen würden ihn hingegen immer wieder um ärztlichen Rat bitten. So kann's gehen, wenn man zwei Berufe ausübt: Kinderpsychiater und Schriftsteller. Beides ist Paulus Hochgatterer mit Leib und Seele. Für das Lesen bleibt aber mittlerweile zu wenig Zeit. "Das schmerzt mich sehr". Als Kind und Jugendlicher habe er "vom Lesen gelebt" und "unglaubliche Mengen von Büchern verschlungen".
Die Stadtbücherei in Amstetten habe seine ganze Gymnasialzeit bestimmt – vielleicht liegt es daran, dass Paulus Hochgatterer drei "Bubenbücher" vorstellt. Die Hauptfiguren sind ein Sieben-, ein 13- und ein 17-Jähriger. "Gerade die drei Bücher, die ich heute empfehle, habe ich mehrmals gelesen." Hier zum Nachlesen, für diejenigen, die sich von Paulus Hochgatterer Literatur empfehlen lassen wollen.

karteikarte mit gezeichnetem portrait von einem mann

fm4/bereuter

buchcover thomas bernhard ein kind

dtv

Thomas Bernhard: Ein Kind. DTV

Thomas Bernhard: Ein Kind

"Ich hab am Ende meiner Gymnasialzeit, ich hab 1979 maturiert, eine ausgesprochene Thomas-Bernhard-Phase gehabt und habe alles gelesen, was verfügbar war.
Das ist in Wahrheit ein autobiographischer Roman, der eine relativ kurze Zeit beschreibt - nur einige Tage. Es geht darum, dass sich der siebenjährige Thomas in Traunstein in Bayern, wo er mit seiner Mutter wohnt, aufs Rad schwingt, um nach Salzburg zu fahren, um dort seine Tante Fanny, die für Schnitzel und allerhand anderer Köstlichkeiten berühmt ist, zu besuchen.
Und diese Radfahrt geht schief. Er fährt in den Straßengraben und es passiert ihm allerhand. Er reflektiert im Anschluss an diesen Unfall wichtige Ereignisse seines Lebens und das Elend, das ihm widerfahren ist und widerfährt. Und er nimmt immer wieder Bezug auf den idealisierten Großvater, der offenbar eine ganz wunderbare Figur ist und die einzige, die ihm in seinem Leben Orientierung und Halt gibt.
Also die Sprachgewalt und diese kräftigen Bilder, die sehr aus der Perseveration auch gelebt haben, die haben mich damals unglaublich fasziniert."

buchcover dan mccall jack der baer baseballfamilienfoto

suhrkamp

Dan McCall: Jack der Bär. übersetzt von Harry Rowohlt, Suhrkamp Verlag

Dan McCall: Jack der Bär

"Ein Buch, von dem ich fürchte, dass es momentan vergriffen ist, d.h. es ist vermutlich nur in Büchereien zu bekommen.
Es geht um einen 13-jährigen, Jack, der mit seinem Bruder Dillan und seinem seltsamen Vater in einem Vorort von Oakland in Kalifornien lebt, dessen Mutter vor kurzem verstorben ist und der dort in einer ganz seltsamen Nachbarschaft mit einem psychopatischen Norman und allerhand andern komischen Figuren einige Zeit verlebt. Und der dort das tut, was 13-jährige pubertierende Burschen so zu tun pflegen: er trinkt gelegentlich, er kifft gelegentlich, er versucht, Mädchen zu küssen und erlebt, was Jugendliche erleben.
Es ist im Ton eine Mischung aus tiefer Verzweiflung, die man, wenn man's tiefenpsychologisch analysiert, natürlich mit dem Verlust der Mutter in Zusammenhang bringen kann, oder mit diesen unmöglichen Großeltern, die es da auch gibt. Also eine Mischung aus tiefer Verzweiflung und einem ganz schönen Humor. Ein bisschen schwarzer Humor, den sowohl dieser Jack selbst besitzt als auch sein Vater, der bei einem Fernsehsender als 'Zeremonienmonster' arbeitet, wobei ich bis heute nicht weiß, was ein 'Zeremonienmonster' ist."

buchcover richard ford eifersuechtig verschneite landschaft

berlin verlag

Richard Ford: Eifersüchtig. Aus dem Amerikanischen von Frederike Arnim, Berlin Verlag

Richard Ford: Eifersüchtig

"Das Buch ist ein literarisches Häppchen.
Es geht um den 17-jährigen Larry, der mit seinem Vater in einer Kleinstadt in Montana lebt und dort irgendwann im Spätherbst, als es schon zu schneien beginnt, aufbricht, um mit seiner Tante Doris nach Seattle zu fahren, denn dort lebt seine Mutter. Also die Eltern leben getrennt. Er bricht vom Vater auf, um seine Mutter zu besuchen.
Und sie machen irgendwie notgedrungen Zwischenstation in einer Kleinstadt. Er möchte dort den Zug besteigen.
Und dort passieren allerhand Dinge. Unter anderem wird am Ende ein Mann von der Polizei erschossen.
Das ganze passiert ganz lapidar und zugleich berührend.
Also das war eines der Bücher, die ich gleich nochmal gelesen habe, nachdem ich fertig war."


wortlaut

fm4

Paulus Hochgatterer und Wortlaut

Das Schreiben ist aus seinem Lesen gekommen, erinnert sich Paulus Hochgatterer. Mit 15 oder 16 habe er mit dem Schreiben begonnen, vorwiegend Gedichte und Kurzgeschichten. Seine erste Veröffentlichung war eine Schularbeit im Jahresbericht der Schule, lacht er. Er habe natürlich für die Schublade geschrieben und niemandem vorgelesen, noch durfte jemand das lesen.
Ihm hatte dann ein Wettbewerb geholfen. Für einen einmaligen niederösterreichischen Schreibwettbewerb hatte der Maturant Hochgatterer eine hundert Seiten lange Erzählung geschrieben. "Eine schwärmerische Maturanten- und Verliebtheitsgeschichte." Mit dieser Geschichte, "in der alles drinnen war, was Literatur zu beinhalten hat: Liebe, Tod, Verzweiflung", hat Paulus Hochgatterer den Wettbewerb gewonnen – eine Buchpublikation des Textes. "Ich hatte dann meine Geschichte in Buchform in Händen und das war ein ungeheures Erlebnis und hat mich sehr bestärkt, weiter zu schreiben."
Vor kurzem hat er den Stuttgarter Krimipreis gewonnen – die Wettbewerbe ziehen sich durch. "Ich empfinde das durchaus als Privileg, ziemlich regelmäßig Preise gewonnen zu haben."

Wortlaut 2011

wortlautlogo

fm4

Alle Infos unter fm4.orf.at/wortlaut.

Heuer ist Paulus Hochgatterer in der Wortlautjury. Er freue sich sehr auf die Jurytätigkeit und darauf, junge Texte zu lesen. Und er weiß auch genau, was eine gute Geschichte für ihn ausmacht: "Das ist ganz einfach. Eine Geschichte muss eine Idee haben, die für den Leser schlüssig ist und die den Leser packt. Und eine Geschichte muss eine Sprache haben, die etwas eigenes transportiert."

Die FM4 Bücherei mit Paulus Hochgatterer gibt es am Sonntag,
17. April 2011, in FM4 Connected ab 15 Uhr zu hören.

Die Playlist zur Sendung:

artist song  
Tennis Marathon  
Bishop Allen click click click click  
Jeans Team Das Zelt  
The Cure Boys dont cry  
Hafdis Huld Action Man  
Freelance Whales Kilojules  
Darkness Falls Noise in the Line