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Daniel Eberharter

Fotografie, Design und Handwerk. Kunst ohne künstlich.

13. 4. 2011 - 13:58

Skelette im Keller

Der Fotograf Klaus Pichler hat sich hinter den Kulissen des Naturhistorischen Museums umgesehen. Ab 15. April zeigt seine Ausstellung, wie Ausgestopftes lebendig wird.

Klaus Pichler - Skeletons in the Closet
15.4.-11.6.2011
Galerie Anika Handelt
Yppenplatz 5/4
1160 Wien

Das Naturhistorische Museum Wien ist insgesamt 45 000 m² groß. Es ist ein riesiges Gebäude. Für die Öffentlichkeit sind im Museum, der Schausammlung, jedoch nur 10 % des Inventars zu sehen. Der Rest des Eisbergs der für die Ewigkeit in artgerechten Posen gefrorenen Vögel, Fische, Schmetterlinge, Kröten verharrt in den Speichern, archiviert und für spätere Ausstellungen aufgehoben, aber auch für die wissenschaftliche Arbeit des Museumspersonals zur Verfügung gestellt. Aber auch Flora. Und Homo Sapien. 25 Millionen Objekte sind insgesamt an diesem Ort untergebracht.

The fantastic Mr. Fox

Der Fotograf Klaus Pichler, Wien im April 2011

Daniel Eberharter

Klaus Pichler, Ottakring, April 2011

Der Wiener Fotograf Klaus Pichler spazierte eines Abends spät nach der Schlafenszeit am Museum vorbei und bemerkte Licht in einem der Fenster. Neugierig wie er ist, lugte er hinein und sah eines der Präparierkämmerlein, in dem eine Antilope tot aber vollkommen lebendig erscheinend zwischen Papierkörben, Tischlampen und Ringordnern stand. Ein absurdes Bild das Pichler nicht mehr losgelassen hat.

Er verbrachte die nachfolgenden zwei Jahre im Bauch des 1889 fertiggestellten Naturkundemuseums und tauchte mit seiner Mamiya RZ67 Mittelformatkamera in dieses Eigenleben hinter den Kulissen ein. Eine Ansammlung von toten Viechern, eine 3D Ausgabe von Brehms Tierleben. Es sind mitunter absurde Momente voller Komik, die sich in den Speichern abspielen: Ein Fuchs fletscht seine Zähne vor dem unerschrockenen Rehkitz, dahinter die kalkweiße Wand mit Lichtschalter und dem grünen Notausgangschild.

Vernissage am 14.4.,
19 Uhr, in Anwesenheit des Künstlers

Klaus Pichler, Skeletons in the Closet

Klaus Pichler

Foto: Klaus Pichler

A night at the museum

Seine Fotos, und diese Information setzt die Fantasie erst wirklich frei, sind nicht gestellt. Die Situationskomik entsteht durch die möglichst platzsparende Archivierung von selbst. Die präparierten, ausgestopften Tiere erkunden scheinbar tatsächlich die Gänge und Räume auf eigene Faust, stellen sich neuen Gefahren und putzen ihre Gefieder, wenn sie ungestört sind.

Es ist ein Einblick in eine verstaubte Welt, die ähnlich wie bei Ben Stillers A Night At The Museum, nicht verstaubt sein muss. Auch Fotografie kann das.

Klaus Pichler beschäftigt sich auch mit Gefängnistätowierungen, Lurch und der Mittelschicht. Er publizierte ua. in Datum, Süddeutsche Magazin, Peng, Rokko's Adventures und Vice: www.kpic.at

Klaus Pichler - Skeletons in the Closet

Klaus Pichler

Foto: Klaus Pichler

Heart of Darkness

Und doch sind es Häute. Skelette. Wer tiefer geht und sich fragt, woher diese Präparate stammen, sowohl geographisch als auch historisch, erkennt eine mitunter problematische Komponente. Auch wir waren einmal Kolonialmacht. Schrumpfköpfe im Kopierkammerl? Pichler hat vieles zu Gesicht bekommen.

In der Ausstellung sind keine toten Menschen zu sehen. Mit gutem Grund. Nur der Name der Ausstellung, "Skeletons in the Closet". lässt Pichlers teilweises Unbehagen vermuten.

Es sind auch Fragen rund um Ethik, Geschichte, Tierrechte und Doppelmoral, die Klaus Pichler BesucherInnen der Ausstellung anschneiden lässt - wenn sie wollen. Das ganze ist herrlich unaufdringlich aufbereitet. Der Zeigefinger ist bei Skeletons in the Closet nie erhoben. Er zeigt nur auf exquisite, ungestellte Fotografie im Speicher des Naturhistorischen Museums. Doch Zeigefinger kratzen auch gern an der Oberfläche. Ein tolles Projekt.