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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

13. 4. 2011 - 10:35

Bohnensuppe im Weltall

Als mein Vater ein Kind war, war Juri Gagarin wirklich ein Superstar. Achtzehn Jahre nach dem Flug Gagarins durfte auch Bulgarien einen Menschen ins All schicken. Seine Mission war, Bohnensuppe an Kosmonauten zu liefern.

Mein erstes Deutschlehrbuch hat früher meinem Vater gehört. Die Lektion über Juri Gagarin war meine Lieblingslektion. „Ich bin stolz, dass ich der Kosmonaut bin“, war einer der ersten Sätze, die ich auf Deutsch gelernt habe.

Als mein Vater ein Kind war, war Juri Gagarin wirklich ein Superstar. In den 60er Jahren war in Bulgarien und im gesamten Ostblock der Hype um ihn so riesengroß, dass jeder Kosmonaut werden wollte. Der erste Mensch im All hat neben allen möglichen Auszeichnungen der Sowjetunion auch alle der sozialistischen Brüderländer verliehen bekommen. Gagarin war unter anderem Ehrenbürger von mindestens sieben Städten in Bulgarien, Rumänien, Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei. Nachdem er die Welt von oben umkreist hat, durfte Gagarin sie auch von unten erobern. Er reiste überall hin und ließ sich von riesigen Menschenmengen umjubeln.

Auch mein Vater durfte Gagarin live bestaunen. In Varna hatte sich die ganze Stadt auf dem „roten Platz“ (eine Mini-Nachbildung von dem in Moskau) versammelt und wartete auf Gagarin. So weit sich mein Vater erinnern kann, fuhr ein winkender Mann in Millitäruniform in einem „Tschaika“-Cabrio am „roten Platz“ vorbei. Blumenwerfen auf das Auto Gagarins war streng verboten, da ihn in der Hauptstadt Sofia jemand mit einem Blumenstrauß im Gesicht getroffen hat.

TASS, Glavkosmos

Juri Gagarin

Wenn ich als Kind eine Frage an meinem Vater hatte, deren Antwort er nicht wusste, sagte er immer: „Ich bin von der Kosmonautenschule“. Ich verstand den Sinn des Satzes nicht, aber fand ihn verwirrend und cool gleichzeitig. Später erfuhr ich, dass man in Varna die Sondergrundschule für Menschen mit mentalen Behinderungen die „Kosmonautenschule“ nennt. Heute entdecke ich die Weisheit dieser Bezeichnung.

Achtzehn Jahre nach dem Flug Gagarins durfte auch mein geliebtes Heimatland einen Menschen ins All schicken. Im Rahmen des 1976 gestarteten sowjetischen Programms „Interkosmos“ wurden Bürger der sozialistischen Länder Osteuropas als Kosmonauten ausgebildet. Der Tscheche Vladimir Remek war der erste Nicht-Amerikaner oder Nicht-Russe im All. Ihm folgten der erste Kosmonaut Polens und der aus „Good-Bye Lenin“ bekannte Sigmund Jähn. Georgi Ivanov sollte 1979 der erste bulgarische Kosmonaut werden.

Die Vorentscheidung, wer der bulgarische Vertreter im Interkosmos-Programm sein sollte, war sehr hart. Die letzten zwei Kandidaten, Georgi Ivanov und Alexander Alexandrov fuhren nach Moskau. Es war bis zum letzten Moment nicht klar, wer von den beiden ins All fliegt. Die Zeitungen hatten für den Tag nach dem Start gleich zwei Titelseiten vorbereitet: „Ivanov: der erste Bulgare im All“ und „Alexandrov: der erste Bulgare im All“. (Haben die beiden den Satz “Ich bin stolz, dass ich der erste Kosmonaut bin!” auch in der Schule gelernt? Wer weiß…)

Georgi Iwanov

spacefacts

Georgi Ivanov

Am 10. April 1979 fliegt Georgi Ivanov mit dem russischen Kosmonauten Nikolai Rukavischnikov im Schiff „Sojus 33“ und sollte der Besatzung der Raumstation Saljut 6, das neueste Kosmonautenfutter übergeben. Es ist speziell für diese Mission vom Institut für Raumforschung an der bulgarischen Akademie der Wissenschaften entwickelt worden. Die Übergabe der Bohnensuppe mit Wurst, Tarator und Sarmaroulladen für Kosmonauten findet aber nicht statt. Bei der Annäherung von „Sojus 33“ an die Raumstation passiert eine technische Panne und die beiden Kosmonauten von „Sojus 33“ kämpfen stundenlang um ihr Leben. Sie schaffen es, mit jeder Menge Mut und Glück lebend auf der Erde zurückzukommen. Inzwischen ist in Bulgarien die Zeitschrift “Balgarski voin” (Der bulgarische Soldat) mit einer Titelgeschichte erschienen, wo das erfolgreiche Ankuppeln an „Sojus 33“ geschildert wurde. Naja, Fehler passieren nicht nur im All.

Die Köstlichkeiten der bulgarischen Küche im All durfte dann Alaxender Alexandrov genießen, der 1988 der zweite bulgarische Kosmonaut wurde. Gerüchten zufolge gab es damals schon Kuttelsuppe, gefüllte Paprika und Schopska-Salat bestimmt für die Schwerelosigkeit. Somit ist Bulgarien das einzige Land, das im Rahmen des Programms „Interkosmos“ zwei Menschen ins All geschickt hat. „Interkosmos“ wurde von den Sowjets auch genutzt, um klare politische Zeichen zu setzen. 1980 wurde Phạm Tuân der erste Vietnamese im All. Phạm Tuân war im Rahmen des Vietnamkriegs der einzige vietnamesiche Kampflieger, der eine amerikanische B-52 abschießen konnte.1988 wurde Abdul Ahad Momand zum ersten Kosmonauten Afghanistans.

Ich weiß nicht, ob es irgendwann einen dritten bulgarischen Kosmonauten geben wird. So wie die Lage jetzt aussieht, ist es in der näheren Zukunft eher unwahrscheinlich. Jedoch glaube ich, dass wenn die Menschen gezwungen werden, sich von diesem Planeten zu verpissen, wir einen Weg finden werden, dabei zu sein.