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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

11. 4. 2011 - 19:15

Fußball-Journal '11-30a.

Die Woche des möglichen Umbruchs - und warum nichts draus werden wird.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit dem was sich nach der Woche der überraschenden Personaleintscheidung an Möglichkeiten für eine neue Ära auftut - und warum die heimische Fußball-Branche diesen Sitzer wohl trotzdem auslassen wird.

Da ist man einmal eine Woche nicht da, sondern stattet dem Camp Nou einen Besuch ab, und schon geht es rund.
Zuerst blattelt der Firlefranz Beckenbauer anläßlich einer offiziellen Präsentation das planlose ÖFB-Team öffentlich auf und zieht damit die "Arbeit" des Trainerteams dorthin wo sie hingehört: ins Lächerlich. Damit ist Dietmar Constantini erledigt.
Dann zieht Red Bull-Boss Mateschitz durch und erwischt nicht nur Trainer Stevens, sondern killt auch seinen Head of Soccer, Dietmar Beiersdorfer.
Und heute entlässt sich Peter Pacult, dem Konkurrenz-Boss Mateschitz bei einem Heurigen schöne Augen machte, quasi selber, provoziert die Fristlose.

Während die Sache Beiersdorfer ganz andere Gründe hat, weisen die öffentlichen Demütigungen, die die Generation der in den 50ern geborenen drei Trainer nun durchwatschen, Gemeinsamkeiten auf. Alle drei galten als Auslaufmodelle: das, was einen Coach in den 10er-Jahren auszeichnet, können sie nicht mehr. Mimosenhafte Wehleidigkeit, komplette Unfähigkeit sich zu erklären, patzige Attacken gegen Gott und die Welt, und vor allem der eklatante Unwille, sich mit zeitgemäßen Methoden im Spitzensport zu beschäftigen - das brachte jeder der drei auf seine Art zum Ausdruck.

Dass sie damit in Österreich lange jahre über unbehelligt arbeiten konnten, hängt mit der (in Medien und in der Öffentlichkeit transportierten) populistischen Intelligenz- und Neuerungs-Feindlichkeit zusammen. Fußball gilt vielen als letzter Rückzugsraum von Gefühl und Instinkt, über das der gemeine Österreicher im Übermaß zu verfügen glaubt.

Der letzte Rückzuggsraum des Nichts-Könnens

Ein PS zu den Nichts-Könnern auf Funktionärs-Ebene: das Becherwurf-Fanal beim letzten Spiel in Graz wurde mit einer Pipifax-Geldstrafe beerdigt. Außerdem droht ein (1) Stadionverbot. Huh, da werden sich die Hools aber fürchten!

In Wahrheit handelt es sich bei dieser bodenlos dummen Rückständigkeit nur um Faulheit: sich nicht mit aktuellen Neuerungen, die gar womöglich auch noch aus dem Ausland kommen, auseinandersetzen zu müssen.
Diese Mentalität entspricht letztlich dem, was die Rechtspopulisten ausgeben: das "heimische" Element wird als "ehrlich" abgefeiert (auch wenn es sich dann in der Praxis als faulbettige Verfilzung erweist, von der auch die Fußball-Branche durchsetzt ist wie der Körper eines Krebskranken im letzten Stadium), wohingegen Einflüsse von "außen" (und sei es nur aus anderen, besser aufgestellten Sportarten) als überflüssiger intellektueller Klimbim diffamiert werden.

Immerhin: Zoran Barisic führt Rapid aus dem Mittelalter in die Neuzeit - er führt die Videoanalyse und das taktische Training ein.

In diesem Fahrwasser schwimmt auch die junge Generation von Ex-Teamspielern und Jetzt-an-die-Futtertröge-Drängern der Generation WM '98, der von Herzog, Stöger und Co.
Während sich ihre Altersgenossen in besseren Fußball-Nationen aktuell einen fantastischen Namen als Neuerer machen (die Generation Mourinho, in den 60ern geborene Coaches, vor allem in Spanien, Portugal, und natürlich in Deutschland) und sich einen neuen, akribischen, sportwissenschaftlich und strategisch erstklassigen Arbeitsstil angeeignet haben, der tatsächlich eine neue Ära eingeleitet hat, stecken die jungen österreichischen Trainer im Glauben fest das Nicht-Wissen, die Nicht-Anstrengung und das daraus resultierende Nichts-Können auch in der nächsten Generation perpetuieren zu können.

Austro-Coaches: next Generation, selber Ballawatsch

Zum anfangs erwähnten Side-Aspect, zur am 8. 4. erfolgten Entlassung von Dietmar Beiersdorfer als Chef des Fußball-Engagements von Red Bull, das neben dem Salzburger Bundesliga-Club auch Red Bull New York, Akademien in Ghana und Brasilien sowie den Vorstands-Posten des deutschen Viertligisten RasenBallsport Leipzig beinhaltet. Auch dort ist Beiersdorfer abgesetzt - das sprach sich mittlerweile auch nach Leipzig durch.

Beiersdorfers Position wird nicht nachbesetzt - die drei Vereine bekommen einen sportlichen Leiter (in Leipzig Thomas Linke, in NYC ist das Erik Soler, in Salzburg ist die Lage noch unklar).
Aber: nicht Beiersdorfer ist gescheitert, sondern das Management auf der Ebene darüber. Diese Head of Soccer-Position konnte nicht funktionieren, wenn man einen Mann der eigentlich für mittel- und langfristige Planung zuständig ist, auch für alle sportlichen Ergebnisse mitverantwortlich macht.
Eigentlich hätte Red Bull also das Vorstands-Mitglied entlassen müssen, der eine theoretisch okaye Idee in ein unbrauchbares Setting stellte. So etwas richtig einzuschätzen ist aber die ureigene Aufgabe der Vorstandsebene. Nachdem sich aber Big Boss Mateschitz nicht selber entlassen kann, musste Beiersdorfer über die Klinge springen.

Und genau deshalb wird das (völlig verdiente) Wegbrechen der Generation Constantini/Pacult nichts verändern. Die jüngeren Nachfolger haben weder die Mittel noch den Willen es ihrer international floriernden Generation nachzumachen.

Ein Jürgen Klopp macht dort, wo hierzulande ein paar Sätze in eine verwirrte Runde geplärrt werden (in der Halbzeitpause nämlich) eine taktische Besprechung mit Video-Analyse. Und selbst ein Fußball-Lehrer klassischen Stils wie Dieter Hecking in Nürnberg erklärt vor jedem Bundesliga-Spiel jedem einzelnen Spieler haarklein seine taktischen Aufgaben.

In Österreich kann man das bei ein einer Handvoll Vereinen (aktuell: Austria, Sturm, Neustadt, Ried, Innsbruck, Altach) vorfinden, die meisten arbeiten mit "Motivatoren", deren Wirkung sich innerhalb kürzester Zeit verliert, Posern ohne jegliche Sustanz, ohne Philosophie, ohne Idee und ohne Matchplan. Und, als ob das alles nicht schlimm genug wäre, kommt es dann noch zu einem zusätzlichen "Kulturschock", wenn man ins taktisch und strategisch vollständig unterbelichtete Nationaltream berufen wird.

Weil das Personal das an diesen Zuständen etwas ändern könnte, aber derart dünn gesät ist - und weil die Verantwortlichen Angst davor haben Nicht-Ex-Teamspieler oder gar Ausländer zu holen - wird sich nichts ändern.

Die schlummernde Generation 98

Vielleicht kann ein Ricardo Moniz bei Salzburg etwas bewirken.
Vielleicht sollte sich der ÖFB einen Alfred Hörtnagl holen - schließlich hat er mit seinem Projekt Pro Rapid etwas auf die beine gestellt, was die Herzogs, Herafs, Stögers, Kühbauers oder Pfeifenbergers wahrscheinlich nicht einmal buchstabieren können.
Vielleicht ist ein Paul Gludovatz die beste Übergangs-Idee, ehe der ÖFB endlich jemanden findet, der wie weiland Roy Hodgson in der Schweiz eine tragfähige Philosophie findet, die bis heute nachwirkt. Ja, ich weine der Chance auf Slomka immer noch nach.
Vielleicht schlummert in der Generation 98 tatsächlich einer, der sich nach einer Hospitanz in England/Deutschland/Spanien berufen fühlt die Szene aufzumischen. Schwer ist es, angesichts der Konkurrenz nicht. Markus Schopp bewirbt sich aktuell um genau diese Rolle.

Nur: all das dauert.
Und die Chance auf einen Umbruch, auf einen echten - die würde sich jetzt auftun.

Allerdings: solange alte Herren wie Mateschitz, Windtner oder Edlinger die Personalpolitik bestimmen (und dabei nach Kriterien aus dem vorigen Jahrhundert vorgehen) würde wohl auch das nichts nützen.