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Robert Rotifer London/Canterbury

Themsenstrandgut von der Metropole bis zur Mündung: Bier ohne Krone, Brot wie Watte und gesalzene Butter.

9. 4. 2011 - 14:51

Rog not Syd

Eine Galerie in London stellt die Bilder und Briefe des jungen Roger, nicht Syd Barrett aus.

Es hat ja nicht viel Sinn, einen Tag vor dem Schließen einer Ausstellung darüber zu berichten. Aber es war eben verdammt viel zu tun in den letzten Tagen und Wochen, und um es mit Cher zu sagen: "If I could turn back time... " Geht aber nur bei Harry Potter, weshalb Hermione all die anderen Fächer belegen kann, die sich im Stundenplan nicht ausgehen, und falls ich je einmal J.K. Rowling treffen würde, sag ich ihr aber schon, dass diese Fähigkeit zum Zeitzurückdrehen den gesamten Plot in Frage stellt, denn wieso machen die das dann nicht jedes Mal, wenn was schiefgelaufen ist, zum Kuckuck.

Syd Barrett-Ausstellung und Besucher

Roger Keith Barrett, Foto: Robert Rotifer

Also, bis morgen ist die Ausstellung "Syd Barrett: Art & Letters" in der Idea Generation-Galerie im Londoner East End (11 Chance Street) noch zu sehen. Falls sich das nicht ausgehen sollte, hier stattdessen mein Eindruck davon.

Bild von Roger Barrett

Roger Keith Barrett, Foto: Robert Rotifer

Zunächst einmal die unvermeidliche Kritik des Ausstellungskonzepts und des Titels: Syd hieß in Wahrheit, wie alle, die sich für ihn interessieren eh wissen, Roger Keith Barrett.

Was insofern eine Rolle spielt, als er die Rolle des Syd auf seine Tätigkeit als Songschreiber, Sänger und Gitarrist der frühen Pink Floyd beschränkte.

Die Bilder, die hier ausgestellt sind und die aus der Zeit vor und nach der kurzen Pink Floyd-Periode seines Lebens stammen, sind dagegen nicht von ungefähr mit den drei Buchstaben "RKB" signiert.

Zwei Bilder von Roger Barrett

Roger Keith Barrett, Foto: Robert Rotifer

Aus Syd wurde bekanntlich wieder Roger, weil Roger nicht länger in der Welt des Syd leben wollte, von dem er sich entfremdet hatte.

Diese Prämisse der Ausstellung, das Werk des Roger Barrett unter Berufung auf den Mythos des Syd Barrett zu zeigen, hat also ein Problem der posthumen Rechtfertigung, insbesondere wenn im ersten Stock der Galerie Fotos von Pink Floyd-Gigs der Sechziger ausgestellt werden, die weder ästhetisch noch sonst wie im Zusammenhang mit Rogers Bildern stehen.

Bild von Roger Barrett

Roger Keith Barrett, Foto: Robert Rotifer

Soweit wir wissen, war Roger sich schon zu seinen Lebzeiten dieses Widerspruchs bewusst, und wie man liest, war seine Lösung die sofortige Vernichtung der Bilder, die er malte - offensichtlich nicht aller Bilder.

Das hier zu sehende Frühwerk jedenfalls kommt von einem Künstler, der Anerkennung suchte und sich zu diesem Zweck an jedem Stil versuchte, der ihn interessierte.

Bild von Roger Barrett

Roger Keith Barrett, Foto: Robert Rotifer

Was da zu sehen ist, ist das Werk eines sehr talentierten Kunststudenten, aber nicht der Ausdruck einer ausgereiften Künstlerpersönlichkeit. Dementsprechend schwankend die Qualität der Bilder.

Großartig die Skizze des Buben mit den Brillen oder das Acryl-auf-Holz-Gemälde einer von Zähne fletschenden Löwen bedrohten Mutter mit zwei Kindern in einem römischen Zirkus.

Weniger gelungen die Landschaften und die abstrakten Versuche (was sich übrigens auch mit seiner Songschreiberei vergleichen lässt, die meiner bescheidenen Meinung nach immer dort am Treffsichersten ist, wo er surreale Geschichten erzählt - auch wenn der Blick in die wirre Düsternis existenzieller Zerwürfnisse das ist, was den Mythos nährt).

Bild von Roger Barrett

Roger Keith Barrett, Foto: Robert Rotifer

Was mich aber am meisten beunruhigte, waren die zwischen den Bildern ausgehängten Liebesbriefe. Ich muss zugeben: Es interessierte mich. Sehr. Das nach rechts hängende Schriftbild, die naiven Erwartungen ans Nachlondongehen, das präfeministische Versprechen an die Freundin, dass er sie zu sich ziehen lassen würde, damit sie seine "kleine Hausfrau" sein könnte.

Und dann der Brief, in dem er sie fragt, ob sie denn schon ihren Black Bomber probiert habe. Das sei nämlich der nächste Schritt zu "the big H".

Die in säuberlicher Schrift niedergeschriebene Frage illustriert nicht nur den unvorstellbar unschuldigen Umgang dieser Generation mit Drogen, sie weist natürlich auch in Richtung der Zukunft eines Syd Barrett, der 1967, bloß zwei Jahre nach Verfassen des Liebesbriefs, auf der Bühne des UFO-Clubs stehend unaufhörlich denselben Akkord spielte, weil er in einem endlosen LSD-Loop hängen geblieben war.

Foto von Robert Barrett mit Bild aus dem Jahr 1965

Roger Keith Barrett, Foto: Robert Rotifer

Der junge Kunststudent Roger Barrett posiert in einem Garten in Cambridge neben einem seiner Bilder

Gleichzeitig erinnerte ich mich aber an mein Interview mit Pink Floyds erstem Manager Peter Jenner direkt nach Syd/Rogers Tod und die darin aufgekommene Möglichkeit, dass er mit seinem Ausstieg einfach das Richtige getan haben könnte. Dass sein weiteres Leben vielleicht sogar glücklicher war als das des Rests der Band. (Er bezog bis zu seinem Lebensende Tantiemen und musste nie wieder arbeiten gehen.)

Auf der Stiege, dort wo's zu den Live-Fotos ging, saß eine Frau, so Mitte 60, die freundlich Platz machte, wenn man vorbei wollte.

Wie ich nachher erfuhr, war sie seit Pink Floyd-Zeiten in Syd verliebt und hielt nun in der Ausstellung ihre private Totenwache. Dabei war Syd gar nicht dort. Nur Roger, der genau vor dieser Art der vereinnahmenden Verehrung geflohen war. Verständlicherweise.