Erstellt am: 8. 4. 2011 - 19:25 Uhr
Fußball-Journal '11-28.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch das neue Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit dem Rauswurf von Stevens und Beiersdorfer, dem von Franz Beckenbauers Verbal-Tourette bezeichnetem Ende des ÖFB-Teamchefs und dem Tod des Nachwuchs-Coaches Ernst Weber.
Huub Stevens fliegt, weil er ein destruktiver Charakter ist, ein Menschen- und Materialvernichter.
Dietmar Beiersdorfer fliegt, weil er hinter den Zielen seines Fünf-Jahres-Plans hinterherhinkt: Mit Salzburg zumindest geht nichts. Wie es beim zentralen Red Bull-Interest, in Leipzig, aussieht, wo der geplante Durchmarsch auch nicht zu schaffen ist, steht in den Sternen. Vorstandsvorsitzender bei RasenBall Leipzig ist Beiersdorfer in jedem Fall noch.
Dietmar Constantini wird fliegen, weil niemand eine derartig brutale und zurecht erfolgte Demütigung, wie sie Franz Beckerbauer - noch dazu bei einer offiziellen ÖFB-Veranstaltung - abgeführt hat, überleben kann.
Diese drei Abgänge schmerzen nicht, ganz im Gegenteil. Sie tun gut (Stevens, Constantini) bzw. zeigen, dass im Big Business das Hire&Fire-Prinzip vor Nachhaltigkeit geht (Beiersdorfer) - was dieses letztlich zur Implosion bringen wird.
Der vierte Abgang, der schmerzt.
Der Verlust zuerst. Zum Tod von Ernst Weber
Ich kannte den Mann ja nicht wirklich. Einmal am Rande einer Veranstaltung hingehen und nachfragen, wie er etwas zuvor Gesagtes gemeint hätte und dann fünf Minuten miteinander reden - das ist nichts.
Ich bin auch sicher, dass mir Ernst Weber in all seiner merkbaren "Alten Schule" durchaus auch auf die Nerven hätte gehen können, bei näherer Beschäftigung, einfach weil ich das Gehabe dieser meiner Elterngeneration nicht ertrage.
Andererseits haben immer alle, mit denen man so ins Gespräch kam Webers Integrität und vor allem seinen Zugang zum Fußball hervorgehoben. Und der entsprach schon eher dem, was ich mir vorstelle. Denn im Gegensatz zu den Ex-Spieler-Größen, die quasi aus sich selber heraus agieren, und damit nur das weitergeben können, was sie sich irgendwann beibringen ließen, jedoch weitgehend frei von zeitgemäßen Inputs bleiben, musste ein Coach wie Ernst Weber, der keine tolle Spieler-Karriere hatte, immer mehr leisten. Sich mit dem Spiel, mit der Philosophie, mit dem Dahinter beschäftigen. Und sich ordentlich mit den Jungen auseinandersetzen.
Weber wurde ÖFB-Cupsieger mit einer Pimperl-Mannschaft wie dem seitdem versunkenen SC Krems, gegen Ernst Happels Innsbrucker. Und irgendwann holte ihn ein schlauer Kopf in den ÖFB-Trainerstab, wo er neben Hitzel und Gludovatz zu den älteren weiseren Herren gehörte, die sich wirklich um neue Methoden und um dieses Dahinter, den Kern des Fußballs eben, kümmerten. Zuletzt auch mit dem Aufbau des Frauen-Nachwuchses, einem Gebiet des absoluten Neubeginns.
Meine fünf Minuten mit Weber waren auch einem jungen Spieler gewidmet, von dem der Trainer viel hielt, aber meinte sein Lebensstil könnte ihm noch dazwischen kommen. Ich lasse den Akteur namenlos, er ist schon fast abgetaucht und versucht jetzt gerade eine zweite Chance zu nutzen. In jedem Fall erzählte Weber in kurzen aber funkelnden Worten, was er von diesem riesengroßen Talent halten würde, und wie ewig schad' das wäre, wenn der nicht die Kurve kriegen würde.
In diesem Fall hoffe ich noch.
Im Fall von Ernst Weber selber geht sich das nicht mehr aus. Warum der Coach, der vor ein paar Jahren seinen Krebs besiegte, sich vor den Zug geworfen hat, weiß niemand. Klar ist, dass in solchen Momenten allen der Name Robert Enke einschießt.
Kein Verlust: Beckenbauer grillt Constantini
Dietmar Constantini ist dead man walking.
Franz Beckenbauer, vom ÖFB nach Wien geholt um als Botschafter des Nachwuchs-Projekts 12 die Werbetrommel zu rühren, brachte den ÖFB-Trainer um.
Die Mannschaft sei gelaufen wie wahnsinnig, "dabei rausgekommen ist aber überhaupt nichts. Jeder ist nur irgendwo hingerannt. Da war keine Ordnung, kein Konzept und auch keine Idee."
Die Sache mit dem Ballbesitz wäre ja schön und gut, aber wer mit dem Ball laufen will, "der braucht aber a bissl ein Hirn dazu". Außerdem habe man eben nicht miteinander gespielt. Er habe, sagt Beckenbauer, noch nie eine Mannschaft gesehen, die mit so einem hohen Aufwand gespielt und überhaupt nix erreicht hat."
Uneleganter kann man dem Trainerstab nicht sagen, dass er versagt hat. Von ÖFB-Seite ist die Betroffenheit spürbar - auf der Website wird nix erwähnt.
Dafür bricht ÖFB-Chef Leo Windtner in einem Standard-Interview, das die von Beckenbauer aufgeworfenen Fragen deutlich anspricht, gegen Ende ein und findet einzelne der diversen Wahnsinnigkeiten der Ära Constantini dann zumindest "befremdlich".
Der ÖFB hat sich mit dem Gastauftritt des unberechenbaren Beckenbauers ein hübsches Eigentor geschossen - ab sofort kann sich Constantini nämlich nicht mehr rausreden, die Kritik an ihm würde nur von Journalisten kommen, die alle nie selber gespielt hätten (auch ein Dodel-Argument, by the way, und was für eines...). Letztlich hat Beckenbauer in seinen auch etwas einfachen Worten alles zusammengefasst. Und ist in weiterer Folge dauerzitierbar. Was ein eitler Werbeträger nicht aushalten wird.
Kein Verlust: der selbstgegrillte Huub Stevens
Dass Constantini im Vergleich zu Huub Stevens wie ein richtiger Mensch rüberkommt, unbenommen! Allerdings hat Stevens seine Dünnhäutig-, Patzig- und Pampigkeit auch mit europäischen Erfolgen verdient, wo Constantini genau gar nichts aufzuweisen hätte.
Trotzdem: beide probiert, kein Vergleich.
Dass Stevens von Red Bull-Mateschitz jetzt während der Saison gefeuert wurde, ist der Bruch einer Tradition. Changing Horses in Midstream war bislang ein No-Go. Jetzt, nach einer Latte von unterirdischen Leistungen der Mannschaft und Dauer-Clinches in der Kabine, ist es passiert. Was genau ausschlaggebend war - i couldn‘t care less. Hauptsache Schluss mit diesem unrühmlichen Kapitel.
Auch kein Verlust, aber seltsam: der slicke Beiersdorfer
Dass am Tag darauf ein möglicher 5. Abgang, nämlich der von Huub Stevens nationalem Mimosen-Imitat Peter Pacult, womöglich sogar zu RB Leipzig in den deutschen Osten - wo er zu seiner Zeit bei Dynamo Dresden untertitelt werden musste; ohne simultane Übersetzung versteht kein Deutscher auch nur ein Wort pacultisch - bevorsteht: Treppenwitz der Geschichte. Und es zeigt, dass fußballferne Manager wie die Red Bull-Entscheider immer in den Gatsch greifen werden.
Warum Dietmar Beiersdorfer, Head of Soccer, gleich mitverabschiedet wurde, das ist schon ein wenig stranger.
Beiersdorfers Aufgabe war es nämlich nicht primär Salzburg zu managen und für kurzfristigen sportlichen Erfolg zu sorgen. Der Ex-HSV-Manager war für die Gesamt-Entwicklung der weltweiten Fußball-Abteilungen zuständig. Und da ist Leipzig deutlich wichtiger, aber auch das, was in New York, Accra und Sao Paulo passiert ist mindestens ebenso wichtig wie die werte Salzburger Lokal-Befindlichkeit.
Und die dürre offizielle Mitteilung der Entlassung von Beiersdorfer sagt nicht wirklich genau welche seiner zahlreichen Tätigkeiten das betrifft. In Leipzig geht man nämlich davon aus, dass er als Chef-vom-Ganzen bleibt. Allerdings erfolgte die Aussage von Vereinssprecher Enrico Bach ohne Rücksprache mit der Red Bull-Führung. Auch ein schönes Indiz dafür wie der interne Kommunikationsstil im RB-Imperium so geführt wird.
Seltsam ist das allemal: Entweder hat Mateschitz die zeitliche Gelegenheit genützt, einen länger geplanten Schritt vorzuziehen; oder es hat aktuelle Brösel gegeben, vielleicht sogar im Zusammenhang mit der Stevens-Entlassung. Zuletzt war gerüchteweise Frank Rost als Nachrücker im Gespräch; jetzt taucht Ali Hörtnagls Name auf. Da das RB-Imperium im Fall von Vertragsauflösungen strikte Schweige-Klauseln vorsieht, wird sich die Aufklärung nur im Gerüchte-Milieu entwickeln können. Schade.
Ob es um Beiersdorfer schade ist, wird man erst erkennen können, wenn der Nachfolger bekannt ist. Allerdings hat der Sportchef seit seinem vielversprechenden Amtsantritt systematisch abgebaut, immer mehr Hardliner- und Beton-Mentalität entwickelt und sich schließlich von einer angenehm auffälligen Ausnahme zu einem weiteren öden Phrasendrescher entwickelt. Und zwar egal ob es um Leipzig, Salzburg oder die neokolonialen Red Bull-Interessen in Afrika und Brasilien ging.