Erstellt am: 8. 4. 2011 - 13:22 Uhr
Laika
Der Wettlauf um die Vorherrschaft im All zwischen der UdSSR und den USA erreichte 1957 einen ersten Höhepunkt. Am 4. Oktober schickt die Sowjetunion den ersten künstlichen Satelliten ins All – Sputnik I. Die ganze Welt ist beeindruckt, allen voran Nikita Chruschtschow. Für den 40. Jahrestag der Revolution will er das noch überbieten. Amerika soll staunen.
Nick Abadzis/Atrium
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Keinen Satelliten will er, sondern ein Raumschiff. Mit einem Passagier. Einem Menschen. Weil die Forschung aber noch nicht so weit ist, einigt man sich auf einen Hund.
Diese Pläne umzusetzen ist schon schwierig genug. Hinzu kommt, dass die Zeit bis zum Jahrestag knapp ist. Sehr knapp. Gerade mal ein Monat. Am 3. November 1957 soll das erste Lebewesen ins All geschickt werden. Und es ist klar, dass dieser Ausflug ein One-Way-Ticket sein wird.
AP
"Laika" erzählt nun die Geschichte der Hündin. Vom ausgestoßenen Welpen, der auf der Straße landet und von dort von Hundefängern ins Forschungsinstitut gebracht wird, weil das Tierheim zu voll ist.
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Im Forschungsinstitut wird Laika umgehend von der jungen Assistentin für Hundetraining, Jelena Alexandrowna Dubrowskaja ins Herz geschlossen.
Jelena und ihre Beziehung zur Hündin stehen im Mittelpunkt der Erzählung, Jelena ist es auch, die die Forschungsmethoden in Frage stellt und unter dem System leidet. Zwischen Pflichterfüllung und moralischen Bedenken wird geforscht.
Nick Abadzis/Atrium
Nick Abadzis/Atrium.
Nick Abadzis (Autor und Zeichnung) und Hilary Sycamore (Kolorierung): Laika. Aus dem Englischen von Ebi Naumann, Atrium Verlag, Zürich 2011
Von Beginn an weiß der Leser, dass die Geschichte auf den Tod des Hundes hinausläuft. Auf einen Tod allerdings, der die Hündin weltberühmt machen soll. Daher werden immer wieder Episoden eingestreut, die zeigen, dass der niedliche Hund für etwas Großes, ganz Besonderes auserwählt ist. Dabei wird ordentlich auf die Tränendrüse gedrückt, an Klischees nicht gespart und auch mit Kitsch nicht gegeizt.
Und das ist teilweise schwer erträglich und fragwürdig. So fragen die Forscher mehrmals, ob man denn für diese Mission nicht einen freiwilligen Menschen finden könnte. Plakativ dargestellt auch der Bub, der gezwungen wird, Laika aufzuziehen. Der mag die Hündin nicht und schlägt sie. Der Bub selber aber wird von seinem Vater geschlagen und von seiner Mutter nur angebrüllt. Das wird aber keineswegs hinterfragt. Mitleid soll man nur mit dem Hund haben.
Nick Abadzis/Atrium.
Nick Abadzis zeigt die Fragwürdigkeit dieses Forschungsprojekts. Die offizielle Version lautete damals, Laika habe vier Tage, eben bis zum 40. Jahrestag der Revolution, im All überlebt und sei durch ein ihrem Futter beigemischtes Gift schmerzlos verstorben. In Wahrheit war sie aber schon nach kaum fünf Stunden tot, weil ihre Kabine unzureichend wärmeisoliert war.
Nick Abadzis/Atrium
Die Farbgebung in der Graphic Novel ist dumpf, dunkel und kalt. Die Figuren selbst sind hässlich, recht lieblos und rau gezeichnet.
Trotzdem war das Buch in den USA ein Riesenerfolg. Es wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter dem Eisner Award und dem "Best Book of the Year" bei Publishers Weekly. Möglicherweise liegt der Erfolg in den USA aber auch darin, dass die Überlegenheit der UdSSR von 1957 durch diese Graphic Novel ein wenig entzaubert wird.
Anmerkung am Rande: 1958 schickten die USA den Affen Gordo ins All – auch er überlebte nicht. Viel gelernt aus diesen Tierversuchen haben beide Weltmächte nicht.