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Robert Rotifer London/Canterbury

Themsenstrandgut von der Metropole bis zur Mündung: Bier ohne Krone, Brot wie Watte und gesalzene Butter.

6. 4. 2011 - 14:41

She come alive when she dying

Ein Gespräch mit Alison Mosshart zum neuen Album der Kills im heutigen House of Pain und wie es dazu kam

Ich war gerade in London aus dem Zug gestiegen, als die Frau von Domino mich anrief und mir sagte, dass Alison Mosshart unaufhörlich kotzt.

Den ganzen Vormittag schon.

Nun bin ich ja einer, der findet, dass Leute grundsätzlich immer krank sein dürfen. Wo kämen wir sonst hin? Ich hab also keinen Druck gemacht, von wegen Halten an die Verabredungen.

Aber die Frau von Domino gab mir Aussicht darauf, dass es Alison später vielleicht wieder besser gehen könne, also setzte ich mich in ein Pub und hörte mir den ganzen Stream des neuen Albums noch einmal an. Und dann noch einmal.

Im Gegensatz zu einer schwarzen Stadtechse wie Christian Fuchs gehöre ich nicht zur geborenen Kundschaft der Kunst der Kills. Sicher, die Grundidee, das weichgeklopfte Fleisch des Blues ans harten Metrum der Maschine zu hängen, hat schon ihre – von Leuten wie Depeche Mode durchaus wohlerprobte – Gültigkeit, aber wie es im neuen Kills-Song „DNA“ so schön heißt: „We will not be moved by it.“

Das ist das Problem an Sexmusik. Wenn sie einen antreibt, dann aber ordentlich, wenn nicht, steht sie mit ihrem aufgeknöpften Regenmantel sinnlos in der Gegend herum und holt sich einen schlimmen Schnupfen.

Albumcover the Kills Blood Pressures

Domino Records

Das Cover von Blood Pressures. Mir ist als Kind ja in Autos mit Ledersitzen auch immer schlecht geworden.

Zum Teil geht es mir auch mit dem neuen Kills-Album „Blood Pressures“ so, aber wie ich da mit meinem Ale als Gesellschaft in Holborn an meinem Einzeltisch mit dem hohen Hocker saß, stellte ich plötzlich fest, dass diese Platte mich völlig unerwartet an der verwundbarsten Stelle, nämlich der sentimentalen Ader erwischte.

Liebes ORF-Gesetz, wenn das jetzt nicht sendungsbegleitend ist, dann weiß ich nicht.
Empfehle House of Pain, heute Abend ab zehn.

Da war einmal das Lennoneske Intro zu „Wild Charms“, mit Jamie Hinces berührend naiver Stimme tief in der nostalgischen Parallelwelt, die ein Phil-Spector-Tape-Delay in mir Pawlowschem Hund eröffnet.

Und dann erst „The Last Goodbye“, so ein hemmungslos tragischer, von (hörbar echten) Mellotronschleiern umspielter Herzbruchwalzer, dass einen danach sogar das Zombie-Thema von „Damned if she do“ berührt.

Bei der Zeile „She come alive when she dying / She come alive when she on her last legs / She come alive when she on her deathbed“ musste ich mir Alison vorstellen, wie sie zur selben Zeit mit dem Kopf über der Klomuschel hängt.

Ungefähr gleichzeitig läutete das Telefon und mir wurde erklärt, dass sie am späteren Nachmittag doch noch Zeit für mich finden würde.

Ich traf Mosshart schließlich in einem Doppelzimmer im Claridge's zu Mayfair an (surreale Note: Gary Walker, den einst durch Cornershop hartgeprüften Wiiija Records-Gründer, in seiner jetzigen Funktion als Kills-Manager an so einer Adresse anzutreffen).

Alisons Haut war eierschalenfarben, kaum dunkler als ihre Zähne, sie lag ausgestreckt auf einer Couch, aber sie ließ sich durch unser Gespräch bald in die (sitzende) Vertikale locken.

Es war der Tag nach dem verlautbarten Ende der White Stripes, ein guter Anlass, über Jack White und The Dead Weather zu reden, deren Einfluss auf „Blood Pressures“ sehr deutlich zur Geltung kommt. Siehe vor allem „Nail in my Coffin“: Der Beat mag programmiert sein, aber er trägt in seiner Reverb-getränkten Led Zep-Brachialität (humorig kontrastierend mit einem gesampleten Ping Pong-Ball) den Namen Jack auf den Rücken tätowiert. Ganz zu schweigen vom Retro-Blues-Rock-Tonartenwechsel.

Wir berührten das klassische Thema der berechtigten Angst des weißen Mannes vor dem Reggae-Beat (nämlich wenn er sich anmaßt, ihn selbst zu spielen, so wie Jamie auf „Satellite“) und ein paar nicht so klassische noch dazu, unter anderem die bisher ehrlichste Antwort darauf, wie ein alter Fugazi-Fan wie Alison Mosshart ihren Frieden dabei findet, Unterwäschemodeschauen zu beschallen.

Einige Auszüge aus diesem Interview werden Mittwoch Abend ab 22 Uhr im House of Pain zu hören sein.