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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

9. 4. 2011 - 18:10

"Mein eigenes Abenteuer"

Salman Rushdie verhilft mit "Luka und das Lebensfeuer" seinem Sohn auf eine prometheische Mission.

Salman Rushdie zählt schon seit Jahrzehnten zur ersten Garde der Weltliteratur. Vor ziemlich genau dreißig Jahren hat er sich mit dem postkolonialen Roman "Mitternachtskinder" in ebendiese hineingeschrieben. Der Weltöffentlichkeit ist er aber erst mit der Kontroverse um seinen Roman "Die satanischen Verse" bekannt geworden. Nachdem Rushdie dort eine alternative Geschichte des Propheten Mohammed erzählte, hat der oberste iranische Religionsgelehrte, Ayatollah Khomenei, mittels einer Fatwah ein Todesurteil über Rushdie ausgesprochen. Verstärkt wurde dieses Urteil durch ein Kopfgeld über drei Millionen US-Dollar.

Buchcover von Salman Rushdies Roman Luka und das Lebensfeuer. In orange und rottönen gehalten mit einer roten flamme darauf

rowohlt verlag

"Luka und das Lebensfeuer" ist 2011 im Rowohlt Verlag erschienen. Bernhard Robben hat es übersetzt.

Rushdie musste für einige Zeit untertauchen und hat in dieser Zeit ein Märchenbuch für seinen Sohn Zafar geschrieben, "Harun und das Meer der Geschichten", das 1990 erstmals veröffentlicht wurde. Nun hat er sich mit "Luka und das Lebensfeuer" zu einer Fortsetzung dieses Märchenbuchs durchgerungen. Sein zweiter Sohn Milan, dem das Buch gewidmet ist, sollte auch sein eigenes Abenteuer bekommen.

"Luka und das Lebensfeuer" beginnt wie ein klassisches Märchen mit "Es war einmal...", in diesem Fall im Lande Alifbay in der Stadt Kahani. Hier lebt Raschid Khalifa, der größte aller Geschichtenerzähler, den man auch schon aus "Harun und das Meer der Geschichten" kennt. Durch einen Fluch, den sein jüngster Sohn Luka provoziert hat, ist Raschid in ein Koma gefallen und siecht dahin. Nur Luka kann ihn noch vor seinem Todesengel Nobodaddy, der Raschid in Art und Gestalt gleicht, retten.

Nobodaddy erzählt Luka, die einzige Möglichkeit seinem Vater zu helfen wäre, das Lebensfeuer aus dem Reich der Magie zu stehlen. Nur sei dies bis jetzt noch niemandem gelungen, weil das Lebensfeuer auf vielfältigste Weise geschützt würde. Die Gefahren wären nahezu unendlich, die Risiken schwindelerregend und bloß die verwegensten Abenteurer würden überhaupt auf den Gedanken kommen, ein solches Wagnis einzugehen. Luka entschließt sich trotzdem für prometheische Mission.

Auf seiner Reise wird Luka von Nobodaddy und seinen beiden Haustieren, Hund dem Bären und Bär dem Hund begleitet. Später gesellen sich ihm noch die Insultana von Ott, die seiner Mutter gleicht, und weitere Gefährten hinzu. Strukturiert ist Lukas "Abenteuer" wie ein Computerspiel, wie ein Jump&Run. Luka und die Gefährten können "Leben" sammeln, die sie in der gefährlichen Umwelt auch brauchen und ihren Spielfortschritt speichern. Die Computerspielanalogien des über 70-jährigen Autors sind gewöhnungsbedürftig und erscheinen oftmals platt, obwohl Rushdie anscheinend spielsüchtig ist. Weiters hilft sich Rushdie öfters mit Deos ex machina, um seine Geschichte voranzutreiben oder gar VZSZEs, Umständen "Viel Zu Schwierig Zu Erklären". Neun Levels sind insgesamt zu meistern, bis es zum Showdown mit den Bewachern des Lebensfeuers, Göttern aus den verschiedensten Kulturen, kommt.

Salman Rushdie

EFE

Salman Rushdie hat mit "Luka und das Lebensfeuer" ein postmodernes Märchen geschrieben, das Mythen der verschiedensten Kulturen vereinigt, voll mit Rätseln, intertextuellen Verweisen und Versatzstücken aus der Popkultur. So schaut etwa Doc Brown aus "Zurück in die Zukunft" mit seinem DeLorean-Sportwagen vorbei, Terminatoren, die die Vergangenheit ändern sollen, werden zur Plage und menschengroße Ratten zitieren Shakespeare.

Mit diesen Ratten erlaubt sich Rushdie auch einen Seitenhieb auf den muslimischen Fundamentalismus. Sie fordern immer Respekt für sich selber ein und reagieren auf Kritik allergisch. Es gibt kaum eine Äußerung, von der sich die Ratten nicht angegriffen fühlen. Selbst die Farben haben sie aus ihrem Territorium, dem "Respektorat" entfernt, weil sich immer irgendwer von einer Farbe angegriffen gefühlt hat. Die Oberratte im Überwachungsstaat des Respektorats wird als Big Brother dargestellt. Unschwer ist darin Ayatollah Khomeini zu erkennen, der Rushdie 1989 wegen Gotteslästerung zum Tod verurteilt hat.

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Damit sind die politischen Anspielungen aber auch schon wieder vorbei. Wer sich von Rushdie einen weiteren blasphemischen Roman von politischer Brisanz erhofft hat, wird von "Luka und das Lebensfeuer" enttäuscht sein. Rushdie legt es nämlich nicht unbedingt darauf an, zu provozieren. Er ist vor allem ein Rashid Khalifa, ein Geschichtenerzähler. Denn nur in Geschichten würde der Mensch seine Identität, seinen Lebenssinn und sein Lebensblut finden. Mit "Luka und das Lebensfeuer" hat Rushdie einen Roman geschrieben, wo all dies möglich ist. Wer gerne in bunt schillernde Traumwelten abtaucht und sich in Verweisen verliert, der ist bei Rushdie richtig.