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Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

6. 4. 2011 - 17:33

Jenseits der Unendlichkeit

Eine Zusammenstellung von zehn außergewöhnlichen, spektakulären, irrwitzigen Raumfahrtfilmen.

Dass die Geschichte des Laufbilds eng mit der Geschichte der bemannten Raumfahrt verknüpft ist, ist kein Geheimnis. Schon in den Lehrjahren des Kinos schickt der französische Filmpionier Georges Méliès eine Rakete auf den Mond, die dann in einem Kraterauge stecken bleibt. Mit wenig mehr als Licht lebensechte Bilder zu produzieren, das hört sich für die Menschen Anfang des 20. Jahrhunderts ebenso fantastisch an wie die Idee, auf dem Mond spazieren zu gehen. Hier jetzt also zehn maßgebliche Filme, die sich mit der bemannten Raumfahrt auseinander setzen.

Frau im Mond (1929)

Poster

FAZ DVD

Regie: Fritz Lang
Darsteller: Willy Fritsch, Gerda Maurus, Gustav von Wangenheim, Klaus Pohl, Fritz Rasp
Länge: 161 Minuten (restaurierte Fassung)
Fassung: "Frau im Mond" ist in der Fritz Lang-Collection oder als Einzel-DVD zu bekommen. Beide Versionen sind ident und empfehlenswert.

Der deutsche Regie-Exzentriker und Hobby-Visionär Fritz Lang inszeniert 1929 nach einem Drehbuch seiner Gattin Thea von Harbou und beeinflusst von den romantischen SF-Abenteuer Jules Vernes‘ den Science-Fiction-Klassiker "Frau im Mond“ und damit auch seinen letzten Stummfilm: ein verstiegener Professor, der Edelmetalle auf dem Mond vermutet, organisiert gemeinsam mit Ingenieuren die erste bemannte Expedition zum Erd-Trabanten.

Wiewohl der über 80 Jahre alte Film mittlerweile überholt wirkt, arbeitet Lang damals eng mit Experten wie Willi Ley und dem Raketenforscher Hermann Oberth zusammen, um maximalen Realismus zu erzielen.

Mond

Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung

„Frau im Mond“ ist zudem verantwortlich für einen dramaturgischen Standard im Raumfahrtkino, nämlich den Countdown vor dem Raketenstart: Als ich das Abheben der Rakete drehte, sagte ich mir: Wenn ich eins, zwei, drei, vier, zehn, fünfzig, hundert zähle, weiß das Publikum nicht, wann die losgeht. Aber wenn ich rückwärts zähle (count down), zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins, NULL! – dann verstehen sie.

Endstation Mond (1950)

Rakete

SchröderMedia Handels GesmbH

Regie: Irving Pichel
Darsteller: John Archer, Warner Anderson, Tom Powers, Dick Wesson
Länge: 91 Minuten
Fassung: "Endstation Mond" ist unter seinem alternativen Titel "Rakete zum Mond" auf DVD erhältlich!

Das erste Beispiel einer neuen Welle von ultra-realistisch angelegten, das Prozesshafte der bemannten Raumfahrt in den Vordergrund rückenden Produktionen. Raketen- und Mondoberflächendesign entsprechen den damaligen Erkenntnissen: Woody Woodpecker erklärt den großindustriellen Finanziers des Mondflugprojekt und dem Zuschauer die technischen Grundlagen der Raumfahrt. Antriebsfeder der Innovation ist nicht zuletzt die Angst, eine mit den USA verfeindete Nation (man lese: Sowjetunion) könne einem bei der Mondlandung und Monderoberung zuvor kommen und nukleare Raketen auf dem Trabanten stationieren. Die Buchvorlage stammt von Robert A. Heinlein.

Conquest of Space (1955)

Weltraum

Paramount

Regie: Byron Haskin
Darsteller: Walter Brooke, Eric Fleming, Mickey Shaughnessy
Länge: 81 Minuten
Fassung: "Conquest of Space" ist bisher nur in den USA auf DVD erschienen.

Ein vor allem aufgrund seiner Tricktechnik bemerkenswerter Film von Byron Haskin über die erste bemannte Raumfahrt zum Mars. Die Geschichte basiert auf dem als unlesbar und demnach auch unverfilmbar geltenden Roman des legendären deutschen Raketenforschers Wernher von Braun, der von 1937 bis 1945 Direktor der Heeresversuchsanstalt Peenemünde war und später von der NASA als Berater angeworden wurde. Neben „Conquest of Space“ bleiben von allem von Brauns Auftritte nebst Walt Disney in drei Kurzfilmen in Erinnerung.

Der schweigende Stern (1959)

Astronauten

Icestorm Entertainment

Regie: Kurz Maetzig
Darsteller: Yoko Tani, Ignacy Machowski, Julius Ongewe, Ruth Maria Kubitschek
Länge: 90 Minuten
Fassung: Der Film ist auf DVD in Deutschland erschienen!

Der erste deutsche Raumfahrtfilm der Nachkriegszeit war Kurz Maetzigs „Der schweigende Stern“ aus dem Jahr 1960, „eine deutsch-polnische Gemeinschaftsproduktion“ zwischen den ostdeutschen DEFA-Studios und Film Polski, wie der Vorspann stolz verkündet. Angelehnt an die philosophischen Science-Fiction-Gebilde des Romanautors Stanislaw Lem entspinnt sich darin ein von elektronischen Musikteppichen angeleitetes und als Antwort auf Filme wie „Endstation Mond“ konzipiertes Propagandamärchen: nachdem Wissenschaftler eine All-Kapsel mit einer verschlüsselten Nachricht finden, entsendet man eine Gruppe von multiethnischen Wissenschaftlern (inklusive indischen, chinesischen und japanischen Kollegen) gen Venus. Dort findet man den Verdacht bestätigt, dass die Venusianer im Besitz von Langstrecken-Strahlenkanonen sind und einen nuklearen Angriff auf die Erde vorbereiten. Kurt Maetzig gelingt mit „Der schweigende Stern“ ein Meilenstein des Science-Fiction-Kinos, den mit höheren Budgets entstandenen „westlichen“ Spektakeln nachempfunden. Am Ergebnis ist vor allem eines deutlich abzulesen: zur Zeit des Kalten Kriegs und des damit einsetzenden Raumfahrt-Wettkampfs zwischen Ost und West und nur wenige Jahre nach den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki verlieren die utopischen Visionen die technophile Unschuld der Frühzeit und setzen stattdessen auf nicht selten hintersinnige Allegorien zur menschlichen Natur.

Krieg im Weltenraum (1959)

Monster

sony

Regie: Ishiro Honda
Darsteller: Ryo Ikebe, Koreya Senda, Minoru Takada
Länge: 90 Minuten
Fassung: Der Film ist nur in den USA in einer englisch untertitelten Fassung verfügbar; und zwar auf der hervorragenden "Icons of Sci-Fi: Toho-Collection". Darauf enthalten ist auch die Schnittfassung für den amerikanischen Markt sowie zwei andere Filme von Regisseur Honda.

Ishiro Honda, japanischer Großmeister des intellektuell stimulierenden Effektgewitters, der dem Kino in den Fünfziger-Jahren bereits das Atombombenmonstrum „Godzilla“ und den nach einem sauren Regenguss schmelzenden „H-Man“ beschert hat, inszeniert 1959 mit „Krieg im Weltenraum“ eine fernöstliche Antwort auf vergleichbare amerikanische Großproduktionen. Nachdem Japan, Italien und Panama (!) von einer Serie von unnatürlichen, also außerirdisch stimulierten Katastrophen heimgesucht werden, finden die brillantesten Erdenköpfe heraus, dass eine aggressive Spezies, die Natal, auf dem Mond eine Basis errichtet hat und von dort die Weltzerstörung steuert. Trickmeister Honda gelingt ein visuell und technisch immer noch überzeugender Science-Fiction-Kriegsfilm, formuliert in aller zeitgeistigen Ernsthaftigkeit.

Countdown: Start zum Mond (1967)

Poster

Warner

Regie: Robert Altman
Darsteller: James Caan, Robert Duvall, Barbara Baxley
Länge: 101 Minuten
Fassung: "Countdown" ist bisher leider nur als DVD-R direkt von den Warner Archives in den USA zu beziehen. In Europa wurde der Film nur auf VHS veröffentlicht.

Obwohl Robert Altman im Besonderen für seine Ensemblefilme in Erinnerung bleiben wird, lohnt ein Blick auf sein Frühwerk “Countdown: Start zum Mond”. Gedreht 1967, also gut zwei Jahre vor der ersten Mondlandung, erzählt der amerikanische Meisterregisseur darin irgendwo zwischen dokumentarisch anmutender Präzision und wohlfeiler Ensemble-Dramaturgie von den grotesken Nebenwirkungen des sowjetisch-amerikanischen Wettrennens um die All-Hoheit. Da die NASA heraus findet, dass die Konkurrenten im Osten mit ihrem bemannten Raumfahrtprogramm gute Fortschritte machen, wird beschlossen, anstatt eines trainierten Astronauten (Robert Duvall) einen Zivilisten (James Caan) in einer Gemini-Kapsel auf den Mond zu schießen. Weniger ein klassisches Spektakel, als vielmehr eine der ersten Aufbäumungen des „New Hollywood“: eine Reise gen „Outer Space“, bei der aber eigentlich der „Inner Space“ der Hauptfigur erforscht wird.

2001: Odyssee im Weltraum (1968)

SF

Warner

Regie: Stanley Kubrick
Darsteller: Keir Dullea, Gary Lockwood, Douglas Rain
Länge: 143 Minuten
Fassung: Kubricks Film ist bereits in mehreren Special und Limited Editions in Deutschland auf DVD und blu-ray erschienen.

Die Mutter aller Weltraumfilme: Stanley Kubricks mit manischer Perfektion errichtetes Meisterstück verknüpft in zweieinhalb immer noch transzendenten Stunden nicht nur die Vormoderne mit der Gegenwart und folglich der Zukunft des Menschen, sondern begreift den Weltraum ungleich seiner meisten Vorgänger nicht als grenzenlosen Raum für Abenteuer sondern als perfekte Bühne, um vermittels Strauß- und Ligeti-Kompositionen, sich selbstverloren durch den Raum drehenden Schiffen und künstlich in die Länge gezogenen „realistischen“ Weltraumsequenzen, über nichts anderes nachzudenken, als den Zustand der Menschheit. Und: die Sternentor-Sequenz im letzten Drittel lässt einem Augen und Hirn übergehen.

Dark Star (1974)

Raumschiff

Diverse

Regie: John Carpenter
Darsteller: Brian Narelle, Cal Kuniholm, Dan O'Bannon
Länge: 82 Minuten
Fassung: "Dark Star" ist bereits in so vielen DVD-Editionen erschienen, dass der Überblick schwer fällt.

Technik-Fex John Carpenter und sein ebenfalls talentierter Kompagnon Dan O’Bannon, der einige Jahre später mit einem Briten namens Ridley Scott das „Alien“ erschaffen wird, kreieren für 60,000 US-Dollar eine himmelschreiend komische Parodie auf zeitgenössische Science-Fiction-Filme, in der sie den philosophischen Sex-Appeal von Stanley Kubrick liebevoll tributieren und gleichzeitig durch den Kakao ziehen. Die „Dark Star“ kreuzt bereits seit mehreren Jahrzehnten durch Raum und Zeit, um instabile Planeten zu zerstören. Die Crew-Mitglieder, darunter auch das vielleicht groteskeste Alien der Filmgeschichte, erinnern sich wehmütig an Erdenfreuden, bis eine Bombe, die Bombe Nummer 20, droht, außer Kontrolle zu geraten und einfach so zu explodieren. Ein Besatzungsmitglied macht sich daraufhin auf, die Bombe vermittels philosophischer Argumente (Descartes) zu überzeugen, doch nicht zu explodieren.

Unternehmen Capricorn (1978)

Astronaut

Concorde

Regie: Peter Hyams
Darsteller: Elliot Gould, James Brolin, O.J. Simpson, Hal Holbrook
Länge: 123 Minuten
Fassung: Der Film ist in Deutschland auf einer ordentlichen DVD erschienen.

Ein Raumfahrtfilm über eine Raumfahrt, die gar keine ist. Drei Astronauten sollen zum Mars fliegen, als das Projekt von NASA-Offizieren abgesagt wird, der Schein für die Öffentlichkeit aber Aufrecht erhalten werden soll. Die Männer werden zu einem Militärstützpunkt gebracht, wo sie dann für die aufgebauten Kameras alle Stationen ihrer nunmehr fingierten Marsreise vorspielen sollen. Ein Journalist wittert den Skandal und stellt Nachforschungen an. Selten wurde das Spiel mit „fake realities“ und diversen Verschwörungstheorien zur bemannten Raumfahrt perfider realisiert als in Peter Hyams Klassiker „Unternehmen Capricorn“.

Apollo 13 (1995)

Mann

Universal

Regisseur: Ron Howard
Darsteller: Tom Hanks, Bill Paxton, Kevin Bacon, Gary Sinise
Länge: 134 Minuten
Fassung: Apollo 13 ist in einer sehr empfehlenswerten Special Edition-DVD und blu-ray erschienen.

Die Verfilmung des abgebrochenen Mondflugs der „Apollo 13“ ist technisch präzise formuliertes, ideologisch gestreamlinetes Bombast-Entertainment mit Star-Besetzung. Regisseur Ron Howard brennt alle Stufen seines Vorzeige-Weltraumthrillers wie vorgesehen ab und liefert ein modernes Heldenlied in Blau, Rot und Weiß. Bis heute ist „Apollo 13“ der bekannteste Film über die NASA, nicht zuletzt da Howard die komplexen Protokolle und Prozeduren auf leicht verständliche und nachfühlbare Menschlichkeiten herunter bricht. Trotz allem ein gelungenes Stück History-Edutainment als Hochkonzeptkino ohne philosophische Unterböden, Ironie oder Aussagekraft. Hollywood, wir haben ein Problem.