Erstellt am: 5. 4. 2011 - 15:22 Uhr
Sibylle Berg: Die harte Schule
"Als ich noch in der DDR wohnhaft war und ungefähr zehn Jahre alt war, habe ich einen Brief an Herrn Dürrenmatt geschrieben, ob er mir nicht Schreiben beibringen möchte. Ich glaube, der Brief kam nie an, oder er wollte nicht. Aber es zeigt, dass schon früh ein starker Wunsch da war, so eine Sache abzukürzen."
Man brauche mindestens zehn Jahre, schätzt Sibylle Berg, bis man das Handwerk halbwegs beherrsche und diese Zeitdauer könnte man verkürzen - "mit einem guten Lehrer." Dabei sei es egal, ob das an einem Unilehrgang, in einem Kurs oder bei einer privaten Lehrperson erfolge, auch ein Praktikum würde helfen, weniger im Journalismus, eher in der Werbung, meint Sibylle Berg. "Wo man lernt, seine Texte nicht als Gesetz zu betrachten, sondern die auch wirklich zu bearbeiten".
Natürlich brauche man auch einen literaturwissenschaftlichen Hintergrund, den müssen sich die Leute allerdings selbst besorgen. Aber für Sibylle steht fest: "Der Autorenberuf ist ein Beruf, den man lernen muss."
Mit Sibylle Berg ...
Daher hat sie gemeinsam mit ihrer Schriftstellerkollegin Milena Moser und der Literaturagentin Anne Wieser die-Schreibschule.com gegründet. Aus einer Mischung finanzieller und ethischer Interessen, wie sie sagt.
Lozza für Annabelle
Online ...
Während Milena Moser schon seit längerem Gruppen unterrichtet, ist es für Sibylle Berg neu, und sie lehrt auch nur online, da Schreiben lernen für sie nur direkt mit dem Geschriebenen funktioniert. "Ich halte nichts von Vorträgen, man muss das sehen und am Text arbeiten."
Auf die-schreibschule.com kann man also unterschiedliche Kurse bei Sibylle Berg besuchen. Entweder eine Woche Themenfindung, in der besprochen wird, ob sich ein Thema überhaupt eignet oder über einen Monat lang intensive Arbeit am Text. In dieser Intensivbetreuung würde man sich täglich bis zu zehn Mails schicken. Die Textbetreuung funktioniere dann so, dass eine gewisse Textmenge nicht überschritten werden sollte. Der Schüler schickt also einmal diesen Text und "dann gehe ich den gnadenlos durch."
Durch die harte Schule ...
Das Schwierigste bei der Kritik sei es, den richtigen Ton zu finden, niemanden zu verletzen, meint Sibylle Berg: "Es kommen Menschen, die haben mit Kritik überhaupt keine Probleme, die wissen, ich hab dafür bezahlt, ich will mich jetzt möglichst schnell möglichst stark verbessern. Dann gibt's Menschen, die sind gekränkt. Die hatten das Gefühl, sie legen jetzt das goldene Ei. Und dann komm ich und streich die Hälfte weg.
Das ist das, was ich mit harter Schule meinte – ich möchte nicht diskutieren, wie was gemeint ist, sondern ich bin der Leser, der Lektor, der sagt, es funktioniert einfach nicht.
Das muss man im guten Ton sagen, dass die Menschen sich nicht aufhängen."
Trotz oder gerade wegen der vielen Mails, die Sibylle Berg täglich erhält, kommt sie auch noch zum Schreiben eigener Texte: "Also ich hab am Anfang auch ein bisschen Angst gehabt, dass mich das verwirrt – aber ich merke, das ist für mich selber auch gut, weil sich der Blick auf den eigenen Text auch schärft. Ich geh noch kritischer mit meinen Zeug um."
Zu Wortlaut
Wortlaut 2011
fm4
Sibylle Berg ist auch Mitglied in der diesjährigen Jury zum FM4 Literaturwettbewerb Wortlaut.
Alle Infos unter fm4.orf.at/wortlaut.
Rund 40 Schülerinnen waren bereits bei Sibylle Berg, in etwa gleich viele Männer wie Frauen, die meisten waren zwischen 30 und 40 Jahren alt. Es gab aber auch schon einen äußerst talentierten Zwölfjährigen und auch Pensionistinnen. Und auch Kursteilnehmerinnen aus Österreich. Noch dazu wirklich auffallend begabte, schwärmt Sibylle Berg: "Die Österreicher haben einen recht eigenen Stil." Den würde sie aus unterschiedlichen Texten herausfinden können.
Man könnte also einen Schreibkurs bei Sibylle Berg buchen, der kostet umgerechnet gut 760 Euro, dann schreibt man einen hervorragenden Text und gewinnt damit Wortlaut, lacht Sibylle Berg. "Alles kommt bei null wieder raus. Das wäre eine wunderbare Vorbereitung auf den Autorenalltag: viel Arbeit – wenig Kohle."
So ganz könnte die Rechnung allerdings nicht aufgehen, weil die Wortlautjury aus fünf Menschen besteht ...
Auf das Lesen der Kurzgeschichten von Wortlaut und die Arbeit in der Jury freut sich Sibylle Berg: "Ich hab das noch nie gemacht, weil ich dachte, es steht mir gar nicht zu, so ein Zeug zu beurteilen. Jetzt mach ich's aus ... weiß ich auch nicht warum."