Erstellt am: 3. 4. 2011 - 17:37 Uhr
Verstärkte Volksmusik
Radiotipp:
Attwenger sind am Sonntag, 3. April, im FM4 Sumpf und im FM4 Soundpark zu hören.
Mehr als 20 Jahre sind vergangen, seitdem das oberösterreichische Mundart-Duo Attwenger seinen ersten Tonträger, die EP "Auf da Oim gengan die Kia" veröffentlicht hat - damals noch auf MC. Seit damals haben sich Markus Binder und Hans-Peter Falkner ihren Weg von mit Schlagzeug unterlegten Landlern über HipHop- und Krautrock-Experimenten bis hin zu ausgeklügelten Ziehharmonika-Popsongs erarbeitet - ein langer und aufregender Weg von der Linzer "Stadtwerkstatt" bis zu einer ausgedehnten Asien-Tour und zurück. "Flux" ist nun das brandneue, bereits siebte Studioalbum von Attwenger, das zum FM4 Album der Woche gekürt ist. Doch das bisherige Werk des Ziehharmonika-und-Schlagzeug-Duos ist im Rückblick mindestens ebenso interessant.

Attwenger
Most
"Verstärkte Volksmusik" steht als prägnante Zusammenfassung der Musik von Attwenger am Cover von "Auf da Oim gengan die Kia". Fast alle der rauschenden Aufnahmen auf dem 1990er-Debüt haben es ein Jahr später generalüberholt auch auf den ersten Longplayer "Most" geschafft. Die Attwenger von damals sind im heutigen Vergleich noch sehr angepasst an die Traditionen der österreichischen Volksmusik. Es werden selbstkomponierte Landler gespielt, auf denen Markus Binder und Hans-Peter Falkner munter drauflos Jodeln und Juchazas einstreuen.
Auf YouTube finden sich jede Menge Hörbeispiele von Attwenger.
Die Texte handeln vom Leben am Land, von stolzen Bauersleuten, ihren Gerätschaften und hergestellten Produkten. Die Musik ist gefällig, doch das Schlagzeug und die Drum-Sounds aus dem Computer lassen bereits erahnen, dass hier etwas anders ist. Im Rückblick findet Markus Binder die Aufnahmen auf "Auf da Oim gengan die Kia" und "Most" im FM4-Interview jetzt wieder hörenswert:
"Es klingt so 80ies-mäßig mit dem MIDI-Schlagzeug und den harten, knalligen Drum-Sounds. Ich war überrascht, wie fresh das geklungen hat als ich es kürzlich wieder mal im Radio gehört habe."

Attwenger
Pflug
Ab dem zweiten Album "Pflug" im Jahr 1992 wird die Sprache, der markante oberösterreichische Dialekt, immer mehr auch als Instrument eingesetzt, zum Intensivieren der Musikerlebnisses. Die Ziehharmonika wird nun heftig effektiert, und damit wird klar, dass die Volksmusik bei Attwenger nicht die Heimat sondern der Ausgangspunkt ist, von dem aus musikalische Experimente jeder Art gestartet werden. Die "Naturquetsche", so Hans-Peter Falkner, "ist sowieso bei Attwenger nie hörbar. Die darf gar nicht vorkommen."
Das Video zu "Rahm" aus der Dokumentation "Attwengerfilm" aus 1994.
Luft, Song
1993 erscheint der dritte Attwenger-Longplayer "Luft", auf dem sich Falkner und Binder erstmals weitgehend in unerforschtes Terrain vorwagen. Es gibt Noise-Gitarren inklusive Feedback-Gequietsche, HipHop-Beats, Loops und improvisiert wirkende Texte.
Seit dem ersten Album "Most" aus 1991 sind sich Attwenger und das deutsche Musiklabel Trikont treu.
Doch das Umwerfen von Bewährtem und das kompromisslose Ausprobieren von neuen Ideen bringt Attwenger auch zunehmend in eine Identitätskrise. Vier Jahre lang gibt es keine neue Platte, bis 1997 schließlich "Song" erscheint. Es ist ein Konzeptalbum, das aus vier jeweils über 15 Minuten langen Liedern besteht. Beim Hören werden Erinnerungen an Krautrock wach, hypnotische Drones schwingen und loopen sowohl bei der Musik als auch bei der Stimme.
Sun, Dog
Mehr österreichische Musik:
Der FM4 Soundpark bringt am Sonntag, 3. April, neben dem Interview mit Attwenger auch Gespräche mit den Bands Erdgas, The Who The What The Yeah und Saedi.
Nach der Jahrtausendwende sind Attwenger am Höhepunkt ihrer musikalischen Vielfalt und den interdisziplinären Einflüssen angekommen. Es gibt eine große Asien-Tour und unterschiedliche musikalische Zusammenarbeiten, wie etwa dem Boban Markovic Orkestar auf dem fünften Album "Sun" im Jahr 2002. Die Ziehharmonika wird minimalistischer, gezielter eingesetzt, die Songs werden gewissenhafter im Studio abgemischt. 2005 treffen am sechsten Album "dog" kritische Texte auf Dada-Lyrics, schnelle Pop-Songs geben langsam-sphärischem Sprechgesang die Hand. Attwenger können nun fließend verschiedene Stimmungen und Grooves wechseln, sie pendeln souverän zwischen Pop und Folk, laut und leise, kritisch und spielerisch.