Erstellt am: 7. 4. 2011 - 10:56 Uhr
Hope I die before I get old
Vor rund zehn Jahren hat sich im österreichischen Werbefernsehen ein neues Genre etabliert: Der Werbespot für private Pensionsvorsorge. Befeuert von der schwarz-blauen Regierung, die Kürzungen im öffentlichen und Förderungen für das private Pensionssystem einführte, schossen die Produkte von Banken und Versicherungen wie Pilze aus dem Boden. Fürs Marketing wurden Clips in heavy rotation eingesetzt, die häufig mit starken Bildern aufwarten konnten.
Ich hab Angst, Papa
Anfangs standen die Kundschaft und ihre Gefühle im Zentrum. Weniger eindrücklich waren Spots, in denen an positive Gefühle angeknüpft wurde – etwa Geburt des Kindes oder ein Pensionsleben im Luxus voller Segelbootfahrten und Weltraumreisen. Fiesere Clips griffen vor allem Ängste vor einem Alter in Armut auf: Das Kind, das seinen Vater nicht von seinem Tortenstück kosten lässt. Die Greise, die als Ball“jungen“ oder als Badewaschl arbeiten müssen. Ein Hermann Maier, der komödiantisch vorspielt was passiert, wenn man nicht rechtzeitig vorsorgen würde. So wurden Zukunftsszenarien entworfen, in denen die Jungen den Generationenvertrag aufkündigen und den Alten kein Stück vom gemeinsamen Kuchen mehr lassen.
In der zweiten Hälfte der Nuller legten die Pensions-Werbespots im Verbund mit ihren Kollegen aus anderen Branchen noch einen Gang zu und schickten personifizierte Über-Ichs als Berater aus, die in das Privatleben der Kundschaft eindrangen: Der smarte Bankberater war plötzlich mit dem Regenschirm im Park zur Stelle, nachdem man eben noch dem Hausverstand und seinen Einkaufs-Belehrungen entkommen war, und bevor man beim nach Hause Kommen der Teekanne, die persönlich den Tee macht, in die Hände fiel.
Zurück in die Schlapfen
Dann kam die Finanzkrise. Die zudringlichen Berater in privaten Wohnzimmern ließ man schleunigst aus den Spots verschwinden. Selbst in der geschützten Umgebung eines selbst inszenierten Werbespots schien man für ihre Sicherheit angesichts erzürnter Bankkundschaft und SteuerzahlerInnen nicht mehr garantieren zu wollen. Die Glaubwürdigkeit dieser seelenlosen Seriositäts-Charaktermasken wurde durch die Krise allzu massiv untergraben.
Nun müssen sich die Werbeauftritte der Privatpensions-Anbieter daran machen, diese verlorene Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen. „Konservativ ist wieder im Trend“ lautete unmittelbar nach Einbruch der Krise das Motto und bescherte uns Yuppies in Spießer-Schlapfen, Bilder von echtem Schnitzhandwerk (als äußerster denkbarer Gegensatz zum abgehobenen Finanzkarussell) oder Spots überhaupt ohne Menschen, reduziert auf Text-Slogans.
Zocken wie du und ich
Erst mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Ausbruch der Krise werden jetzt vorsichtig wieder Beratungsmenschen ins Spiel gebracht. Allerdings wird die Konfrontation mit der Kundschaft im Spot noch gescheut. Die Scripts zielen augenscheinlich auf eine Personifizierung der Bank durch lebendige Figuren, die so sind wie Du und ich. Keine überlegenen Über-Ich-Personifizierungen und Vaterfiguren mehr, sondern ganz normale Menschen, denen man vertrauen können soll, weil sie ehrlich und glaubwürdig sind, nicht überlegen. Folglich wurde uns der Schwätzer bei einer Party von alten FreundInnen gezeigt, der sich von den missglückten Lebensentwürfen der anderen abhebt, weil er sich seinen bescheidenen Jugendtraum Bankberater erfolgreich verwirklicht hat.
In einer der neuesten Kampagnen kriegen wir einen Blick hinter die Kulissen der Bankschalter geboten, eine Art „Making of“ von Privatpensions-Werbekampagnen: Wir werden in einem der Spots Zeuge der Selbstzweifel eines Beraters, dem von einer Kollegin am Beispiel eines Gummibaums erklärt wird, warum es für Vorsorge „nie zu spät“ sei. Der Hintergrund: AnlegerInnen aller Altersgruppen scheuen seit der Krise riskante Anlagen wie Aktien und Investmentfonds, und so spielt Pensionsvorsorge als vermeintlich sichere Anlageform zunehmend in den Portfolio-Überlegungen auch vermögender Älterer eine Rolle. Eine neue Zielgruppe, die es zu umwerben gilt.
In einem weiteren Spot dieser Reihe erhalten wir Einblick in ein Brainstorming für eine Kampagne, die den Begriff „Vorfreude“ statt „Vorsorge“ in Umlauf bringen will. Echt authentisch, wow. Aber diese Umbenennung wird wohl keine nachhaltigen Erfolge erzielen: Denn spätestens seit der Krise ist allen klar, dass von Privater Pensionsvorsorge keine Freudenerlebnisse zu erwarten sind. Im Zuge der Finanzmarktkrise 2008 haben Pensionsfonds weltweit 3,5 Billionen US Dollar verloren. In den zwei Jahren darauf konnten sie gerade die Hälfte der Verluste wieder wettmachen. Für PensionsanwärterInnen also jede Menge Grund zur Vorab-Sorge. Eine Kampagne für das öffentliche Pensionssystem, die mit Angstmache gegen Privatvorsorge wirbt, hätte hingegen derzeit vielleicht ganz gute Chancen. Freilich gibt es niemand, der eine solche Initiative starten würde, denn der Staat will allerorts weniger Verantwortung für das Pensionssystem behalten und so wird die Privatisierung munter weiter vorangetrieben.