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Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

2. 4. 2011 - 15:00

Rauchzeichen

Gregor Hens hat mit dem Rauchen aufgehört. Und jetzt ein Buch über sein bewegtes Raucherleben geschrieben. Ohne erhobenen Zeigefinger, aber erhaben formuliert. "Nikotin" für alle!

Buchcover

Fischer Verlage

"Nikotin" ist im Fischer Verlag erschienen.

Der Schriftsteller und die Zigarette passen gut zueinander. Immer wieder begegnet man Autoren, die sich dem Zeitgeist widersetzen und mit viel Genuss und ohne Reue rauchen. Der Kölner Gregor Hens war einer von ihnen: bis vor kurzem raucht der Mittvierziger in jeder Lebenslage. Zigaretten beim Aufstehen, nach dem Essen, beim Autofahren und nach dem Sex. Jetzt hat er damit aufgehört, seine jahrzehntelange Raucherkarriere in einem Buch aufgearbeitet und es schlicht und einfach „Nikotin“ genannt.

Ich habe weit über hunderttausend Zigaretten in meinem Leben geraucht, und jede dieser Zigaretten hat mir etwas bedeutet.

Hunderttausend sind's bei mir (hoffentlich) noch nicht: wirklich weit von dieser dann doch beunruhigenden Zahl dürfte ich mich hingegen auch nicht bewegen. Dennoch: Vernunftargumente hinsichtlich Quantität, Kostenfaktor oder Krebsrisiko, die schütteln kaum einen Genußraucher durch. Die Selbstzerstörung zum kurzfristigen Lustgewinn ist schließlich etwas grundlegend Unvernünftiges.

Aber Zigaretten fressen sich in die Biographie eines jeden Rauchers. Auch in die von Gregor Hens. In seinem essayistischen Tatsachenroman „Nikotin“ lässt er Stationen seines Lebens Revue passieren. Zigaretten sind immer mit dabei: egal ob er mit seinem Bruder ins Haus seiner verstorbenen Großtante fährt oder sich an seine rauchende Mutter erinnert. Der Glimmstengel ist Hauptdarsteller, auch dann, wenn Hens versucht, nicht wieder rückfällig zu werden.

Wenn es mir besonders schwerfällt, mich zu enthalten, sage ich mir: Ich kann sie mir ja nehmen, aber nicht jetzt. In zehn Minuten kann ich sie mir nehmen, wenn ich dann noch genauso denke wie jetzt. Ich führe diese Art von Selbstgespräch immer auf Englisch, und ich stelle mir vor, dass es Milton H. Erickson, der 1980 verstorbene Begründer der modernen Hypnotherapie, ist, der in seiner unnachahmlichen, väterlich-ruhigen Art auf mich einredet

„Nikotin“ ist kein Ratgeber, stellt auch keinen therapeutischen Anspruch an sich selbst. Gregor Hens schreibt mit dem Buch gegen seine eigene Sucht an: die literarische Auseinandersetzung mit seinem Raucherleben soll ihm dabei helfen, Zigaretten fernzubleiben. Die einzelnen Kapitel sind angereichert mit Lokalkolorit, Zufallsbekanntschaften und zufälligen Exkursen. Vor dem Leser baut sich ein sehr persönliches Universum auf: während die Zigaretten selbst oder Hens‘ Sucht darin nicht immer im Mittelpunkt stehen, bleibt der Rauch und das Rauchen allgegenwärtig

Stöbere ich in meinem Gedächtnis nach meinen frühen Raucherlebnissen, fallen mir als Erstes nicht etwa die Zigarettenmarken oder die Komplizen ein, sondern die Orte, an denen ich geraucht habe: der kleine See; ein geschützter Winkel hinter einer amerikanischen High-School; ein Zimmer mit Blick auf einen mächtigen Vulkan, den damals noch qualmenden Mount St. Helens.

Weitere Leseempfehlungen:

„Nikotin“ lässt tief blicken in die Gedankenwelt eines Durchschnittsrauchers. Als intimes Protokoll einer Suchtgeschichte inklusive all der dazu gehörenden Glücks- und Elendsmomente stellt sich Hens‘ Buch zeitgenössischen Polemiken entgegen. Auf diesen Seiten wird weder gelobt noch verdammt, weder romantisiert noch bagatellisiert, sondern fast beiläufig erzählt: über das Leben, über Zigaretten und die vielen Graubereiche dazwischen.