Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Dinosaurier ohne Strom"

Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

1. 4. 2011 - 15:05

Dinosaurier ohne Strom

Auf "Several Shades of Why" traut sich Dinosaur Jr-Mastermind J Mascis, seine Melodien auch ohne Feedback- und Wahwah-Krach auf die Menschheit loszulassen. Das ist gut so.

J Mascis mit Bart, Brille und langen Haaren

Timothy Herzog

J Mascis ist schon 1982 im zarten Alter von 16 Jahren mit seiner Hardcore Punk Band Deep Wound auf der Bühne gestanden. Eine Indie-Berühmtheit wurde er ein paar Jahre später mit der Nachfolgeband Dinosaur Jr.
Auf den beiden Alben von J Mascis and the Fog hat er alle Instrumente selbst gespielt; 2005 hat er Dinosaur jr in Originalbesetzung mit Bassist Lou Barlow und Drummer Murph wieder vereinigt. Neben Dinosaur jr hat er noch sein Stoner-Rock-Projekt Witch.

Seit fast 30 Jahren lebt Joseph Donald Mascis Jr. zwischen Wänden aus Drumbeats und Gitarrenriffs. Feedbacks und jaulende Wahwah-Soli sind seine Mitbewohner, und die kleinen, feinen Melodien, die aus seinen Schreibtischschubladen quellen, lässt er nur in ihrer Begleitung aus dem Haus. Aber seit fast 30 Jahren freuen sich die Menschen auf den Straßen, wenn sie diese Melodien treffen, denn obwohl denen immer einer von den garstigen Krachgesellen im Nacken sitzt, so sind sie doch wunderschön anzuhören.

Per Aspera ad Astra

Eigentlich liegt ja nichts näher, als die zarten Melodien, die sich in Dinosaur Jr Songs verstecken, einmal von Feedback und lärmenden Gitarrenwänden zu befreien und pur, nur mit akustischer Gitarre, auszustellen. Aber für J Mascis war das gar nicht so einfach – er hat sich Selbstbeschränkungen auferlegen müssen: Auf die Frage, warum er ein ganzes Album mit akustisch arrangierten Songs gemacht hat, anstatt zum Beispiel auf Dinosaur Jr Platten zur Abwechslung akustische Arrangements einzustreuen, antwortet ein verschlafen* klingender J Mascis am Telefon, irgendwie hätte jeder Song, den er gemacht hat, nach einem Drumbeat und einem quietschenden Gitarrensolo verlangt. Da habe es Disziplin gebraucht: eben ein Akustikalbum als Projekt. Ob ihm das nicht wehgetan hätte, das Altbekannte wegzulassen? Ja, lacht er, manchmal schon.

gezeichnetes Albumcover von J Mascis' "Several Shades of Why"

SubPop

Die Idee zum Akustikalbum hat J Mascis schon länger mit sich herum getragen, weil die Solo-Akustik-Sets, die er live gespielt hat, so gut funktioniert hätten. Doch dann ist ihm die Wiedervereinigung von Dinosaur Jr dazwischen gekommen. Jetzt, nach zwei Studioalben und mehreren Tours in der Originalbesetzung wäre gerade die rechte Zeit für eine Dinosaur-Pause und die Soloplatte.

Und endlich bei SubPop

* Frage: "Did I wake you up?"
J Mascis: "No, I always sound like this"

Treibende Kraft hinter dem Projekt war Js gute Freundin Megan, Labelmanagerin bei SubPop. Und so ist Several Shades of Why auch bei SubPop erschienen – ein kleiner Treppenwitz der Musikgeschichte, denn Dinosaur Jr waren Zeit ihres Daseins als Indie-Band auf dem kalifornischen Label SST, sozusagen dem Vorgänger von SubPop als dem wichtigsten Label für Post-Punk und Proto-Indie. Wären Dinosaur Jr damals ihrer Zeit nicht voraus gewesen, sondern hätten sich brav in die Grunge-Armada auf SubPop eingereiht, dann wären vielleicht sie in ganz andere Universen katapultiert worden.

Eine SubPop-Gemeinschaftsproduktion: das Video zur Single Not Enough von Chad VanGaalen. Background vocals: Ben Bridwell von Band of Horses.

Nur bei wenigen Bands aus dem Punk- und Post-Punk-Umfeld konnte man damals schon aus den krachenden Arrangements heraushören, dass die Songs auch in anderer Instrumentierung Bestand haben. Bei Dinosaur Jr war das immer klar, und so ist die Idee, J Mascis' Songs in so ein anderes Umfeld zu stellen, auch voll aufgegangen. Geige statt Gitarrensoli, Klarinette statt Wahwah-Pedal und Backgroundgesang statt Feedbackorgien – die Songs funktionieren so genauso gut, nur dass man sich diesmal eben nicht die reduzierte Version dazudenken kann, sondern die mit dem Krach.

You are not alone

J Mascis hat ein paar Gastmusiker eingeladen, allen voran den jungen Singer-Songwriter Kurt Vile, der ihn auch auf Tour supporten wird. Sie haben ihre Ideen zu den fertigen Aufnahmen beigesteuert, der Meister hat die für ihn passenden ausgewählt und hinzu gefügt. Diese Arbeitsweise klingt überall durch: trotz teilweise opulenter Arrangements mit Steel Guitar und Orgel, Flöten und Streichern stehen J Mascis akustische Gitarre und seine unverwechselbare Stimme im Zentrum jedes einzelnen Songs auf Several Shades of Why. So wie bei Dinosaur Jr auch.