Erstellt am: 31. 3. 2011 - 20:33 Uhr
Journal 2011. Eintrag 66.
2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und zuletzt 2009. Das heißt: Ein täglicher Eintrag als Anregungs- und Denkfutter, Fußball-Journal '11 inklusive.
Hier finden sich das ganze Jahr über Geschichten und/oder Analysen, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.
Heute mit einer Geschichte, die ich Twitterer PEitzinger verdanke, der mich in einem Tweet über einen Spiegel-Link mitten ins Protokoll einer Regierung-Pressekonferenz geführt hat. Dort werden wir Zeugen einer Posse, die die Technologie-Ängste der Holzmedien auf das peinlichste bloßstellt - und damit an die verlogenen Wikileaks-Debatten im Winter anschließt.
Der mir virtuell flüchtig bekannte PEitzinger twittert am 29.3. um 5:35 (via web) folgende Nachricht: "@martinblumenau Über stecken gebliebene Journalisten in Twitter-Panik: http/:is.gd/bhEB18". Für alle Ahnungslosen, also vor allem (wie wir im folgenden beweisen werden) alle Journalisten: diese Nachricht können alle bei Twitter gemeldeten sehen, die PEitzinger folgen (followen), aber auch alle die einfach, ohne selber einen Twitter-Account zu haben, sein Profil einfach aufrufen. Jeder also. Ich bekomme das, wegen des Filters "@martinblumenau" auf einem speziellen Kanal serviert.
Der Link führt zum Online-Spiegel und beschreibt einen Vorfall bei der deutschen Bundespressekonferenz von letztem Freitag - eine zutiefst peinliche Posse, die viel mehr über den Zustand des klassischen Journalismus aussagt als viele schlaue Essays.
Hauptdarsteller sind die Regierungsssprecher auf der einen und die (Print-)Medien-Vertreter auf der anderen Seite. Die einen nützen seit kurzem die neuen Medien, vorsichtig, aber mit einem gewissen Stolz; die anderen sind dadurch überfordert, verängstigt, fühlen sich in ihren Pfründen gefährdet und legen eine auf Recherche-Armut basierende Ahnungslosigkeit an den Tag, dass einem übel werden könnte.
Und das sind nicht irgendwelche Provinz-Journalisten, das sind die Vertreter der Hauptstadt-Büros. Letztlich ist dieser lächerliche Vorfall die Fortsetzung der Wikileaks-Debatte, und zwar auf einem Level, wo es um die tägliche Arbeitspraxis geht, wo sich dann eine eh schon auf spießigem Kleingeist-Niveau geführte Diskussion in totale Hausmeister-Niederungen verliert.
Aber, Achtung, es gibt keinerlei Grund für irgendeine von österreichischem Boden ausgehende Häme - die hiesigen Regierungs- und Medien-Vertreter sind nicht nur technisch Eckhäuser hinter den deutschen Kollegen, auch der sachliche Unterton des nun hier auszugsweise dargebrachten offiziellen Protokolls zeigt, auf welchem sprachlichen Niveau das alles stattfindet - in Österreich wäre nur wirres Gestammel lesbar, dazu würde das widerliche Haberer-Duzverhältnis zwischen großen Teilen der Medien und "ihren" Politikern (und das betrifft nicht nur die über den SP-Teil der Regierung verfügungsberechtigte Kronen-Zeitung, sondern fast alle) kommen; ein Verhältnis, das die unverfrorene Selbstverständlichkeit, mit der jüngst Lobbying sowie struktrelle Korruption gepflegt werden, miterklärt.
Hier nun die das "Twitter-Problem" betreffenden Auszüge aus der Regierungspressekonferenz vom 25. März.
Anm. zum Verständnis: Steffen Seibert ist Regierungssprecher, Christoph Steegmans stellvertretender Sprecher der deutschen Bundesregierung. Die Identität der Fragesteller ist im Protokoll nicht vermerkt; eh besser so.
Da geht es schon los - niemand muss sich "einen Account anlegen" um in Twitter reinschauen zu können. Da wird fesch mit Facebook verwechselt.
Frage:
Herr Dr. Steegmans, muss ich mir in Zukunft einen Twitter-Account zulegen, um über relevante Termine der Bundeskanzlerin informiert zu werden? Ich beziehe mich konkret auf die Ankündigung des Regierungssprechers, dass die Bundeskanzlerin in die USA reist.
Steegmanns:
Im Informationsgeschäft wissen Sie: Viel hilft viel. Ich glaube nicht, dass wir bislang Ihnen gegenüber mit Informationen geizig gewesen sind und dass jemand, der von Ihnen an eine Information herankommen wollte, am Ende überrascht wurde, dass wir irgendwelche anderen Kanäle bevorzugt bedient hätten. Als professioneller Kunde unseres Hauses gehen wir natürlich davon aus, dass Sie alle bei Twitter eingeloggt sind. Sagen wir es umgekehrt: Wir fänden es nicht schlecht, wenn Sie bei uns Kunde wären.
Jetzt wirds schnell lustig. Der Dalai Lama als Schauspieler? Hat sich der in diesem Brad Pitt-Film über Tibet gar selber gespielt? Im Ernst: diese Sicherheitsfragen sind seit längerer Zeit geklärt: bei Promi-Accounts checkt Twitter nach und vergibt ein Garantie-Zeichen.
Was die Sicherheit eines Accounts mit einem Bewegungs-Profil zu tun hat, erschließt sich nicht. Auch hier wird das wohl eher mit den Facebook-Status-Meldungen verwechselt.
Frage:
Diese Twitter-Nachrichten haben einen Nachrichtenwert. Sie sind auch durchaus schon in Mitteilungen aufgegangen. Der Nachrichtendienst Twitter ist nicht sicher. Ich habe vorhin im Internet nachgeschaut. Es gibt zahlreiche Beispiele für Fälschungen von Schauspielern, so Beispiel Martina Gedeck bis hin zum Dalai Lama. Kann ich davon ausgehen, dass das, was dort getwittert wird, wirklich sicher ist? Das kann ja durchaus Folgen haben. Wenn es mir gestattet ist, darf ich einen Satz des ehemaligen Bundesinnenministers zitieren, der in einem Interview sagte: "Wer mit Twitter seine stündlichen Bewegungen der Öffentlichkeit mitteilt, kann nicht erwarten, dass der Staat ihn vor der Erstellung von privaten Bewegungsprofilen schützt." Es ist also auch eine Frage der Sicherheit. Ist die Sicherheit in diesem Fall gewährleistet?
Steegmans:
Das, was technisch möglich ist, haben wir gewährleistet. Wir wissen um die Risiken des Internets. Sollte irgendjemand Zweifel haben, ob eine Twitter-Nachricht des Regierungssprechers echt ist, empfehle ich einen kurzen Anruf beim CvD. Grundsätzlich ist unsere Erfahrung, dass dieser Twitter-Dienst sehr gerne angenommen sind. Da wir nicht nur ein Presseamt, sondern auch ein Informationsamt der Bundesregierung für alle Menschen in Deutschland sind, hielten wir es für richtig, diesen Weg zu wählen.
Absurd, aber wahr: Journalisten, die angesichts der "Gefahr des Netzes" einfordern, dass die Regierung ihre Status-Meldungen auf das gute alte Amtsblatt beschränkt. Steegmans unmerklich ironische Antwort enthält den Verweis auf der Kanzlerin Lieblings-Technologie, der Short-Message.
Noch absurder: Die alten Medien wollen dem Regierungssprecher das Twittern verbieten, weil sie es als sein Privatvergnügen ansehen. Das heißt: Öffentlichkeits-Arbeit kann und darf nur über sie durchgeführt werden. Hier triftft eine verkommene Allmachts-Fantasie auf nackte Angst um das Überleben einer überkommenen Branche.
Toll wie Steegmans aus seiner Rolle schlüpft und den Subtext offenlegt.
Frage: Herr Dr. Steegmans, ich wüsste gerne, wann die Mitteilung über den Besuch der Bundeskanzlerin offiziell vom Bundespressamt mitgeteilt worden ist.
Steegmans:
Ich müsste das nachschauen. Da einer der Chefs vom Dienst jetzt zuschaut, bitte ich herzlich um eine SMS. Ich bin auch nicht sicher, ob dieser Weg hundertprozentig sicher ist. Aber ich habe Vertrauen darin, dass ich schnellstmöglich Datum und Uhrzeit per SMS geliefert bekomme.
Frage:
Die Frage ist: Kann es sein, dass außer über Twitter über diese USA-Reise im Juni nirgendwo berichtet wurde? Das ist ja eine andere Qualität. Wenn Herr Seibert twittern will, weil er Zeit hat, ist das alles gut und schön. Aber das geht ja bis hin zu der Frage, wozu man dann noch Chefs vom Dienst braucht, wenn Herr Seibert die Termine twittert.
Steegmans:
Sie wollen doch in Wahrheit wissen, ob es eine Benachteiligung ist, dass eine Information möglichweise statt über den CvD-Verteiler über Twitter herausgegangen ist. Nein, diese Auffassung teilen wir nicht.
Frage:
Ich will wissen, ob es Termine nur über Twitter bei Ihnen gibt oder ob das ein ergänzendes Angebot ist.
Steegmans:
Das ist ein ergänzendes Angebot. Die Information an sich war auch auf Anfrage im Bundespresseamt schon vorher erhältlich. Aber wir haben, weil es eine tagesaktuelle Berichterstattung gab, auch noch diesen Weg gewählt.
Wenn ich an dieser Stelle korrigieren darf - diese Zwischenfrage basiert nicht auf den Fakten; das wird sich später, ganz am Schluss, noch herausstellen. Ist aber egal - es geht um Mobbing gegen neue Technologien, die im Verdrängungs-Wettbewerb gefährlich sein könnten, da kann der Qualitäts-Journalismus schon einmal auf das Instrument der Falsch-Information zurückgreifen...
Frage:
Wenn ich korrigieren darf: Das stimmt nicht. Es wurde dementiert. Es gab irgendwann einmal eine Meldung. Das Bundespresseamt hat durch Herrn Seibert erklärt: Es gibt noch keine Vereinbarung über den Besuch. Der nächste Info-Schritt war das Twittern von Herrn Seibert, und danach gab es keine Informationen mehr. Deswegen meine Frage: Ist Twitter ein offizielles Mitteilungsorgan des Regierungssprechers, der Bundeskanzlerin, der Bundesregierung oder eine Ergänzung?
Steegmans:
Zum Zeitpunkt dieses "irgendwann einmal", an das ich mich auch noch erinnere, gab es noch keinen Informationsstand, der mitteilenswert gewesen wäre. Zum Zeitpunkt der Twitter-Nachricht von Steffen Seibert war die Information belastbar, die Entscheidung gefallen. Zu diesem Zeitpunkt war die Information auch auf Anfrage bei uns abrufbar. Insofern erkenne ich keinen Widerspruch. Ich habe eben schon einmal gesagt, was den Informationsgehalt der Twitter-Nachrichten angeht: Wer immer Zweifel hat, dass irgendetwas nicht stimmt, kann sich in Minutenschnelle rückversichern. Dementsprechend wüsste ich kein Problem oder keinen Widerspruch zu nennen, den wir an irgendeiner Stelle auflösen müssten.
Bizarr: Da fordert einer ernsthaft das Fax zu exhumieren!
Auch die Annahmen, dass man zur Nutzung von Twitter rund um die Uhr dranbleiben muss, ist grotesk. Und die Angst um die Pfründe wird in immer neue Attacken gegossen: Gewährleistung der Informationspflicht...
Bemerkenswert ist die Gelassenheit Steegmans und seine Verweise auf die Konkurrenz-Situation der Medien. Auch sein Exkurs über Chancengleichheit und Informations-Verteilung zeigt, welch anderer, weitaus zivilisatorischer Wind in Deutschland diesbezüglich weht.
Frage:
Ich möchte meine Einschätzung dazu in eine Frage kleiden, die in die gleiche Richtung der Frage geht: Es ist schon eine wichtige Unterscheidung. Wurde im Bundespresseamt geprüft, ob man offizielle Mitteilungen, offizielle Einschätzungen und Mitteilungen über Termine über den Internetnachrichtendienst Twitter oder zeitgleich über die bisherigen Wege per Mail oder per Fax verteilt? Für uns ist per Mail von Vorteil, weil für die Agenturen ‑ in die Richtung geht sicher auch die Frage der Kollegen ‑ schon eine wesentliche Rolle spielt, ob man als Korrespondent täglich 24 Stunden lang den Twitter-Nachrichtendienst verfolgen sollte. Das ist sicher unbenommen so; da haben Sie wahrscheinlich recht. Dennoch: Ist die Informationspflicht des Bundespressamtes sozusagen darüber dann gewährleistet? Oder überlegt man sich, nicht auch in Zukunft die Parallelität sicherzustellen?
Steegmans:
Was die Parallelität angeht, so bemühen wir uns grundsätzlich immer, den Kreis, von dem wir glauben, dass er unserer Erfahrung nach auf Anfrage oder aufgrund von Gepflogenheiten von uns bedient werden muss, selbstverständlich mit Informationen zu bedienen. Wir denken aber auch, dass es ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen einem Informationsangebot und einer Informationslieferung gibt. Sie werden es umgekehrt von uns auch kennen, dass wir manchmal Ihnen gegenüber Informationen auf Anfrage herausgeben ‑ beispielsweise telefonisch ‑, den großen Verteiler aber erst in Anspruch nehmen, wenn wir das Informationsangebot auch umfassender zusammengestellt haben ‑ beispielsweise nicht nur Tage, sondern auch Uhrzeiten und Orte nennen können ‑ und Sie anschließend über den großen Verteiler beliefern. Ich denke, dieses Spannungsverhältnis kann eine Medienlandschaft auch ertragen. Es ist auch nicht so, dass, wenn eine Agentur bei mir anruft und etwas erfragt, ich anschließend von mir aus hingehen und alle anderen Nachrichtenagenturen mit der Begründung anrufen und sagen müsste: Aus Gründen der Chancengleichheit müsst ihr über die Information, die der Kollege XY gerade abgefragt hat, natürlich auch informiert sein. Ich glaube, es würde Ihnen auch nicht umgekehrt gefallen. Ich finde, dass wir deshalb gut beraten sind, dass diejenigen, die sich für Twitter interessieren, Twitter abonnieren, dass diejenigen, die glauben, dass es für eine solide Information ausreicht, auf die E-Mail-Verteiler des Bundespressamtes zugreifen, selbstverständlich nur dort angemeldet sein können und dass diejenigen, die es vorziehen, über die Informationen, die wir aktiv von uns aus versenden, minutiös auf dem Laufenden zu sein und ihrer Praxis weiter frönen und per Telefon fragen, ob es etwas Neues gibt. Wir werden dafür bezahlt. Wir machen das gerne.
Etwas für sich öffnen wollende Impfnarben: ein Journalist verkleidet sich als "älteren Menschen", dem die Technologien seiner Zeit am Arsch vorbeigehen. Die logische Konsequenz eines solchen Eingeständnisses lautet jedoch: einen anderen Beruf wählen. Es liegt im Wesen des Journalismus, sich mit Neuigkeiten und Neuerungen zu befassen.
Frage:
Herr Dr. Steegmans, als älterer Mensch, der mit diesen neumodischen Kommunikationsformen nicht so vertraut sind, eine grundsätzliche Frage: Hat es irgendwann einmal vonseiten des Bundespressamtes einen Hinweis darauf gegeben, dass nun auch über Twitter wichtige Informationen verbreitet werden und man sich möglicherweise als Kunde oder Follower ‑ ich weiß nicht, wie das dort heißt ‑ anmelden müsste?
Steegmans:
Meinem Kenntnisstand nach ja. Ich reiche aber gerne nach, ob Sie auf dem Verteiler waren. Ich bin mir sehr sicher, dass wir es schon allein aus Eigeninteresse gemacht haben.
Subtext: zwei Sätze auf Twitter - wertloser Schas. Ein Einspalter im Hamburger Abendblatt - staatstragend, urwichtig! Abgesehen davon ist die Zweisatzigkeit genau die Qualität von Twitter. Aber das weiß man eben nur, wenn mans probiert hat, was die Hauptstadt-Journalisten, die Elite der deutschen schreibenden Presse nachlesbar aus Bestemm verweigern.
Es wird ja immer schöner: politischer Meinungs-Aus/Abtausch auf einer Plattform im Internet anstatt auf den Seiten der exklusiv dafür zuständigen Presse?! Was erlaubt sich dieser Regierungs-Sprecher nur!
Steegmans 'freie' Antwort trägt spürbare Schock-Wellen durch den Saal.
Frage:
Noch ein Versuch, Herr Dr. Steegmans. Halten Sie es konkret für diesen Termin wirklich für angemessen ‑ auch vor dem Hintergrund, dass Präsident Obama wenige Tage vorher zwar seinen ersten offiziellen Staatsbesuch in Europa absolviert, aber nicht nach Deutschland kommt ‑, dies mit zwei verkürzten Sätzen per Twitter der Öffentlichkeit mitzuteilen?
Steegmans:
Ich erkenne jedenfalls kein Problem darin.
Frage:
Herr Dr. Steegmans, in dieser Woche hat sich Herr Seibert auf Twitter ‑ ich nenne es einmal so ‑ einen kleinen Schlagabtausch mit Volker Beck geliefert. Ist geplant, dass der Regierungssprecher künftig immer einmal wieder reagieren wird? Es kann ja jeder twittern. Ich habe Sie so verstanden, dass Sie über Twitter auch Bürger und nicht nur uns Journalisten erreichen wollen. Wird das wirklich ein richtiges Kommunikationsmittel des Regierungssprechers werden, um die Regierungspolitik in die Bevölkerung zu kommunizieren?
Steegmans:
Erstens sage ich ganz frei, dass ich Sie nicht nur als Journalistin, sondern auch als Bürger erreichen möchte. Zweitens glaube ich, dass wir dort die Ausnahme erlebt haben, die die Regel bestätigt. Es kann immer wieder vorkommen. Es hängt von der Situation ab. Ich darf Ihnen umgekehrt sagen, dass wir nach diesen Gelegenheiten nicht ausdrücklich suchen. Aber wenn sich die Gelegenheit ergibt, dass über einen solchen schnellen Informationsaustausch an einen recht großen interessierten Kundenkreis Informationen weitergereicht werden können, werden wir das weiter tun. Wir leben in einer Informationsgesellschaft. Wir wissen um die Herausforderungen, dass verschiedene Generationen verschiedenartig mit Technik und Informationswegen umgehen. Wir halten uns im Bundespressamt seit Jahren regelmäßig auf dem Laufenden, was das Nutzerverhalten von elektronischen Medien und speziell dem Internet über die Jahre angeht, wie es sich entwickelt, was es für Zu- und Abneigungen gibt und wo technische Verbraucherschwierigkeiten liegen. Ich glaube aber, dass wir in Zeiten, wo sich insbesondere jüngere Menschen nachweislich weniger für Politik interessieren, gut beraten sind, neue und unkonventionelle Wege zu beschreiten.
Auch interessant und herrlich absurd - eine Frage die die journalistische Kultur der Fragenstellerei in Frage stellt.
Frage:
Herr Dr. Steegmans, wird es eine neue Gepflogenheit, dass man Reisepläne Land für Land telefonisch im Bundespressamt abfragt? Wie kommt man zu der Möglichkeit, zu erfahren, wann die Bundeskanzlerin beabsichtigt, wohin zu reisen?
Steegmans:
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich, wann immer ein Korrespondent ein politisches Feld bearbeitet, regelmäßig angerufen und gefragt werde, was demnächst ansteht: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wann immer jemand etwas gehört hat, er oder sie bei mir anruft und das verifiziert oder darum bittet, kurz Bescheid zu geben, wenn sich etwas weiteres ergibt. Das ist mein Tagesgeschäft. Ich würde das nicht als neue Entwicklung betrachten, sondern ich glaube, das ist die Grundlage unserer Arbeit; Ihrer wie meiner.
Wieder ein Blinder zum Thema Farbe: Twitter ist kein Keiler oder Kundenmagazin, sondern ein Portal zum Austausch von personalisierten Nachrichten. Gratis und weltweit, mit hoher Streukraft und Effektivität. Es braucht kein "Abonnement".
Jemand, der so wenig über ein Phänomen weiß und das auch noch öffentlich ausstellt, sollte sein Dasein als Journalist überdenken - er erfüllt die Mindestanforderung (Recherche, Sich-Kundig-Machen, Etwas-Wissen ehe man drüber redet) nicht im geringsten.
Steegmans geht auf den Schwachsinn nicht ein, taktvoll von ihm, sondern entgegnet rein prinzipiell.
Frage:
Herr Dr. Steegmans, nehme ich es richtig wahr, dass Sie dafür werben, dass wir Kunden oder Abonnenten von Twitter werden? Sie haben ganz bewusst zwischen Informationsangebot und Informationslieferung unterschieden. Heißt das, Sie wollen einen Mehrwert für diesen Dienst zurückbehalten? Nur dann lohnt es sich ja, Abonnent zu werden.
Steegmans:
Nein. Da hätten Sie mich ausdrücklich falsch verstanden, Herr Leifert. Ich habe gesagt: Wenn Sie das Gefühl haben, dass möglicherweise hin und wieder über Twitter irgendetwas verbreitet wird, was Sie noch nicht wussten, dann glaube ich, dass Sie ein Eigeninteresse haben ‑ also nicht meinem Interesse folgen, sondern ein Eigeninteresse haben ‑, dass Sie sich diesen zusätzlichen Informationskanal erschließen. Die Entscheidung, ob Sie das tun oder nicht, liegt ausschließlich bei Ihnen. Ich habe ausdrücklich kenntlich gemacht, dass Sie dort nahezu keine Information erhalten ‑ ich will nicht ausschließen, dass dort irgendwann einmal ein Adjektiv gebraucht wird, das wir an der einen oder anderen Stelle so nicht gebraucht haben ‑, die Sie nicht auch auf anderem Weg erhalten könnten. Umgekehrt glaube ich, dass es Informationen gibt, die nicht ausschließlich zuerst über Medienverteiler, sondern auch in der Direktkommunikation zur Verfügung gestellt werden dürften.
Bist du nicht willig, dann brauch ich Gewalt. Das ist eine deutliche Drohung; ineffektiv zwar, aber umso dumpfer.
Frage:
Abweichend von der normalen Praxis, kann ich Sie einfach darum bitten, in Ihrem Amt vielleicht noch einmal die verschiedenen Aspekte prüfen zu lassen, die damit einhergehen? Denn wenn man diese Kommunikationswege geht ‑ da schließe ich mich sicherlich den anderen Agenturkollegen an ‑, dann greift das tief in unsere Arbeitsabläufe ein. Wenn es da ein Sicherheitsproblem gibt, dann hilft der Hinweis "wenn Sie Zweifel haben, können Sie ja anrufen" uns als Agenturen nicht weiter. Denn wenn das eine autorisierte Verbreitungsquelle des Bundespresseamtes ist, dann werden wir "zuschlagen", und dann werden wir im Zweifelsfall auch mit einer falschen Meldung "zuschlagen". Das kann nicht im Interesse Ihres Ministeriums sein. Da berufe ich mich ausdrücklich auch auf das, was der Kollege zur Sicherheitsfrage gesagt hat. Ich denke, man sollte dazu sicherlich die verschiedenen Aspekte nachuntersuchen.
Steegmans:
Sie wissen aber auch, dass nicht einmal ausgeschlossen werden kann, dass auch Internetseiten gehacked werden, obwohl dort unsererseits auch sehr viel Aufwand getrieben wird, um das sicherzustellen? Was die Zuverlässigkeit der Technik angeht, kann ich von hier aus jetzt keine abschließende Bewertung vornehmen. Was die Zuverlässigkeit der Information angeht, habe ich einen einfachen Weg aufgezeigt, wie man da auf der sicheren Seite sein kann. Ich glaube, dass auch in einem sehr schnellen Nachrichtengeschäft die zwei Minuten für ein Telefonat allemal noch drin sind.
Seiberts und Steegmans Fehler - sie haben die Holzköpfigkeit der Old-Media-Mafia unterschätzt. Die hätten eine amtblattmäßige Aussendung über den neuen Seibert-Twitter-Kanal gebraucht. Allerdings hätten sie dann genauso herumgekoffert, Grund lässt sich immer einer finden.
Frage:
Herr Steegmans, ich habe die Ankündigung, dass Herr Seibert twittert, verpasst. Könnten Sie mir sagen, seit wann er das macht? Macht nur er das, oder twittern Sie auch?
Steegmans:
Es sind ein paar Wochen; ich habe jetzt das genaue Startdatum nicht da. Die Kollegen sind dran. Es sind Pi mal Daumen ein paar Wochen. Ich mache das nicht. Wir sind an dieser Stelle der Linie erlegen, dass es vernünftig ist, dass es ein authentischer Absender ist. Dann finde ich es auch konsequent, dass das der Regierungssprecher macht und nicht der Stellvertreter.
Gemein: junge und toughe Regierungssprecher, die twittern können, machen die alte Reporter-Elite, die dafür zu faul, eitel und dumm ist, ganz schön nass. Na wartets!
Interessant die verbale Zuteilung: Twitter, überhaupt das Internet, unsicher, unseriös, Lust-und-Laune-Medium; alles im Gegensatz zur Presse, dem Hort der Seriosität.
Frage:
Offen ist ja noch die Frage, ob die Sicherheitsanforderungen überprüft wurden. Hat Herr Seibert das gemacht, weil er ein junger tougher Typ sein will? Wurde das durch diesen ganzen BND-, BKA- und sonstigen Apparat "durchgerattert", und am Ende stand, das können wir machen, da können wir auch Regierungs-, Kanzlertermine herausgeben, das ist eine sichere, seriöse Quelle, oder ist das einfach nur mal aus Lust und Laune heraus erfolgt?
Steegmans:
Die technischen Abläufe, soweit wir die Informationen von unseren Geräten aus einspeisen, sind so weit sicher, dass wir sichergehen können, dass nicht irgendwie umgekehrt, während wir Informationen einspeisen, fremde Daten in unser Netz gelangen. Das ist die Sicherheitstechnik, die sich in unserem Zuständigkeitsbereich befindet. Dann haben wir die Sicherheitstechnik, über die die Informationen auf die Nutzermasken kommen. Diese Sicherheitstechnik befindet sich per definitionem nicht in unserem Zugriffsbereich. Da auch Staatsoberhäupter anderer Staaten diese Technik nutzen, ist es, glaube ich, ein eingeführtes politisches Medium. Da wir die Einführung dieses Mediums für uns vorbereitet haben und wir in dieser Vorbereitungsphase nicht auf eine offenkundige Anzahl von Missbrauchsfällen mit unabsehbaren Folgen gestoßen sind, glaube ich, dass man ein solches kommunikatives Medium auf jeden Fall nutzen kann.
Ich darf noch ganz kurz nachreichen: "SPIEGEL online" hatte "aus Regierungskreisen" die Amerikareise der Bundeskanzlerin am 21. März gemeldet. Deshalb hatte der Regierungssprecher das am 22. März per Twitter aufgegriffen. Anfragen sind offenkundig damals auch bestätigt worden.
Herr Seibert twittert, soweit ich das jetzt erkennen kann, seit dem 28. Februar.
Danach kamen keine weiteren Fragen mehr.