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Sophia Roma Weyringer Berlin

Sammelt die abstrakten Momente und verliert sich gern in Zwischenwelten.

31. 3. 2011 - 14:51

Vom Vorjahressieg direkt in die Wortlautjury

Viktor Gallandi hat 2010 beim FM4 Literaturwettbewerb gewonnen und wechselt nun die Fronten. In diesem Jahr entscheidet er als Teil der Jury, welche Texte eine Chance haben.

Sophia Weyringer hat den Vorjahressieger und Neo-Juror zum Interview getroffen.

Sophia Weyringer: Wir treffen uns ein halbes Jahr nach deinem Sieg bei Wortlaut 2010 wieder. Was ist passiert in der Zwischenzeit?

Wortlaut G. Gallandi

FM4

Foto: Bernd Gallandi

Viktor Gallandi: Nicht so viel. Ich habe in meinem Studiengang Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim eine Anthologie herausgegeben. Das war ein großes Projekt, an dem ich mit drei Kommilitonen gearbeitet habe. Es ist eine Tradition, dass die Studierenden im dritten Semester die neue Studienanthologie herausgegeben. Ich habe dabei die Kommunikation mit den Autoren übernommen und mit anderen gemeinsam lektoriert. Das war eine schöne Aufgabe. Das Studium ist ja schon so angelegt, dass man sehr viele Texte von anderen liest. Und es ist toll, sich über Texte zerstreiten und versöhnen zu können.

Wortlaut 11 - Der FM4 Literaturwettbewerb

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Da hast du dann ja deine erste Erfahrungen für deine Aufgabe als Juror beim FM4 Wortlaut Wettbewerb schon gesammelt.

Genau. Deswegen freu ich mich auch auf die Aufgabe. In meinem Studium fängt man sehr schnell damit an, seine Meinung zu Texten sagen zu müssen. Umso schöner ist es natürlich, wenn die eigene Meinung in einer kleinen Jury Gewicht hat. Und gerade bei der tollen Jury freue ich mich, die Leute kennen zu lernen und meinen Teil beizutragen.

Hast du Bammel davor, dass du deine eigene Meinung in der Jury vertreten musst?

Ach ein bisschen. Wenn man sich die Namen der Juroren anguckt, ist auf jeden Fall ein enormer Respekt da. Gerade Clemens Setz, der jetzt gerade den Buchpreis bekommen hat, begeistert mich total. Der ist schon ein kleines Vorbild für mich. Dieser Sound seines zweiten Romans "Die Frequenzen" hat mich echt beeindruckt, und das sind Stoffe, die herausstechen, aus dem bequemen Erzählen in der Gegenwartsliteratur. Da werde ich mir schon genau überlegen, wie ich meine Meinung begründe.

Was gefällt dir grundsätzlich an anderen Texten?

Erstmal finde ich es toll, wenn mich ein Text sprachlich überrascht. Wenn man allein den ersten Satz liest und denkt: "wow". Das ist natürlich der perfekte Einstieg. Ansonsten finde ich es interessant, wenn der Text etwas im Leser zurücklässt, was der Autor vielleicht gar nicht intendiert hat, wenn er sich also vom Willen des Autors ablöst. Nichts ist langweiliger als ein Text, der aus bestimmten literarischen Effekten zusammengebastelt ist. Diese Eindimensionalität führt schnell zu Langeweile. Es ist toll, wenn ein Text so eine gewisse Grenze überschreitet und ein Eigenleben entwickelt, im echten Sinn lebendig wird. Was ich auch gar nicht mag sind Einstiegsszenen, die man schon hundert mal gelesen hat. Also zum Beispiel wenn Protagonisten am Fenster stehen und rauchen und der Regen plätschert an die Scheibe. Da könnte ich den Text schon wegschmeißen. Also sowas gediegen Literarisches-Pseudoliterarisches, da bekomm ich schnell zu viel. Das ist mir zu aufgesetzt. Da wird eine Pseudomelancholie entwickelt, die die wenigsten Menschen empfinden und das finde ich unglaublich plump.

Gibt es einen Kriterienkatalog, den man für sich selbst entwickelt, an Hand dessen man die Wortlaut-Kurzgeschichten bewertet?

Nein. Natürlich könnte man versuchen, solche Kriterien zu finden, aber das schöne an Literatur ist gerade, dass man immer einen Text findet, der all diese Kriterien über Bord wirft und der trotzdem großartig ist. Deswegen finde ich es sinnvoller, sich den Text erstmal anzuschauen und dann zu sehen, welche Kriterien der Text selbst fordert. Welche Kriterien stellt der Text selber auf und schafft er es, die dann auch zu erfüllen und zu Ende zu bringen? Zunächst muss man den Text an sich selbst ranlassen und dann den Text an sich selbst prüfen. Natürlich kann man Texte immer noch vollkommen falsch verstehen, aber vorgefertige Kriterien halte ich nicht für sinnvoll. Ich versuche, nicht so ein Modedenken zu haben, was gerade aktuell ist und wie man schreiben muss. Ich will unbedarft und naiv an den Text zu gehen.

Wortlaut 2011

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Viktor Gallandi ist Mitglied in der diesjährigen Jury zum FM4 Literaturwettbewerb Wortlaut. 2010 hat er mit seiner Geschichte "Die Bewerbung" den ersten Platz bei Wortlaut erreicht.

Alle Infos unter fm4.orf.at/wortlaut.

Das Thema von Wortlaut heißt Zirkus. Was sind deine Assoziationen zu dem Begriff?

Das erste Bild, das mir in den Sinn kommt, ist auf jeden Fall dieser Klischee-Zirkus aus Disney-Filmen oder andere klassische Filmszenen. Ich bin als Kind relativ selten in den Zirkus gegangen und habe auch nur noch wenig Erinnerungen daran. Dennoch finde ich Zirkus ein tolles Thema, weil es ein starkes Bild ist und eine unglaubliche Offenheit hat, wie ja auch schon das Thema aus dem Vorjahr. Man kann in sehr vielen Bereichen den Zirkus suchen, das ist ja eine Art der Inszenierung, die man überall auf der Straße finden kann.

Hat sich dein Sieg beim FM4 Literaturwettbewerb auf dein Leben ausgewirkt?

Als erstes denkt man: Wow, das ist aber krass. Jetzt verändert sich was und wie wird das sein, wie gehe ich damit um. Aber ganz schnell merkt man auch, dass man dadurch kein anderer Mensch wird. Man weiß, da hat jetzt ein Text gerade besondere Aufmerksamkeit erhalten, aber wenn man wieder beim Schreiben sitzt, ändert das leider überhaupt nichts. Es bleiben die gleichen wenigen schönen Momente und die fitzelige Kleinarbeit, die Qualen des Schreibens. FM4 hat mir aber auf jeden Fall dabei geholfen, mehr Leser auch außerhalb von Hildesheim zu bekommen.