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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

30. 3. 2011 - 20:07

Fußball-Journal '11-25.

Fische, Köpfe und vermeintliche Sinnlosigkeiten. Über die Bedeutung der Beschäftigung mit dem ÖFB-Team.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch das neue Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und die Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit den Nachwehen der beiden 0:2-Niederlagen und den inexistenten Lehren, die der ÖFB daraus zieht. Warum Fische vom Kopf stinken. Und darüber, warum es trotz dieser scheinbaren Aussichtslosigkeit auf eine Verbesserung der Lage lohnt, sich damit auseinanderzusetzen.

Die diesmal mit eklatanter Verspätung erschienene laola1-Taktikanalys demonstriert das taktische Versagen des ÖFB-Trainerstabs deutlich. Die Ballverliebt-Analyse tut das noch eine Spur schärfer.

Es gibt eine wenig variierte Standard-Phrase, die immer dann auftaucht, wenn ich mich mit österreichischem Fußball beschäftige. "Ist das nicht sinnlos? Wird sich doch eh nix ändern!"

Abgesehen davon, dass die große Koalition der Antriebslosen und Resignativen, deren Repertoire diese Sätze entstammen, das zu jeglichem Engagement sagen und abgesehen davon, dass diese Parodien auf Menschen in ihren Leben nicht einmal eine Initiative der Art "meinen Namen in den Schnee brunzen" setzen werden, abgesehen davon, dass der Rat von sich letztlich nur als willenlose Säcke gefüllt mit Wasser Begreifenden genau gar nichts wert ist, abgesehen von all diesen Dingen ist das Hinterfragen der Sinnhaftigkeit von Vorgangsweisen und Stoßrichtungen, finde ich, durchaus wichtig.

Dazu kommt aber durch andere, konkrete und durchdachte Einwürfe, durch konstruktive Kritik - nicht durch populistisch-defensives Gewäsch.

Die Lage des österreichischen Fußballs lässt Kleingeister und Kleinmutige, also 85% der Menschen und 95% der Österreicher, natürlich leichter verzagen als anderes. Denn es ist tatsächlich eine Augias-Aufgabe.

Gegen die Koalition der Antriebslosen und Resignativen

Andererseits: wenn einem etwas wichtig ist, und man merkt es läuft in eine ganz üble Richtung, dann ist Engagement unvermeidlich. Jeder soll tun was er/sie kann. Ich unternehme das mit dem was ich kann: aufpassen, durchdenken, plastisch formulieren, aufschreiben, verbreiten.

Und ja, ich könnte angesichts dessen, was in den letzten Monaten und Halbjahren weitergegangen ist sogar schon den Wasser-Säcken etwas entgegenhalten. Etwa die Tatsache, dass sich die Gedanken, Analysen und Ausdrucksweisen eines kleinen, an sich genrefremden und immer dissidenten blogartigen Dinges wie dem Fußball-Journal, das sich niemals der Peinlichkeit hingeben muss irgendjemand zu schonen oder publikums/mundgerecht schleimen zu müssen, mittlerweile in den Medien-Mainstream vorgearbeitet haben.

Da werden seit Jahren gepredigte Kausalketten übernommen, bis hin zu einzelnen von mir geprägten Begrifflichkeiten, da traun sich auch Redaktionen, die zuvor wenig gewagt haben über früher Unmögliches. Da ändern sich Zugänge und Einstellungen einzelner Medien, vor allem im Online-Bereich zum deutlich Besseren. Und referenzieren durchaus auf ihre Anstoßgeber.

Das ist die gute Nachricht. Dass nämlich Initiative was bewirken, Bewußtsein schaffen und somit den Boden für Veränderung aufbereiten kann. Und wenn es nur die Verbesserung der Berichterstattung ist.

Parodien auf Coaches und Berichterstattung

Die schlechte Nachricht kommt da natürlich gleich als Zwilling mit. Denn angesichts von Verbesserungen fallen die Blödheiten natürlich intensiver auf: wenn etwa Heute glaubt, dass gestern Franz Schiemer gespielt hätte oder wenn etwa die Presse links und rechts nicht unterscheiden kann oder wenn etwa fast die gesamte Print-Kolonne durch dreiste sprachliche Drüberfahrerei über die Namen der türkischen Spieler ihr Desinteresse an Spiel und seinen Akteuren beweist.

Die noch viel schlechtere Nachricht ist natürlich die, dass der aktuell vielerorts als Lösung beschworene Rauswurf von Constantini gar nichts bringen würde.
Zum einen weil der Nachfolger aus einem Pool ähnlich international planloser heimischer Coach-Parodien entstammen würde, zum anderen, weil er in ein Umfeld gerät, in dem Planlosigkeit und wildes Geplapper scheinbar die wichtigsten Voraussetzungen sind um in diesem sensiblen Bereich des heimischen Fußballs arbeiten zu dürfen.

Constantini beherrscht die Kunst des Bullshittings und Lobbyings perfekt. Jüngstes Beispiel: in seiner Nachlese zum Türkei-Match zitiert er eine legendäre Ernst-Happel-Phrase: man habe "Hollywood" gespielt, in der Schlußphase, und da sei was gegangen, fast. Abgesehen davon, dass auch in der Schlussphase, trotz Elfer, gar nix gegangen war - unter "Hollywood" verstand der alte Happel etwas anderes. Nämlich die bedingungslose, fast schon hysterische Offensive, das Auflösen der normalen Abwehr-Formation, das volle Risiko. Constantinis "Hollywood" war ein konventionelles, offensives 4-4-2, mit dem moderne Trainer, die "Mut" nicht erst mühsam zu buchstabieren lernen müssen, ein Spiel gleich beginnen. Happels "Hollywood" konnte in ein 3-3-4 oder Wilderes ausfransen.

Die Hollywood-Erfrechung und die "Kontinuität"

Allein die Tatsache, dass sich der bekennende Kopist erfrecht die Trademarks des Alten für seine Pipifax-Versuche zu kapern, zeigt uns wo der Hammer hängt: es geht um Marketing, um populistische Phrasen, um ein cleveres Sich-Verkaufen - und da darf man schon mit der Blödheit des Publikums spekulieren; schließlich hat man es ja gemeinsam mit den Medien-Kumpels, die auch kein Interesse an einem mündigen Fußball-Bürger haben, über Jahrzehnte hin verdummt. In ziemlicher Verkennung der Realität erzählt er ja auch nach dem Türkei-Match weiter, dass er sein Team in einem 4-3-3 aufgestellt habe- als ob etwa Alaba je auch nur eine Sekunde lang eine Spitze gewesen wäre...

Die Wahrheit ist eine Tochter der Verschleierung und des Ablenkungs-Geplappers. Wie etwa im aktuellen Arnautovic-Vorfall wo Constantini mithilfe willfähriger Presse-Lakaien der Öffentlichkeit einen Sündebock präsentiert. Praktisch, was? Dass auch in diesem ganz konkreten Fall allein er bzw seine Fehl/Nicht-Entscheidung (die Nicht-Nominierung eines Elferschützen, angesichts der Fehlschuß-Quote im ÖFB-Team eine verweiswürdige Unterlassung) schuld am Entstehen dieses Konflikts ist, zeigt den Zynismus der Situation un den Einsatz von Lobby-Arbeit schön auf.

Warum sich jetzt, in der akuten aber eh unlösbaren Notlage der gescheiterten EM-Qualifikation trotz der mittlerweile eben auch dem Medien-Mainstream bekannten Constantini-Defizite nichts ändern wird, hat mit der Gleichartigkeit dieser Defizite im Vorsitz-Gremium zu tun.

Ebenso wie die mangelnde Qualität des ÖFB-Trainerstabs den ÖFB-Teamfisch am Kopf stinken lässt, passiert es eine Etage drüber auch. Ein durchaus ahnungsfreier Präsident hat nicht das fachliche, und wohl auch nicht das intellektuelle Pouvoir, Maßnahmen zur Besserung einzuleiten.

Beweisführung:
Dreizehn der 14 Mann des ÖFB-Teams vom Dienstag haben Auslandserfahrung (alle bis auf Pehlivan). Sechs davon waren jünger als 20, als sie im Ausland begannen: Dragovic ist jetzt mit 19 in die Schweiz, Arnautovic mit 17 nach Holland, Pogatetz ging mit 18, Alaba mit 16, Baumgartlinger mit 13 nach Deutschland, Harnik war schon dort.
Als Scharner mit 24 nach Norwegen ging war er ebensowenig "arriviert", wie es Windtner fordert, wie Macho (mit 23, als Nicht-Teamspieler nach England) oder Dag (mit 25 in die Türkei) und auch Maierhofer (mit 23 in die 2. deutsche Liga).
Das kann man maximal Hoffer (mit 21 nach Deutschland) und Korkmaz sowie Christian Fuchs (mit 22 nach D) zugestehen.

Windtner verliert also bei seinem eigenen Beispiel mit 10 zu 3, deutlich.
Und auch die Abwesenden würden diese Statistik nicht bessermachen. Markus Berger (14), Prager (15), Linz (16), Stranzl (17), Beichler (18), Walch (19), Manninger (20), Prödl (21), Garics und Okotie (22) stehen da Ivanschitz und Wallner (22), Ibertsberger und Säumel (23) sowie den Spätflüchtern Janko (27) und Gspurning (26) gegenüber.

Dass die Spieler aufgrund der Globalisierung, der demographischen Entwicklung und der verbesserten Nachwuchs-Förderung heutzutage noch ein zwei Jahre früher ins Ausland wechseln, wo sie eine in jeder Hinsicht bessere fussballerische Bildung und Ausbildung erfahren, ist evident - Österreich kann sich nicht von der Welt abkoppeln, auch wenn die Rechts-Populisten, in deren ideologischen Fahrwasser man beim ÖFB segelt, das gern so hätten.

Anschauliches Beispiel: Nach dem Türkei-Match war Leo "Kontinuität" Windtner stolz auf die Tatsache, dass die Mannschaft, die das Spiel beendete aus elf Legionären bestand. Das wäre positiv, weil es zeigen würde, dass "viele unserer Spieler im Ausland reüssieren".

"Hypothetische" Interview-Aussagen

Ein paar Tage zuvor hatte derselbe ÖFB-Chef in einem APA-Interview über genau dieselben Legionäre gemault. Richtig, er hat in den "zu früh ins Ausland!"-Chor der "Experten" eingestimmt.
Zitat: "Es ist immer wieder ein Wermutstropfen, wenn ein Junger früh ins Ausland wechselt. Es hat in der Vergangenheit viele österreichische Topspieler gegeben, die jahrelang in Österreich gespielt haben und dann erst den Schritt ins Ausland gemacht haben. Ich würde mir wünschen, dass die Spieler länger im Inland bleiben und erst dann wechseln, wenn sie arriviert sind. Es bringt nichts, wenn man nur ins Ausland wechselt, um dann ein nichtspielendes Dasein zu fristen."

Den Einwand dass das David Alaba, der mit 16 zu Bayern München ging, eher nicht geschadet hat, wird mit dem irgendwie irrwitzigen Satz "Das ist hypothetisch" abgeblockt.

Nun ist dieses Zu-früh-ins-Ausland" belegtermaßen Gewäsch auf Basis von Gefühligkeiten älterer Generationen, ohne Bezug auf Fakten, und hat sich mittlerweile zu einer veritablen Kampagne ausgewachsen, zu der der ÖFB-Chef da seinen Teil beitrug.

Nur um sich in einem unbedachten Moment ein paar Tage später selber in den Rücken zu fallen und die Legionärs-Dichte als einziges Positiva hervorzuheben. Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?.

Der für den Präsidenten maßgeschneiderte Teamchef

Für diesen Präsidenten ist dieser Chefcoach also ideal.
Dass die junge Mannschaft einen brauchen würde, wie die, die gerade die Liga, in der die meisten spielen, so durchrütteln, einem Slomka, einen Klopp, einen Dutt, einen Tuchel, auch eine Oenning oder Rangnick. Eine akribischen Arbeiter mit Ahnung von der fußballerischen Moderne, mit dem Willen sich dauerfortzubilden, der Fähigkeit zur Vorbereitung, dem Wissen um die Bedeutung von Strategie und Taktik. Ein Mensch des 21. Jahrhunderts, der sich nicht gegen Selbstverständlichkeiten wie Mentaltraining wehrt, weil ihm das - Stichwort: Allmachts-Fantasie - Angst macht.

Mit dem aktuellen Präsidenten geht sich das aber nicht aus. Da ist nur eine weitere Parodie möglich, ein Sack gefüllt mit Wasser halt, eine Figur, die sich nicht zu blöd ist, nach einem Spiel zuzugeben sich nicht getraut zu haben etwas zu unternehmen, weil es "eh sinnlos" wär.

Letztlich sind es also die Fischköpfe im ÖFB, die die von mir eingangs zitierte "Kamma eh nix mochn"-Phrasen als grundsätzliche Lebenseinstellung vor sich hertragen. Das kann jetzt auch der hinterletzte Wenig-Auskenner sehen - und sich dazu aufgerufen fühlen, Initiative zu zeigen, Bewußtsein zu schaffen und so den Boden für Veränderung aufzubereiten.

Das hat Sinn, ja.
Und es wird auch etwas ändern.