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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

30. 3. 2011 - 06:02

Kreaturen der Nacht

Mit dem New Yorker Duo Light Asylum in der Laser-Kathedrale. Oder: Eine Fotoschau aus dem Keller Brooklyns.

Die Grazie des Unheilvollen

Es braucht ja nicht vieler Worte. "It wasn’t that long ago since we lost everything we own", singt Shannon Funchess in einem Song mit dem ermunternden Namen 'Skull Fuct'. Sie singt es immer wieder und wir wollen erst gar nicht wissen, was ihr da genau verlustigt gegangen ist. Längst sind selbst die zufällig Gestrandeten Gläubige ihres Lamentos. Niemand an diesem Abend in der Glasslands Gallery konnte sich lange gegen die Kontinente einnehmende Stimme wehren. Funchess' Organ lässt das Knochenmark kochen oder einfrieren - je nachdem. Nenn es Stone Cold Soul oder Hot Sauce Elektro. „Dark Wave“ steht jedenfalls am Beipackzettel. Das Wort Asylum bedeutet im Englischen „Zufluchtsort“. Einerseits. Andererseits steht er auch für „Irrenhaus“.

Light Asylum

Christian Lehner

So wie derzeit viele fellow Brooklyn-Acts bedienen sich auch Funchess und ihr Partner Bruno Coviello kräftig im Plastik-Instrementalfuhrpark der Prä-Digitalära. Doch kaum ein anderer Act schafft es dabei so zu überzeugen. Das liegt nicht nur an der alle Höhen und Tiefen erklimmenden Stimme von Funchess, die sonst noch in den Aufnahmen befreundeter Bands wie TV On The Radio oder !!! zu hören ist, sondern auch an der Produktion von Coviello.

Light Asylum

Christian Lehner

Der Video und Klangmeister zielt auf den maximalen Effekt am Trommelfell und nicht auf ein vintage Feel oder die vermeintliche Souveränität im Umgang mit den "richtigen" Referenzen. So lässt es sich erst recht völlig ungeniert auf den Putz hauen. Die vier Stücke der Debüt-EP In Tension sind bevölkert von Soundviechern, die man von Goth, Industrial, Metal und Electro kennt. Hier erklingen die Hells Bells, dort wiehert ein schwarzes Ross aus dem Jenseits, die Drum Machine scheppert oder schießt Bassdrum-Salven, die Synthis tanzen Laser-Kreise, Gitarren schneiden, gedachte Phaser feuern aus der Zukunft in die Hölle. Und über allem trohnt mit grimmiger Würde die Stimme von Funchess.

Live wird das zunächst europäisch angegangen. Anstatt brav den Timetable einzuhalten, werden über einen langen Zeitraum Zwitscherkisten-Türme aufgewuchtet und verkabelt. Das Set beginnt mit kräftiger Verspätung, wird dafür aber gleich nach der ersten Nummer von Funchess abgebrochen. Die Monitore sind im Eimer. Bis der Defekt gefunden ist, zwingt die Starkstromvokalistin das Publikum zum Witze erzählen. Man kalauert ohne Widerstand.

Light Asylum

Christian Lehner

Später muss es doch noch ohne Monitore gehen. Erst am Ende der Nacht sollten wir im sich lichtenden Lokal zufällig über ein loses Kabel stolpern, das die Schaltkreise miteinander verbinden hätte sollen. Aber egal. Die Stimmsalven fanden auch so ihr Ziel während der Automodus des mitgebrachten Stratomonsters Laser-Kathedralen in den Glasslands errichtete. Am Ende war nicht mehr klar, wie lange diese Elektro-Götterdämmerung eigentlich gedauert hat. Die Auslöschung des Zeitgefühls ist natürlich als Kompliment zu verstehen. So herrlich schlecht am nächsten Tag habe ich mich schon Ewigkeiten nicht mehr gefühlt.

Light Asylum

Christian Lehner

Zugetragen hat sich das vergangenen Freitag im äußeren Zipfel von Williamsburg unten am Ufer des East River. Ich nenne die paar Blocks zwischen Grant Street und Williamsburg Bridge den "Keller" Brooklyns. Hier lassen die lokalen Behörden immer noch einige Verrückte halblegal werken, in der Glasslands Gallery oder dem Death By Audio.

Light Asylum

Christian Lehner

Die 'In Tension EP' ist direkt auf der Website des Duo Infernale zu beziehen. Light Asylum werden hoffentlich auch bald eure finsteren Gassen erhellen. Keine Scheu, es gilt ohnehin: „The prince of peace doesn’t have to know about it“ (aus dem Song 'Dark Allies').