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Martina Bauer

Geschriebenes und zu Beschreibendes. Literatur und andere Formate.

19. 4. 2011 - 16:15

Die Mehrparteienhaus-Liebhaberin

Wortlaut-Shortlist = Erzählband. Zumindest im Fall von Anna Weidenholzer stimmt diese Gleichung.

Gleich dreimal schaffte es die junge Autorin unter die besten zehn des FM4 Literaturwettbewerbs Wortlaut - und nun hält sie ihre erste Kurzgeschichtensammlung in Händen. Acht Geschichten ist die lang und heißt "Der Platz des Hundes".

Weidenholzers ProtagonistInnen sind allesamt irgendwie aus der Zeit gefallene Menschen; ausgestattet mit durchwegs eigenartigen Verhaltensweisen und jedeR auf seine Weise sehr allein.
Aber nicht unbedingt einsam, unterstreicht die Autorin. Sie mochte einfach den Blickwinkel, "wenn man Personen darstellt, was in ihrem Kopf vorgeht, wenn sie alleine zuhause sitzen." Dieses Auf-sich-selbst-Gestelltsein sei oft die Situation: "Wo man nachdenkt, wo etwas in einem drinnen passiert."

Anna Weidenholzer

Radio FM4

"Schreiben ist für mich Lebensinhalt, Lebensaufgabe, Lebensbegleiterin", sagt Anna Weidenholzer im Interview.
Cover "Der Platz des Hundes"

Mitter Verlag

"Der Platz des Hundes" von Anna Weidenholzer ist im Mitter Verlag erschienen.
Textprobe

Vis-á-Vis

Das Buch versammelt die Geschichten zum Mehrparteienhaus, das man gegenüber sieht. Verschiedene Lichter, Menschen, Leben. Und ja, Anna Weidenholzers Wiener Wohnungen hatten immer solche Häuser im Blickwinkel - vielleicht eine Inspiration.
Geboren wurde die Autorin 1984 in Linz. 2003 hat sie das erste Mal überhaupt eine Geschichte eingereicht. Nämlich bei Wortlaut, wo sie prompt in die Shortlist kam. Diese Bestätigung, sagt sie heute, war sehr wichtig. Auch 2008 und 2009 war sie im Wortlaut-Buch vertreten; die vor zwei Jahren prämierte Geschichte findet sich nun auch in "Der Platz des Hundes".

"Kavkas Butterbrote" heißt die und dreht sich um eine alte Dame, ihre Hündin, Friedhofsbesuche sowie Tomatenstauden. Vordergründig. Dahinter liegen Erinnerungen. An Verstorbene, Jugendlieben, die Vergangenheit eben.
Auch Leopold lebt nicht wirklich im Jetzt. Er hat sich die Zwischenzeit geschaffen, um nicht der Uhrenmafia auf den Leim zu gehen. Lange war ein Hund sein Kompagnon. Mittlerweile sind da nur mehr die Motten, die im Mehl leben, aus dem Leopold seine Palatschinken formt.
Oder Siri. Sie arbeitet als Kellnerin, sammelt seltsame Dinge und liebt Simon. Auf ihrem Kühlschrank hängen zwei Zettel. Einer davon ist blau, darauf steht: "Wenn der Körper außer Kontrolle gerät, passt kein Schritt vor den anderen, die Füße werfen sich dem Boden entgegen und machen es doch nicht richtig."

Miteinander

Die Geschichten von "Der Platz des Hundes" hängen alle zusammen. An dünnen Fäden - so wie man sich in Mehrparteienhäusern eben kurz begegnet. "Da ist die Wohnung oben und die Wohnung unten, und die Menschen wissen eigentlich nichts voneinander und leben so parallel ihre Leben. Und das wollt ich in dem Buch rüberbringen: Diese kurzen Überschneidungen."

Anna Weidenholzer schreibt in kühlen, sich distanzierenden Sätzen, die dennoch anheimelnd-gefühlvoll sind. Direkt, ohne Schnörkel. Ihre Arabesken sind ihre Personen.

In nächster Zeit wird sie viel mit "Der Platz des Hundes" unterwegs sein - und: sagt sie über den Titel: "Ein Mann hat einmal gesagt, dieser Platz ist überall, nur sicher nicht im Bett."