Erstellt am: 30. 3. 2011 - 06:03 Uhr
Mobilfunker wollen TV- und Funkmikro-Frequenzen
Während in Österreich und den anderen EU-Mitgliedsstaaten die Telekomgesetze gerade novelliert werden, um das EU-"Telekompaket" umzusetzen, ist man in Brüssel bereits einen Schritt weiter.
Das Frequenzspektrum, welches bis dato unter Oberhoheit der Mitgliedsstaaten war, soll nun EU-weit wenigstens in Teilbereichen harmonisiert werden. Erklärtes Ziel des "First Radio Spectrum Policy Programme" ist es, das "öffentliche Gut Funkfrequenzen im besten Interesse der europäischen Bürger" so zuzuweisen, dass "paneuropäische Services florieren können".
"Digitale Dividende I"
Ein erster Schritt dazu war die Verteilung der sogenannten "Digitalen Dividende": Ein 70 MHz breites TV-Frequenzband wurde europaweit dem Mobilfunk zugewiesen. Im Juli 2010 hatte die österreichische Regierung einen entsprechenden Beschluss verabschiedet.
In Österreich
Am vergangenen Montag wurde die Novelle des Telekommunikationsgesetzes in Begutachtung geschickt. Sie schreibt unter anderem bessere Informationen und mehr Transparenz bei Vertragsabschluss vor. Dazu gehören Informationen über die Qualität der Dienste, Verbindungsgeschwindigkeit sowie allfällige Einschränkungen.
Um Ziele wie "Wohlstandszuwächse für die Bürger" zu erreichen, müsse die Umsetzung der "digitalen Dividende" in den Mitgliedsstaaten bis spätestens 2013 erfolgt sein. Bei dieser "Dividende" handelt es sich um den obersten Bereich des TV-Spektrums zwischen 790 und 862 MHz, das laut "Telekompaket" 2010 den Mobilfunkern zugewiesen worden war.
Kein Platz für HDTV
Durch digitale Bespielung der analogen terrestrischen TV-Kanäle wurde zwischendurch mehr Platz geschaffen, da sich digitale TV-Kanäle deutlich enger packen lassen. "Zwischendurch" deshalb, weil das Fernsehen zunehmend auf HDTV setzt und die hochauflösenden Inhalte wieder weit mehr Bandenbreite verbrauchen als gewöhnliches Digital-TV.
Aus diesem Grund hatte es gegen diese Teile des "Telekom-Pakets", das eine ganze Reihe veralteter Richtlinien auf den neuesten Stand brachte, heftigen Widerstand seitens der Rundfunkanbieter gegeben.
4,4 Mrd. Euro Versteigerungserlös
Die hatten in die Digitalisierung des Fernsehens beträchtliche Summen investiert und mussten zusehen, wie die daraus resultierende "Dividende" an die Mobilfunker ging. Die Versteigerung des deutschen TV-Spektrums von 790 bis 862 MHz brachte dem Staat vor einem Jahr 4,4 Milliarden Euro ein. Für Österreich steht eine Versteigerung noch in diesem Jahr auf der Agenda.
Die Mobilfunker können ihre Netze ab dann auch dorthin ausbauen, wo sich das bisher wegen einer zu geringen Anzahl möglicher Kunden nicht gelohnt hat. Da die Ausbreitungsbedingungen für Funk bei 790 bis 862 MHz wesentlich besser sind, als im eigentlichen mobilen Breitbandbereich für UMTS/HSPA (2,1 GHz) und LTE (2,6 GHZ), werden weniger Funkzellen (Masten) benötigt.
Grund der Begehrlichkeiten
Wenn es bereits 900-MHz-GSM in der Ausbaugegend gibt, genügt es, diese Masten zusätzlich zu bestücken. Im urbanen Bereich wiederum ist die Gebäudepenetration im "Dividendenbereich" deutlich höher, die Breitbanddienste dringen signifikant tiefer etwa in Stahlbetongebäude mit metallbedampften Fenstern ein.
Das sind die wesentlichen Gründe für die Begehrlichkeiten der Mobilfunker, die sich damit freilich nicht erschöpft haben. Die Änderungsanträge ("Amendments") des Binnenmarktausschusses zum Entwurf der Kommission haben es nämlich in sich.
"Digitale Dividende II"
In Artikel 6, Paragraph drei formulierte die Kommission sinngemäß, dass auch andere Segmente unter einem GHz für alternative Verwendung geprüft werden sollen. Die Amendments des Binnenmarktausschusses sind da weitaus deutlicher.
In Änderungsantrag Nr. 14, der ebendiesen Artikel/Absatz betrifft, heißt es, die Kommission solle Schritte ergreifen um eine zweite Digitale Dividende im Bereich 698 bis 790 MHz voranzutreiben. Außerdem solle eine "längerfristige Konvergenz der Dienste im unteren Teil des TV-Spektrums (470 - 698 MHz) ins Auge gefasst werden
Funkmikrofone unter Druck
Die Mobilfunker verlangen also weitere 100 MHz Bandbreite, das ist ein Drittel des Fernsehbands, das nach der ersten "Dividende" noch übrig ist. Darüber hinaus stellen sie auch das restliche TV-Spektrum in Frage.
Das sind nicht nur für TV-Anstalten schlechte Nachrichten, sondern für Konzert- und Sportveranstalter, Theater, Freiluftbühnen, Studios und alle anderen, die auf Funkmikrofone angewiesen sind. Die senden nämlich samt und sonders als Zweitnutzer auf den genannten Frequenzen und sind schon durch den Wegfall von 790 bis 862 MHz unter Druck.
Am Beispiel Frequency-Festival
Bei größeren Veranstaltungen ist es bereits jetzt schwer, vor Ort genügend freie Kanäle zu finden, wenn wie beim Frequency-Festival mehrere Dutzend Funkkanäle gleichzeitig gebraucht werden. Neben den Funkmikros benötigen etwa Monitorboxen sowie die Steuerung der Anlage eigene Funkkanäle, während das verfügbare Gesamtspektrum immer stärker schrumpft.
Im unteren Bereich machen die digitalen TV-Kanäle das Spektrum dicht, von oben der Mobilfunk. Ein Ausweichen auf höhere Frequenzen ist schon deshalb nicht möglich, weil dafür noch kein Bereich definiert ist und es deshalb auch kein diesbezügliches Equipment gibt.
Proposal for a decision of the European Parliament and of the Council establishing the first radio spectrum policy programme
Die Kommission möge für Konzertveranstalter uѕw. halt ein Minimalset an Kanälen für Funkmikros definieren, heißt es dazu ebenso lapidar wie schnöde im Bericht der konservativen Abgeordneten Eija-Riitta Korhola. Sie stammt aus Finnland, das weniger als Nation der Kulturveranstalter bekannt ist, denn als Sitz des weltgrößten Mobilfunkausrüsters und Handyprozenten Nokia.
Was den Richtlinienentwurf angeht, so soll er am 22. April im (federführenden) Industrieausschuss behandelt werden, anschließend folgt die erste Lesung im Plenum des Parlaments.