Erstellt am: 29. 3. 2011 - 14:08 Uhr
Euro Trash - Euro Treasures?!
Eurodance, die große Ära des Fremdschämens, mit deren Protagonisten und musikalischen Peinlichkeiten man locker einige Diplomarbeiten füllen könnte, ist zurück und nicht erst seit gestern: Das Eurodance-Revival schleppt sich schon seit geraumer Zeit durch die Partyszene, wie eine Geschlechtskrankheit, über die keiner sprechen will. Einmal als Teenager vom Eurodance-Fieber wie von einem Herpes-Virus infiziert, kann diese Grausamkeit jederzeit wieder ausbrechen.
Wiener Party-Hangouts wie "Less Talk, More Rock", "Myyy Bitch Club", "Rhinoplasty" oder David Jerinas "90s Club" machten Eurodance wieder Club-tauglich: Todesblicke Richtung DJ-Kanzel vs. hedonistischer "Hands-Up"-Neunziger Nostalgie, je nach Uhrzeit.
Deshalb kommt hier nur ein reißbrettartiger-Auszug meiner peinlichsten Lieblingslieder der glorreichen One-Hit-Wonder-Ära, deren katastrophale Klang-Ergüsse nicht nur den Dancefloor mit Pestizid- und Plastik-Pop verseuchten, sondern auch Saure-Regen-Spuren im TV (MTV, VIVA, Bravo TV,...) und Kleiderschrank hinterließen: weiße Socken, schenkelweite Marken-Jeans, schwarze Ripp-Badeanzüge, Camouflage-Klamotten … einzig und allein die DocMartens dürfen bleiben.
Edelweiss – Bring me Edelweiss
1988, also ein paar Jahre bevor Eurodance seinen Durchbruch hatte, waren ein paar Wiener rund um DJ DSL und Sugar B mit „Bring me Edelweiss“ und „Raumschiff Edelweiss“ abgehoben und ihrer Zeit weit voraus. Die Formation Edelweiss produzierte ihre Tracks nach der alchemistischen Hitformel aus „ The Manual (How to have a Number One – The Easy Way)“ von Bill Drummond und Jimmy Cauty aka The KLF. Wichtigste Eckpfeiler aus dem Manual waren: „There is no point in searching for originality“ … sowie „flick through your copy of the Guinness Book of Hits, find a smash from a previous era and do a cover of it, dressing it up in the clothes of today“. Mit solchen Zeilen offenbarte sich „The Manual“ als hellseherische Pop-Bibel, dessen Gebote mehr oder minder die Essenz des Eurodance vorweg genommen haben.
Mo-Do – Eins, Zwei Polizei
1994, zur Eurodance Peak-Time veröffentlicht und 18 Wochen in den Charts, waren Mo-Do mit „Eins Zwei Polizei“ neben 2Unlimited ein weiteres Aushängeschild der sinnentleerten Textzeilen: Nono Nononono Nononono Nono - there´s no lyrics! Mo-Do kam wie eine weitere Referenzgröße des Genres – ItaloDisco – aus dem benachbarten Süden und transportierten im Video Styling-Sünden, die damals absolut angesagt waren: Klamotten aus Plastik oder Bundesheer-look-alike, Bauchfreie T-Shirts, Nasenringe sowie Nickel-Sonnenbrillen. 1994 war auch die Zeit, in der nicht mehr Udo Huber, sondern Society-Trenz-Host Dominik Heinzl die „Ö3 Top 30“ OnAir und OnScreen moderierte. Die Haaresträubende Ähnlichkeit des Moderators mit dem Sänger machte diese Nummer zum wöchentlichen Highlight der heimischen TV-Disko. Urpeinlich, ich hab noch die 7"!
Leila K. - Open Sesame
Leila K. ist wahrscheinlich eine der tragischten Figuren des Eurodance – und eines der ersten Aushängeschilder für die damals aufgekommene, und heute noch immer nicht beendete Casting-Hölle. „Open Sesame“, 1992 erschienen, kann ruhig wörtlich genommen werden - danach hat Eurodance jahrelang die Charts und Ohren infiltriert und verseucht. Leila K., war schon während der Peak-Time Mitte der Neunziger schwer verschuldet und auch wenn sie als „Bestselling Female Artist“ 1993 Whitney Houston ausgestochen hat, ist ihr von dem Geld dieser goldenen Ära nichts geblieben. Eine Drogenkarriere inklusive von Medien durch den Gulli gezogenen Abstürzen folgten. Leila K. arbeitete auch mit Dr. Alban bei „Hello Africa“ zusammen, und lieferte damals sowohl gesanglich als auch produktionstechnisch eine Blaupause für M.I.A oder Die Antwoord. Auch die Trash-Queen 2.11, Lady Gaga bekennt sich als Leila K. Fan, sowie Millionen Teenager der frühen Neunziger.
Sin with Sebastian – Shut up (and sleep with me)
Explizite Anmach-Lyrics und schlüpfrige Verbal-Erotik unter dem Niveau eines Groschenromans war ebenfalls ein Kennzeichen des Eurodance. Textzeilen wie „You´re young and free, why don´t you sleep with me“ sind verglichen mit den Holzfäller-Hors d´Oeuvre von E-Rotic („Max don´t have Sex with your Ex“, „Fred come to Bed“, „Help Me Dr. Dick“,…) ausgesprochen charmant. Sex, Liebe und Party waren onmipräsent in den Track-Titeln wie z.B. bei La Bouche – „Do you wanna be my lover“ oder Snap!, die bei „Oops Up“ auch auf den Kondom-Gebrauch innerhalb der promiskuitiven Clubszene aufmerksam machten. Wahrscheinlich erfolglos, denn auf die Lyrics hat beim Eurodance sowieso niemand gehört.