Erstellt am: 10. 5. 2011 - 13:54 Uhr
Tagebuch zum Jahr des Verzichts (18)
marc carnal
2011 wird Tagebuch geführt und verzichtet: Monatlich auf ein bestimmtes Sucht- und Genussmittel, auf Medien oder alltägliche Bequemlichkeiten. Jeder Verzicht ist klar eingegrenzt. Es gelten freiwillige Selbstkontrolle und dezenten Gruppendruck unter den Mitstreitern.
Sonntag, 1. Mai
Tag der Arbeit und Welt-Lachtag
■ Ist es eher so, dass die Bier-Kosten bei Bier-Kisten oder bei Bier-Steigen steigen?
■ Natürlich kommt mir nach einem Monat der ehernen Süßspeisen-Abstinenz kein Billig-Konfekt auf den Tisch. Deshalb nasche ich von edelsten Pralinen in den Sorten Olivenöl, Kikos, Mascletà, Safran, schwarzer Trüffel und Yuzu. Bei der Hälfte der einzelnen Sorten verstehe ich nicht einmal den Namen, vielleicht ist das Geschmackserlebnis auch deshalb zwar bemerkenswert, aber nicht durchgehend genussvoll.
Aber wie heißt es so schön bei Forrest Gump?
"Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen - Meistens mit Alkohol und irgendwann abgelaufen."
Montag, 2. Mai
■ Bei privaten Einladungen zu früh zu kommen, ist wesentlich unhöflicher als mehrstündige Verspätungen. Schließlich sitzt man zehn Minuten vor dem vereinbarten Zeitpunkt nackt inmitten einer verdreckten Wohnung.
■ Dasists!!!
...
Dasists!!!
...
Dasists!!!
...
Brauche einige Versuche, um zu entschlüsseln, was der Augustin-Kolporteur am Schottentor da genau deklamiert.
Dann erschließt sich schlagartig die ungefähre Vorgeschichte: Auf der Suche nach einem verkaufsfördernden Slogan bat der gute Mann wohl jemanden, "That's it" oder gar "This is it" ins Deutsche zu übertragen und stieß dabei wohl auf einen nicht besonders eleganten Übersetzer.
sonja merkl
Dienstag, 3. Mai
Tag der Sonne
■ Nachdem es in manchen Hotels menschliche Bett-Vorwärmer zu buchen gibt, läge es doch nahe, auch die vermaledeite Schlummer-Funktion des Mobiltelefons durch einen mittellosen Studenten zu ersetzen, der alle zehn Minuten eine Melodie nach Wahl auf der Blockflöte spielt.
■ Nachdem dies die Homepage eines Radiosenders ist, sollte nach alter Radio-Tradition auch in diesem Diarium das begeisterte Publikum zwischendurch zu Wort kommen:
"Hallo, mein Name ist Daniela Fotzeneder und ich lese das Tagebuch des Verzichts sehr gerne!"
Mittwoch, 4. Mai
■ Jetzt bin ich ganz wild und behaupte etwas, ohne flankierende Recherche, einfach so ins Blaue, denn den Mutigen gehört die Welt:
Es wird noch keine Salz-Pfeffer-Mischung feilgeboten.
Warum eigentlich nicht?
Ich würde an die drei Stufen 70-30, 50-50 und 30-70 denken. Diese klassische Gewürz-Kombination würde den meisten zur Veredelung ihrer Speisen reichen.
■ Der Tiroler berichtet von einem Spiegel-Artikel, der die Unverständlichkeit vieler englischer Werbe-Slogans für einen Großteil der Zielgruppe behandelt. „Come in and find out“ – Ein Klassiker der falschen Übersetzung.
Am meisten zeigt sich der Freund darüber begeistert, dass bei einer Umfrage „worst case“ von einem Probanden tatsächlich mit „Wurstkasten“ übersetzt wurde. Dabei stellt sich erstens die Frage, was ein Wurstkasten sein soll. Vielleicht eine Frischhalte-Box? Ergäbe sich folglich bei besonders arktischen Außentemperaturen ein Worst-Case-Szenario, also ein Wurstkasten-Szenario, weil man jene Behältnisse ja vorrangig in Kühlschränken zu lagern pflegt? Oder könnte Wurstkasten eine joviale Bezeichnung für den Abort sein, das gleichnamige Szenario also für Durchfall stehen?
Oder wäre nicht ohnehin „Käsekrainer“ die noch elegantere Übersetzung für „worst case“?
■ "Hier spricht Manfred Zsak und Sie lesen das Tagebuch des Verzichts."
Donnerstag, 5. Mai
Internationaler Tag der Händehygiene
■ Die Gesamtbevölkerung kann nicht nur aus vernünftigen, schillernden, schönen, klugen, scharfsinnigen, humorvollen oder sympathischen Menschen bestehen. Da braucht es auch Füllmaterial, das es täglich zu ertragen gilt.
■ "Hi, hier ist die Jenny. Tagebuch des Verzichts - Das Leben ist ein Hit!"
■ Kollege Wurm bringt den aktuellen Pearl-Katalog mit. In diesem sind fast ausschließlich Produkte beschrieben und abgebildet, die man nicht wirklich braucht, aber wahnsinnig gerne bestellen möchte. Hätte ich alles, was ich in heiteren Stunden an Hilfsmitteln und Geräten bereits erdacht habe, auch tatsächlich produzieren lassen, wäre ungefähr das Sortiment von Pearl herausgekommen.
Meine Favoriten:
- Der Beamer für die Zimmerdecke. Für alle, die zu faul sind, beim Fernsehen den Kopf zu neigen.
- Die aufblasbare Bierkisten-Schwimminsel für kühlen Gerstensaft beim Campen.
- Die magnetische Kronkorken-Dartscheibe
- Krawatte, Feuerzeug und Schlüsselbund, jeweils mit integrierter HD-Spionagekamera
- Die unverzichtbare Hundert-Meter-Steinschleuder
- LED-Duschkopf mit Farbwechsler
So treibt man selbst vernünftige Konsumenten in die Schuldenfalle!
Freitag, 6. Mai
Internationaler Anti-Diät-Tag
■ Mein bei Jung und Alt sehr populäres, weil übertrieben großes Sofa hat eine hellgraue Farbe, man sieht also jeden Rotwein-, Blut-, Sperma-, Eiter- oder Urinfleck. In seiner bisher zweijährigen Existenz ist sein umspannendes Gewebe makellos rein geblieben, obwohl immer wieder mit Rotwein, Blut, Sperma, Eiter und Urin in unmittelbarer Nähe hantiert wurde, teilweise in Form von Vermehrungen oder Kunststücken.
Alle paar Monate dekoriere ich meine Sitzecke mit Decken. Schon tun Gäste das, was Gäste immer tun, nämlich eintrudeln. Innert kürzester Zeit sind die ehemals weißen Decken voller Rotwein, Blut, Sperma, Eiter und Urin, ja selbst Spuren von Kot und Erbrochenem sind auszumachen.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass man ein weißes Hemd wesentlich seltener beschmutzt als ein schwarzes, weil man vor allem dann aufpasst, wenn man aufpassen muss.
■ In dieser Woche bravourös bestandene Nichtraucher-Bewährungsproben:
- Bandprobe und Auftritt mit anschließendem Zechen
- Heitere Trinkrunde mit den Verzichtskollegen
- Ron Tyler Archiv - Dreh
- Drei Stunden Mariahilferstraßen-Wahnsinn
Das Schlimmste ist nun endgültig überstanden.
Samstag, 7. Mai
■ Katastrophalste Frisur des Jahres: Karl Daxbacher
■ Originelle Oma-Schimpftirade in der U6: Die Alte käut zwar in Form eines ungefragten Impulsreferats den gängigen Senioren-Themenkanon wieder, begeistert das unfreiwillige Auditorium aber mit erfundenen Statistiken.
“Achtzig Prozent aller jungen Frauen haben ein Nasenpiercing! Dreiundzwanzig Prozent aller jungen Frauen haben keine Unterhose an!“
■ Gerade wegen des gerade gewesenen Muttertages interessant: § 948 aus dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch: „Wenn der Beschenkte sich gegen seinen Wohltäter eines groben Undankes schuldig macht, kann die Schenkung widerrufen werden.“
Sonntag, 8. Mai
Wie oft und ob dieses Diarium überhaupt in den nächsten drei Wochen erscheinen wird, kann ich nicht versprechen, da ich diese Zeit in New York zubringen werde. Selbstverständlich als Nichtraucher.
Auf jeden Fall: Bis bald!