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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

25. 3. 2011 - 12:30

Reicht es?

ÖVP und SPÖ haben "Reformmaßnahmen" für die Steiermark beschlossen, um das Landesbudget zu sanieren. Heute Nachmittag wird dagegen protestiert. Spart die Steiermark am rechten Fleck?

"In Millionen.." steht in der Power-Point-Präsentation neben grünen und senffarbenen Balken. Rechnet man die Zahlen der senffarbenen Balken zusammen, kommt man auf 806. Insgesamt 806 Millionen Euro wird die Neuverschuldung des Landes Steiermark also selbst mit den "Reformmaßnahmen" des geplanten Doppelbudgets betragen. Die Steiermark muss sparen. Das Land will sparen. Doch spart die Steiermark am rechten Fleck?

Kürzlich hat mir eine Freundin erzählt, wie sie als Kind Kassabuch-Führen von ihrer Oma gelernt hat. Nicht mehr ausgeben, als man einnimmt, lautete die Devise. Genau daran hält sich die Steiermark seit Jahrzehnten nicht. Die Schulden wachsen kontinuierlich an. Darum entschied sich die Landesregierung im letzten November für Einsparungen von 25 Prozent. So der Plan des Budgetprovisoriums. Diese Woche beschlossen die steirische SPÖ und die ÖVP das Doppelbudget für 2011/2012: ein massives Sparpaket. Die Landesregierung präsentiert sich als glorreicher Retter. Der amtierende Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) spricht von einer "Punktlandung, bei der besonders auf soziale Verträglichkeit geachtet wurde“. Kritiker sprechen von einer Umverteilung von unten nach oben.

Voves und Schützenhöfer

MARKUS LEODOLTER

Voves und Schützenhöfer

Wen treffen die größten Einsparungen? Menschen mit Behinderungen.

Empörend ist die Tatsache, dass von den "Reformmaßnahmen" nicht jene Menschen verschont bleiben, die ohnehin stets zu kämpfen haben. Niemanden werden die Kürzungen im Sozialbereich so hart treffen wie Menschen mit Behinderungen. Ihnen streicht das Land die "Stabilisierung des Umfelds": Die Betreuung, um Angehörige für wenige Stunden zu entlasten, und mobile Hilfen um acht Prozent. Klingt nicht viel, wirkt sich jedoch auf den Alltag behinderter Menschen drastisch aus. Gekürzt wird so zum Beispiel die Zeit des Sozialarbeiters, mit dem ein jugendlicher Autist zu einem Fußballspiel geht. Damit schränkt man die Teilhabe behinderter Menschen an der Gesellschaft ein.

21,82 Millionen sollen durch Streichungen von Mitteln für Therapien und Heilbehelfe für Behinderte eingespart werden. Hinzu kommen die Einsparungen der Gemeinden, die ebenfalls bei jenen ansetzen, die besondere Bedürfnisse haben. Verschärft will man diese Bedürftigkeit kontrollieren. Es stimmt einen traurig, wenn jenen viel genommen wird, die ohnehin auf keine große Lobby zurückgreifen.

Tief schneiden die Sparmaßnahmen auch in die Lebenswelten von Frauen, besonders von Müttern. Für den Besuch des Kindergartens sind Elternbeiträge bereits beschlossene Sache. Das erst im Sommer 2006 beschlossene Gratis-Kindergartenjahr ist damit schon wieder Geschichte. Zudem wird die Pendlerbeihilfe komplett gestrichen. Das betrifft 14.000 SteirerInnen, macht insgesamt erwartete 1,5 Millionen Euro Einsparung. Vorgesehen ist die Halbierung der Anrechnung der Betriebskosten bei der Wohnbeihilfe. Und Landesdarlehen für Hausbauer fallen flach. Im eigenen Hause setzt die Landesregierung auch an: Nur jeder dritte frei werdende Posten im Land soll nachbesetzt werden. 700 Landesanstellungen weniger werde es bis zum Ende der Legislaturperiode geben. 2012 kommt auf die 8.000 Landesbediensteten eine Nulllohnrunde zu.

500 euro

http://www.flickr.com/photos/matze_ott/

Der Bildungsscheck zur Berufsreifeprüfung wird verringert, ebenso die Zahlungen für Arbeitsmarktprojekte.

Unter dem Motto "Yes we care" präsentierte die Gesundheitslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder die Strukturreform des Spitalswesens: Geschlossen wird das Krankenhaus Hörgas-Enzenbach. Elf Prozent der Spitalsbetten werden eingespart. Abteilungen werden zusammengelegt oder geschlossen, fachmedizinische Zentren sollen entstehen.

Durch die Umsetzung der bedarfsorientierten Mindestsicherung wird der bereits abgeschaffte Angehörigen-Regress wieder eingeführt. Regress bedeutet, dass Kinder, Eltern und Großeltern ab einem Nettoeinkommen von 1.500 Euro zahlen müssen, wenn Anspruchsberechtigte etwa im Pflege- oder Altersheim sind und deren Besitz nicht ausreicht, um für die Kosten aufzukommen. Dann greift das Land auf das Einkommen und das Vermögen der nahen Verwandten zurück. Und zwar ab 1. August. Mit Beginn 2012 betrifft der Regress auch jene Menschen, die bereits jetzt in Heimen sind. Sozialminister Hundstorfer war verärgert über diese Pläne und wollte erst Einspruch erheben, passiert ist dies jedoch nicht.

Im Kulturbereich wiegen die Einsparungsbrocken beim Universalmuseum Joanneum und der Theaterholding schwer. Das Naturkundliche Museum des Universalmuseums Joanneum wird erst 2013 eröffnet und die Feierlichkeiten zum 200jährigen Jubiläum fallen weniger aufwändig aus, als geplant. Das junge Festival "regionale", das als einziges großes Festival nicht in Graz konzentriert ist, sondern im und am Land stattfindet, wird um zwei Millionen Euro beschnitten.

Damit könnte es jedoch nicht genug sein: Bei anderen großen Festivals könnten Kürzungen noch bevorstehen: Durch mehrjährige Verträge sind sie bis dato noch stabil. Bei den anstehenden Vertragsverlängerungen im nächsten Jahr könnte es jedoch anders aussehen.

Rund 200 Kulturinitiativen gibt es in der Steiermark, die seit Jahrzehnten am Rande der Selbstausbeutung Programm machen. Seit Monaten bemerkt man eine Art Schockstarre, denn unklar war - und zu einem gewissen ängstlichen Grad ist es das nach wie vor -, ob auch hier der 25 Prozent-Rotstift bei den Subventionen angesetzt wird. Bei den "Kleinen" wolle er nicht sparen, verkündete Kulturlandesrat Christian Buchmann. Betrachtet man das Budget des vergangenen Jahrzehnts, so haben diese Kulturinitiativen bereits zehn Prozent verloren. Davon abgesehen gibt es in der Kulturszene noch andere, die für einzelne Projekte oder um eine Jahresförderung ansuchen, und zittern müssen.

Die Sparmaßnahmen könnten auch das Ende für den steirischen „Falter“ bedeuten. Die Kultur Service Gesellschaft Steiermark (KSG) hat die Basissubventionierung nicht verlängert. Die zweite Kooperation der KSG mit dem Programmblatt der Kleinen Zeitung, „Sieben Tage“, wurde ebenfalls eingestellt.

Heute: Protest

Wie will man für mehr Geld für Kunst und Kultur argumentieren, wenn im sozialen Bereich bei Behinderten Unterstützung eingespart wird?
"Es geht in dem Fall überhaupt nicht mehr um Einzelbereiche", sagt Anita Hofer von KiG! Kultur in Graz. "Wir haben uns zusammengetan und eine große Plattform gegründet." Über 518 Organisationen bilden die Plattform25, die zu einer Demo gegen das geplante Landesbudget aufruft. Los geht es heute um 15 Uhr auf dem Grazer Südtiroler Platz, gegen 16:30 wird die Abschlusskundgebung am Hauptplatz erwartet.

Flyer der Demonstration gegen das geplante steirische Landesbudget

Plattform25.at

"Ich würde nicht auf die Barrikaden steigen für die Kultur, um zu sagen: Spart's nur bei uns nicht! Sondern lieber bei den Anderen! Sondern unser Argument ist, dass Kultur ein ganz wichtiges Lebensmittel ist, das allen zukommen sollte und nicht wenigen. Es ist die Grundlage für kritisches Denken, für ein selbstbestimmtes und sinnstiftendes Leben", so Hofer, die auch Vorsitzende der IG Kultur ist. Die Interessensvertretung hat prophylaktisch ihre eigenen Minus-25-Prozent-Rechnungen angestellt: gefährdet wären demnach 1.800 Angestellte im Kulturbereich (ganz zu schweigen von prekären Positionen). Da kann man durchaus Parallelen zu großen Konzernniederlassungen ziehen. In Krisenzeiten wird der Faktor Wirtschaftlichkeit hervorgestrichen.

Warum zur Abwechslung nicht mehr fordern? Die Onlinepetitionen für Erhöhungen der Mittel im Sozial- und Kulturbereich, initiiert von der IG Kultur, stagnieren.

Die "Reformmaßnahmen" der Landesregierung für das Doppelbudget erfassen alle Bereiche. Dementsprechend divers ist das Spektrum der Organisationen, die den Protest unterstützen: Von sozialen Initiativen, Frauenplattform, Jugenddachverbänden, verschiedenen Betriebsräten, aber nicht der Gewerkschaft, zur ÖH und Attac.

Kommt der Protest zu spät? Daran, dass die Regierung von ihrem gefassten Entschluss abweichen und das Budget nicht wie geplant im April beschließen wird, denkt kaum jemand realistisch. Allerdings wird vielen erst allmählich klar, dass sie persönlich betroffen sein könnten.