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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

24. 3. 2011 - 22:29

Der Schmäh mit 3D

Nintendo erweitert seine tragbare Spielkonsolenfamilie DS um einen ganz netten 3D-Effekt. Das ist auf den ersten Blick unspektakulär, sollte aber auch nicht unterschätzt werden.

"Der 3D-Effekt ist nur auf dem Nintendo 3DS sichtbar. Die Screenshots sind nur zweidimensional." - Dieser Satz steht auf nahezu allen Seiten des Promotion-Begleitheftchens, das anlässlich der Veröffentlichung von Nintendos neuer mobilen Konsole verteilt wird. Das mit dem freien Auge wahrnehmbare 3D-Bild ist das einzige wirklich neue Feature in der bereits vierten Neuauflage der kleinen Doppelbildschirmkonsole aus dem Jahr 2004. Dementsprechend groß ist die Sorge des Herstellers, dass bei der - so gut wie immer zweidimensional stattfindenden - Promotion davon niemand wirklich Notiz nehmen würde.

Erste Ernüchterung

Die Präsentation des 3DS vom vergangenen Januar in Amsterdam: "Drei Dimensionen für ein Halleluja" (news.ORF.at).

Doch auch, wenn mans dreidimensional sieht: Der erste Kontakt mit dem 3DS fällt unspektakulär aus. Das Gerät liegt genauso in der Hand wie seine älteren Brüder, der neu hinzugekommene Analog-Stick ist willkommen, aber unaufregend und der als Sensation angepriesene 3D-Effekt weit von einer "Wow"-Reaktion entfernt. Man schraubt ein bisschen an dem stufenlos regelbaren 3D-Schieber herum, bis der durch Doppelbilder erwirkte Tiefeneffekt die Augen austrickst.

Ein aufgeklappter Nintendo 3DS. Auf dem oberen Bildschirm sind zwei Mii-Charaktere zu sehen. Der rechte (weiblich) sagt: "Ich bin tantejutta! Meine Heimat: Wien".

ORF.at/Nadja Igler

Die sozialen Funktionen des neuen DS wurden ausgebaut, sind aber immer noch etwas behäbig in der Bedienung.

Auch spielerisch wird das Übliche geboten, wobei anlässlich der Europa-Veröffentlichung des Gerätes (Freitag, 25. März) erst mal nur ein Grundgerüst an Games verfügbar ist. Direkt von Nintendo gibt es eine Neuauflage der Hundestreichelsimulation "Nintendogs" (and Cats!) sowie "Pilotwings Resort", das eine Art vertieftes "Wii Sports" mit diversen Fluggerätschaften ist. Ubisoft schickt seine üblichen Serien ins Rennen (Tom Clancy, Raving Rabbids und den verstaubten Rayman), Capcom liefert eine verblüffend unterhaltsame "Street Fighter IV"-Version für Fighting-Games-Amateure, bei denen man die Special Moves per einfachem Tastendruck ansteuern kann.

Der Nintendo-Effekt

Die US-amerkanische Games-Comedy-Truppe Mega64 hatte den 3DS schon öfter auf der Schaufel: [1], [2], [3].

Ein voller Schuss ins Knie also - käme es nicht von Nintendo. Die Videospielveteranen aus Kyoto gehen in ihrer Arroganz sogar so weit, dass sie in jüngsten Interviews und Präsentationen den immer größer werdenden und hochdynamischen Markt der Apps für Smartphones und Tablets komplett vom Tisch wischen. Erstens würden dabei viel zu schludrige und uninspirierte Games entwickelt werden und zweitens sei das sowieso ein völlig anderer Markt. Nintendo wüsste, dass das Gros der User weiterhin lieber Straßenläden und Elektronikgroßmärkte besucht und sich dort Software in Form von verpackten Plastikhüllen kauft, in denen winzige Spielecartridges stecken - anstatt Games aus dem Netz runterzuladen.

So unsympathisch Nintendo in dieser ignoranten und sturen Strategie wirkt: diese Firma hat schon mehr als einmal allen analytischen Besserwissern gezeigt, dass man auch ohne brave Marktforschung und hysterische Trendanalysen zum Ziel kommen kann. Als Anfang der 1980er Jahre die damals im Games-Markt noch junge Firma eine neue Videospielkonsole eingeführt hat - kurz, nachdem dieser komplett zusammengebrochen war - haben alle nur den Kopf geschüttelt. Heute ist der Famicom bzw. das NES die legendärste Konsole überhaupt.

20 Jahre später das selbe Spiel: Überall hört man 2006 das Gekichere und Gegluckse über dieses neue Gerät mit dem lustigen Namen Wii, das man mit einer Fernsteuerung bedient. Wenige Monate später erobert die Bewegungssteuerungskonsole auch Wohnzimmer, die zuvor noch nie Videospiel-Hardware gesehen haben. Mit so einer unorthodoxen Erfolgsgeschichte kann schon mal ein auf den ersten Blick unscheinbarer 3D-Effekt nachhaltige Wirkung hinterlassen - auch, wenn es gegenwärtig nicht so scheint.

Das heben wir uns für später auf

Erfolg hin oder her: Aktuell ist der 3DS ein Gerät, das durchaus Charme hat, aber mit seinem stolzen Preis von rund 250 Euro sein Geld eindeutig nicht wert ist - noch nicht. Auch die Spiele sind nicht billig: ein Titel kostet zwischen 40 und 55 Euro - viel Geld für zumeist laue Neuauflagen bekannter Ideen und Serien.

Der 3DS ist rückwärtskompatibel - das heißt, ältere DS-Spiele funktionieren - aber es können keine neuen Games zwischen den drei Hauptregionen Nordamerika, Europa und Japan getauscht werden.

Bekommt man jedoch das Gerät ein paar Stunden zum Testen in die Hände, wird man bestens unterhalten. Die eingebaute Augmented-Reality-Software lässt einfache Fotos zu wild im Raum herumfliegenden, animierten Monstern werden ("Face Raiders") und auf beigelegten Spielkarten, die wir auf den Tisch legen, wachsen - durch die Augen unseres 3DS - plötzlich aufregend räumlich dargestellte virtuelle Welten. Manche Kaufspiele, wie etwa der gelungene Racer "Asphalt 3D", erzeugen nach anfänglicher Gleichgültigkeit später doch einen angenehmen Immersionseffekt - man fühlt sich tatsächlich ein bisschen ins Spiel hineingezogen.

Alle technischen Details zum Nintendo 3DS finden sich auf help.ORF.at.

Die Online-Funktionen des 3DS sind derzeit noch stark beschränkt. Ein Browser wird erst in späteren Software-Updates nachgeliefert, und ob es wirklich so sein wird, dass wir via der "StreetPass"-Funktion durchs einfache Herumspazieren und trotz zugeklapptem Gerät neue Freund/innen treffen, die uns dann kurze Zeit später als Mii vom Bildschirm entgegenlachen, wird sich erst Monate nach der Veröffentlichung weisen.

Ein junger Mann, sitzend, der auf eine vorbeigehende junge Frau schaut, die eine weiße Tasche trägt, in der ein Nintendo 3DS steckt.

Nintendo

Hätt' er wohl gerne.

Was bleibt, ist ein neuer DS, der beim jetzigen Preis-/Leistungsverhältnis ein Luxusgerät ist, mit dem Poser nicht zufriedenstellend angeben können (zu kindisch und zu wenig sexy Technik) und Vielspieler/innen aufgrund von noch fehlender Software schnell frustriert sein werden. Es ist so, wie fast immer bei der Einführung neuer Spiele-Hardware: Die anfängliche Beobachtung von Entwicklung und Verbreitung des jeweiligen Gerätes ist interessanter als die direkte Beschäftigung damit.