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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

23. 3. 2011 - 20:39

Der Markt wird's schon regeln

Die Vorgaben zur Regelung der Netzneutralität sind von Seiten der EU sehr liberal ausgefallen. Man hofft auf faire Produkt- und Preispolitik seitens der Internet Provider.

"Die Netzneutralität ist eine Materie mit vielen unterschiedlichen Aspekten. Ich erwarte auch nicht, dass es für dieses Problem in absehbarer Zeit eine Patentlösung geben wird."

FM4 Schwerpunkt: Netzneutralität

Das sagt Georg Serentschy in einem Interview mit Günter Hack von news.ORF.at im Dezember des Vorjahres. Serentschy ist der Geschäftsführer des Telekombereichs der österreichischen Regulierungsbehörde RTR. Also jemand, der genau wissen müsste, was zu tun ist, damit weiterhin ein offenes, freies Internet besteht.

Doch das Wesen der Netzneutralität lässt sich nicht gut in Gesetze und Regulierungen ausdrücken. Es ist juristisch schwer greifbar. Alle Daten sollen gleich behandelt und nicht priorisiert werden, weil darauf das Internet basiert und das immer schon so war - eine auffallend detailliertere Beschreibung von Netzneutralität gibt es nicht. Wie gießt man so ein Prinzip der sozialen, gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Fairness in nationalstaatliche Gesetze? Schon seit ein paar Jahren findet zu dieser Frage Länder- und Kontinent übergreifend ein Kräftemessen zwischen Befürwortern und Gegnern statt.

Zähes Vorankommen innerhalb der EU

Die EU hat Ende 2009 unter schwierigen Voraussetzungen das sogenannte Telekom-Paket beschlossen. Es ist eine ziemlich liberale Richtlinie. Demnach haben die Nationalstaaten weitgehende Freiheit, was die jeweilige Umsetzung der Richtlinie im eigenen Land betrifft. Das Grundprinzip des Telekom-Paketes in Bezug auf Netzneutralität besagt: Der Markt wird’s schon regeln. Die einzige festgeschriebene Prämisse ist, dass die Internetanbieter innerhalb der EU das Wesen ihrer Produkte ausweisen müssen. Jeder Internet Provider muss klar ersichtlich machen, was er (nicht) anbietet oder verlangsamt.

Bis Mai 2011 müssen die EU-Staaten auf nationaler Ebene die Gesetze beschließen. In Österreich steht dieser Beschluss noch bevor. Einfach wird die gesetzliche Verankerung der Netzneutralität nicht werden - weil es sich um ein komplexes Thema handelt und auch, weil viele Parteien daran beteiligt sind, die unterschiedliche Stellungnahmen abgeben werden: Mobilfunkkonzerne, Kabel-TV-Anbieter, kleinere Internet Provider, User-Groups, Konsumentenschützer, usw.

Technologieneutral und damit nachhaltig

Weiterlesen:
news.ORF.at über die "Neuordnung des Telekommarkts" (Artikel vom 6.12.2010).

Eine Hauptkritik am Telekom-Paket ist, dass es in Bezug auf eine tatsächliche Regulierung so gut wie gar nicht eingreift und so keinen wirklichen Schutz gegen die Verwässerung des Prinzips der Netzneutralität bieten würde. Die Ausrichtung des Pakets liegt einerseits im Umstand begründet, dass zum jetzigen Zeitpunkt starke Verletzungen der Netzneutralität aus wirtschaftlichen Gründen noch kaum stattgefunden haben sondern derzeit nur ein sehr plausibles Szenario sind. Das ist auch die offizielle Meinung der EU vom vergangenen November. Andererseits: auf proprietären Systemen wie Apples iOS oder auf Videospielkonsolen wird schon seit Jahren genau vorgegeben, was erlaubt ist und was nicht.

Der wichtigste Grund für die eher zurückhaltende Ausrichtung des Telekom-Pakets ist aber die Nachhaltigkeit. Die EU möchte in technischen Belangen nur Richtlinien beschließen, die technologieneutral und damit über mehrere Jahre hinweg relevant sind - auch dann, wenn die vernetzte Welt Dank des technologischen Fortschritts und des Infrastrukturausbaus in zehn Jahren wohl ganz anders aussehen wird als heute.