Erstellt am: 23. 3. 2011 - 19:02 Uhr
Small Screen Stories: Tanz
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Menschen, die im Musikvideo tanzen? Eigentlich der Normalzustand, und somit eher das Gegenteil von dem, was diese Kolumne üblicherweise propagiert. Aber bei aller Liebe zu Stop Motion-Spektakeln oder aufwändigen Musikkurzfilm-Dramen: Die Reduktion aufs Wesentliche kann natürlich auch ihren Reiz haben.
Beweismittel A, wie Aloe Blacc. Der kalifornische Rapper und Musiker, der in seiner aktuellen Reinkarnation als klassischer Soul-Crooner jetzt endlich den wohlverdienten Weltruhm einstreift, hat in den bisherigen Videos aus dem Albums Good Things eher auf Handlung gesetzt. Der neueste Clip stellt ihn im schicken Anzug vor weißen Hintergrund - und Aloe darf ebenso mit ungeahnten Tanzschritten auftrumpfen wie der heimliche Star des Videos: Baby Boogaloo.
Bonus: Tanzstunden mit James Brown
Als Radiohead die Welt kürzlich mit einer neuen Platte überraschten, ging uns zeitgleich auch ein Video in die Netze. Es zeigt nicht mehr und nicht weniger als Thom Yorke beim freudigen Ausdruckstanz, der langsam in einen Auszucktanz übergeht. Die immer sprücheklopfende Netz-Gemeinde hatte dafür auch einiges an Häme übrig, denn cool ist das natürlich nicht. Deshalb stehen (vermeintlich) coole Leute bei Tanzveranstaltungen auch am liebsten daneben und schauen unbeeindruckt zu. Ich hingegen finde so sichtbare Begeisterung und Leidenschaft ja durchaus schön anzusehen - in Maßen.
Wie schon weiter oben erwähnt: wenn man aufgrund der zwei obigen Anlässe die Erinnerung nach Tanz-Videos durchstöbert, bemerkt man, dass es davon zwar viele gibt, aber wenige herausragende. Der Hauptdarsteller eines Beispiels dieser seltenen Spezies ist Christopher Walken. Er hatte zu Beginn seiner Karriere tatsächlich Musical-Tanz gelernt, und führt seine Schritte hier quer durch eine schmucke Luxushotellobby überaus gekonnt vor - nachdem er die ersten 40 Sekunden komplett ungerührt im Ledersessel gesessen war.
Apropos: Fast schon an die goldene Ära der epischen Technicolor-Musicalproduktionen aus Hollywood gemahnt das nun folgende Björk-Video. Wie da auf "Riot!" Einsatz plötzlich Roboter, Postkastl und Regenschirme in wilde Choreographien ausbrechen - sehr schön!
Bonus Beat:
Mit Tanz hat das genau gar nichts zu tun, dafür mit großer Kunst an der Schnittstelle Video/Musik. Wie schon vor zwei Jahren erstmals vorgeführt, bringt der israelische Multiinstrumentalist Kutiman wieder auf Youtube entdeckte Solo-Musiker zu einer virtuellen Session zusammen. Die Collage geht über den reinen Noveltyfaktor weit hinaus, weil sie mit unglaublichem musikalischen Gefühl zusammengesetzt ist. Wäre es vermessen zu behaupten, dass Netzvideosampling eine der ersten genuinen neuen Kunstgattungen des 21. Jahrhunderts ist?