Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Clemens Setz zaubert"

Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

24. 3. 2011 - 11:00

Clemens Setz zaubert

Der Wortlautjuror über das Spannungsfeld zwischen totaler Begeisterung und totaler Enttäuschung, den Zusammenhang von Mathematik und Zauberei und die Faszination des Magischen.

Der 28-jährige Clemens Setz ist Autor, Germanist, Mathematiker.
Für seinen ersten Roman "Söhne und Planeten" ist der damals 25-Jährige 2007 auf der Shortlist für den Aspektepreis für das beste deutschsprachige Debüt, 2008 nimmt er beim Wettlesen um den Bachmannpreis teil und gewinnt dort den Ernst Willner Preis. 2009 schafft er es mit seinem Roman "Die Frequenzen" auf die Shortlist für den deutschen Buchpreis und erhält 2010 den Bremer Literaturpreis. Vergangene Woche hat Clemens Setz für seinen Erzählband "Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes" den Leipziger Buchpreis gewonnen.

"Es ist etwas, was mich selbst kindlich und kindisch macht", erzählt Clemens Setz über das Zaubern. Es sei etwas sehr Belebendes und Elektrisierendes. "Die totale Begeisterung und die totale Enttäuschung sind ganz nah beieinander. In dem Spannungsfeld bewegt sich meistens der Zuschauer und der Performer von Magie."

Vergangene Woche wurde Clemens J. Setz für seinen Erzählband "Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes" mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Mystisch und magisch geht es mitunter in seinen Geschichten zu. Die Magie und das Zaubern faszinieren ihn schon lange: "Schon als Kind habe ich so einen Zauberkasten gehabt. Ich wollte immer verstehen, wie's funktioniert. Eigentlich geht's ja darum: man staunt - wie geht das? Andererseits hat man Scheu, das wirklich zu erfahren. Wenn man's erklärt bekommt, ist die Welt plötzlich einfach, erklärbar, grau und langweilig." Es sei ein komischer Impuls, wissen zu wollen, wie ein Trick funktioniert. Dennoch sei es widerlich, wenn jemand einen Trick erklärt - gar mit Diagrammen.

Zaubern und Mathematik

Clemens Setz hat in Graz Germanistik und Mathematik studiert. Mathematik sieht er keineswegs als das Gegenteil von Zauberei, vielmehr gebe es in der Germanistik das Erklären der Zaubertricks. Da gebe es einen Text und man denkt sich "Wow, wie ist sowas möglich? Wie kann man sowas schreiben? Und dann redet man eine Stunde drüber und dann denkt man sich 'ok, jetzt haben wir alles gesagt' und irgendwie hat man das Gefühl, es ist alles so erklärt."

Jedenfalls sei die Tendenz da - in der Mathematik hingegen sei das anders, weil man sich in erster Linie mit Dingen beschäftigt, die nicht wirklich in der Realität vorhanden sind. "Die meiste Mathematik ist doch eher ein Schachspiel mit Symbolen und mit neu eingeführten Begriffen und Objekten - und, dass sie reale Vorstellungskraft und auch das Leben von Menschen beeinflussen kann, ist schon eine merkwürdige magische Übertragung - eine spukhafte Fernwirkung, wie Einstein das mal genannt hat - in einem völlig anderen Kontext."

Mehrmals betont er, dass er nicht besonders gut zaubern kann, es sei wirklich nur ein Hobby. Ihn als Zauberer zu bezeichnen, sei falsch. "Ich mache Zaubertricks, bin aber kein Bühnenmagier oder sowas."

Auf YouTube sieht man, wie er einen kleinen Dinosaurier verschwinden lässt oder Löffel verbiegt.

"lame" hat jemand unter das Video aus dem Jahr 2007 geschrieben.
Und Clemens Setz ergänzte diese Kritik mit den Worten "I know".

Was Clemens Setz wirklich gern zaubern könnte: "Ich würde gern wirklich gute Hypnosetricks machen können. Die sind oft sehr komplex und brauchen auch ein besonderes Training in Bühnenpräsenz und Suggestion. Das ist eine wirklich großartige Kunst, die auch nur wenige wirklich gut können."

Einen hilfreichen Zauberspruch als solchen benützt er allerdings nicht: "Ich sag immer: Schau, schau genau hin, schau! Das sage ich sehr oft. Das ist ja auch das, was Prosa sagt: Schau hin, schau her, schau genau hin, dieses Detail ist dafür da. So wie Richard Ford gesagt hat, was ein Roman ständig flüstert, ist 'Pay attention! Pay attention!'. In gewisser Weise sind die zwei Diskurse verwandt."

Wortlaut 2011

wortlautlogo

fm4

Clemens Setz ist Juror bei Wortlaut, dem FM4 Literaturwettbewerb .

Alle Infos unter fm4.orf.at/wortlaut.

Genau hinschauen wird Clemens Setz als Wortlautjuror. Wettbewerbe mag er, kennt sie sowohl von der Seite als Teilnehmer als auch als Jurymitglied, beim Preis der Akademie Graz und dem Bremer Literaturpreis.

"Natürlich weiß ich, dass das dem Künstlerischen auch widerspricht - man möchte ja nicht verglichen werden und man kann ja auch nicht verglichen werden mit anderen. Aber, wenn man das nicht so todernst sieht, sondern als Idee, als Spiel, dann gibt's halt einen Gewinner und ein paar, die nicht gewonnen haben. Man muss es ja nicht existentiell wichtig nehmen."

Er jedenfalls "freue sich schon sehr" auf seine Tätigkeit als Wortlautjuror - "auf die Texte - ich bin wirklich gespannt, was da kommt. Man kann es ja überhaupt nie wissen. Und ich freu mich auch schon auf die Diskussion mit den anderen. Das ist auch immer lustig, wenn man die völlig andere Lesart von anderen Autoren und Juroren kennenlernt."

Anmerkung für diejenigen, die glauben, keine Zeit zum Schreiben zu haben: Während seines Mathematikstudiums hatte Clemens Setz eine sehr intensive Zeit an der Uni. Von der Früh weg bis zum Abend war er auf der Uni. Das Schreiben kam viel zu kurz. "Da hab ich dann gemerkt, dass mir die Zeit fehlt für das (Schreiben). Dann bin ich einfach mal zwei Stunden früher aufgestanden - um 5 Uhr in der Früh. Dann hab ich zwei Stunden was getan - geschrieben und bin dann auf die Uni gefahren. Und so habe ich das beibehalten. Das ist etwas, was nur mir gehört. Ich denke an niemanden und bin in meinem kleinen Universum." Wenn es irgendwie geht, soll man sich jeden Tag mit dem Schreiben beschäftigen, auch wenn es nur kurz ist, meint er. "Man kann keine wirklichen Ratschläge geben, aber das wäre tatsächlich ein Ratschlag, den ich fast jedem Autor geben wollen würde: Also auch wenn es nur Recherche ist, lesen oder Reisen - aber einfach das tun. Immer."