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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

20. 3. 2011 - 18:57

Post Mubarak

Ägypten nach der Revolution. Ich war mit dem Goethe-Institut in Kairo und Alexandria, um die ersten Konzerte zu spielen.

Wer sich im Berufsfeld "Deutsche Popmusik" betätigt, der kommt außerhalb von Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht viel rum. Deshalb ist das Goethe-Institut unter deutschen Musikern auch so beliebt, weil es Auftrittsmöglichkeiten in aller Welt bietet. Aber während unter den Kollegen in den letzten 20 Jahren jeder, wirklich jeder Hampel und jede noch so uninteressante und heute längt vergessene Band schon mal mit dem Goethe-Institut in Russland, Südamerika oder Japan war, hatte ich selbst in den letzten 20 Jahren auf wundersame Weise keine einzige Einladung erhalten.

Um so größer war die Freude, als um Weihnachten herum endlich eine Einladung nach Kairo ins Haus flatterte. Mitten in der schönsten Vorfreude aber begannen die Unruhen in Tunesien, dann griff die Revolution auf Ägypten über. Die deutschen Institutionen und Mitarbeiter verließen das Land und die Reise schien erst einmal auf unbestimmte Zeit verschoben.

Bei aller Freude über den Volksaufstand kamen doch auch recht egoistische Gedanken auf: Könnt ihr nicht mal vorwärts machen mit eurer Revolution? Kann Mubarak nicht endlich mal zurück treten, damit der Auftritt am 18. März doch stattfinden kann?

Graffity in Kairo

FM4 / Christiane Rösinger

Aber wer viel Pech hat, hat irgendwann auch mal Glück und so konnten wir mitten im ägyptischen Frühling nach Kairo und Alexandria reisen. "Ägypten ist ein anderes Land geworden", hatte die Dame vom Goethe-Institut geschrieben, es herrscht ein großer Diskussionsbedarf, man redet viel über Politik, über die Vorstellungen einer gerechten Gesellschaft, alles ist offener und freier. Wer des Arabischen nicht mächtig ist, kann mit den Einheimischen leider keine großen politischen Diskussionen führen und doch merkt man auch bei jedem noch so kurzen auf Englisch geführten Gespräch mit dem Taxifahrer, was für eine Euphorie über dem Land liegt. "Mubarak is gone", erzählen sie freudestrahlend, "After only 22 days gone!" Und wenn man an dem großen Kreisverkehr in Downtown Kairo, dem berühmten Tahrir-Platz angelangt ist, rufen sie begeistert: "Tahrir Square! 100.000 People! No Cars!"

Nach dem ersten Konzertabend in Alexandria gibt es im Gespräch mit einer Gruppe etwa zwanzigjähriger Ägypter zwei Lager. Die einen, die ein bisschen angeben mit ihrer Revolutionserfahrung, Geschichten erzählen, wie gefährlich es war, wie sie in der ersten Reihe mit gekämpft haben. Und die anderen, die ängstlich in die Zukunft blicken - das Land sei unsicherer geworden, man wisse nicht, was komme. Davon berichten auch die Mitarbeiter des Goethe-Instituts und die deutschen Konzertbesucher. Bei aller Freude über die Revolution und dem Grundgefühl "Das ist jetzt unser Land", würden sich doch viele Ägypter unsicher fühlen. Vorher war die Polizei allgegenwärtig, man achtete sehr darauf, was der andere macht, während der Revolution war die Polizei auf einmal verschwunden, und die Leute bildeten Bürgerwehren und bewaffneten sich mit Macheten und Gewehren. Gleichzeitig wurden vom Mubarak-Regime auch Geheimpolizisten losgeschickt, um Unruhe zu stiften.

Unser Auftritt in Kairo wäre fast ausgefallen, weil die Ägypter am Sonntag über eine neue Verfassung abstimmen sollten. Das Goethe-Institut in Kairo liegt nur einige Minuten vom Tahrirplatz entfernt und man befürchtete, dass die unzufriedenen Mubarakgetreuen diesen Tag nutzen würden, um Unruhe zu stiften. Das Goethe-Institut war auch in den letzten Wochen geschlossen gewesen und unser Konzert sollte das erste sein in den Januartagen. Trotzdem kamen einige Zuhörer, darunter sehr viele interessierte Frauen und auch meine Bedenken, dass Lieder wie "Faible für Idioten" oder "Die Pärchenlüge" in diesem Kulturkreis mit seinem noch ganz anderen Verständnis von Geschlechterverhältnissen fehl am Platze sind, wurden schnell zerstreut. Liebe und Partnerwahl sind doch universelle Themen und vor allem die weiblichen Besucher schienen sich über die Lieder zu freuen. Und gerne hätte man mal all die deutschen Ignoranten mit ihrer grundfalschen Gleichung "Kopftuch gleich Islam gleich Unterdrückung der Frau" hier her geführt, um ihren islamophobisch verengten Gesichtskreis ein wenig zu erweitern.