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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

19. 3. 2011 - 08:56

Zauberhafte Zaubereien

Sylvain Chomet, der Poet des Old-School-Animationskinos, betört erneut mit seinem neuen Film "L'illusionniste".

Ich glaube, "Ratatouille" war der ausschlaggende Film, bei dem ich kapitulierte. Es handelte sich allerdings um eine euphorische, jauchzende Kapitulation, ein heftig fahnenschwingendes Überlaufen in das Lager des einstigen Feindes.

Viele Jahre hatte ich mich zuvor gegen das digitale Animationskino gewehrt, so wie auch gegen den CGI-Siegeszug im Genrekino.

Sozialisiert mit sämtlichen Disney-Klassikern, aber natürlich auch mit den wahnwitzigen Looney Tunes, mit Hanna-Barbera-Serien und europäischen Cartoonkünstlern wie Bruno Bozzetto, fasziniert von der überwältigenden Tiefe eines Hayao Miyazaki, aber auch begeistert vom trashigen South-Park-Stil ekelte mich die sterile Festplatten-Ästhetik, die ab den mittleren Neunzigern ihren Siegeszug antrat, einfach an.

Aber irgendwann gab es dann nicht nur einen deutlich sichtbaren technologischen Quantensprung. Der erste Teil der "Shrek"-Saga oder "The Incredibles" erwiesen sich auch storytechnisch als begeisternde Schlüsselerlebnisse. Mittlerweile spielen die Pixar Studios auch für meine Wenigkeit in der Königsklasse des amerikanischen Gegenwartskinos mit.

L'Illusionniste

Polyfilm

Diese Meinung teilt auch Regisseur Sylvain Chomet, der das wunderbare Roboterabenteuer "Wall-E" als seinen liebsten Animationsfilm nennt. Dabei gilt der 48-jährige Franzose selber als wichtigste künstlerische Gegenstimme zu Pixar, Dreamworks oder den Blue Sky Studios. Chomet ist der versponnene Poet des Old-School-Zeichentrickfilms, ein tragikomischer Geschichtenerzähler, der sich an ein erwachsenes Publikum richtet.

Mit der skurrilen Radfahrergroteske "Les Triplettes De Belleville" gelang Sylvain Chomet nicht nur ein Geheimtipp für Freunde des unkonventionellen Animationskinos. Der handgezeichnete Streifen wurde auch zu einem weltweiten Arthouse-Erfolg. Was dem in der französischen Provinz lebenden Regisseur, Autor und Soundtrackkomponisten ermöglichte, ganze vier Jahre an seinem Nachfolgewerk zu arbeiten.

"L'illusionniste" verzichtet dabei fast gänzlich auf den surrealen Witz, der noch zu "Les Triplettes De Belleville" gehörte. Der verbliebene Humor ist sanfter, zurückhaltender, aber auch von einer konstanten Melancholie durchzogen. "Der Illusionist" ist eine Verbeugung vor tollpatschigen Lebenskünstlern in Zeiten unerbittlicher kultureller Umbrüche.

L'Illusionniste

Polyfilm

Im Paris des Jahres 1959 gibt ein alternder Zauberkünstler seine letzte Vorstellung in seinem Stammtheater. Die Zeiten haben sich geändert, die Leute wollen Rock'n'Roll-Bands sehen und keine weißen Hasen, die aus Hüten gezogen werden. Der wortkarge Mann hält sich fortan mit kleinen Engagements mühevoll über Wasser.

Im fernen Schottland findet der Illusionist einen Moment lang Ruhe. Ein kleines Mädchen beobachtet fasziniert seine billigen Tricks, irgendwann entwickelt er soetwas wie väterliche Gefühle für das Kind. Aber auch diese ungleichen Freundschaft scheint ein Ablaufdatum zu haben.

Tatischeff heißt der Zauberer, eine Anspielung auf den bürgerlichen Namen des legendären Komikers Jacques Tati, dem sich dieser Film verdankt. Sylvain Chomet verfilmte ein unveröffentlichtes Drehbuch des berühmten Franzosen und bemüht sich dessen speziellen Spirit auf die Leinwand zu bringen. "L’illusionniste" ist eine Komödie über das Scheitern geworden, über das Verlieren, das Abschiednehmen. Unaufdringlich hat Sylvain Chomet auch dezidierte Kapitalismuskritik in seinen weiterhin überwiegend handgezeichneten Streifen eingebaut.

Vor allem ist dieser Film aber ein Wunderwerk der betörenden Bilder, wehmütiges Animationskino, das mitten ins Herz trifft.

L'Illusionniste

Polyfilm