Erstellt am: 17. 3. 2011 - 18:30 Uhr
Glückwunsch!
Er war schon überrascht, dass er für seine Erzählung "Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes" auf der Shortlist zum Preis der Leipziger Buchmesse gelandet ist. Beim Deutschen Buchpreis in Frankfurt 2009 war es für "Die Frequenzen" noch bei einer Shortlist-Nennung geblieben (Ehre genug!), heute stand in Leipzig tatsächlich sein Name im Umschlag.
dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt
Ich habe Clemens Setz vor seiner Abreise nach Leipzig zum Interview getroffen:
Clemens, wie hat sich dein Leben als Schriftsteller so entwickelt in den letzten Jahren?
Clemens Setz: Ich war 2007 oder 2008 als Schriftsteller noch ein Kind. Das bedeutet, ich wollte eigentlich von allen geliebt werden und habe mit Irritationen auf Liebesentzug reagiert. Jetzt bin ich tatsächlich schon in einer pubertären Phase. Ich bin froh und spüre da auch richtig was und fühle mich lebendig, wenn Leute darüber wütend werden, was ich mache. Es ist auch gut, wenn sie das toll finden und ich freue mich über Lob und Interaktion und Diskussion. Sogar wenn sie sagen, das ist ja so obszön und krank, finde ich das ganz gut. Schlimm ist nur, und das ist typisch pubertär, wenn man ignoriert wird und alle sagen, damit kann ich gar nichts anfangen, das war langweilig. Dann ärgere ich mich auch noch. Damit kann man mich heute auch noch ärgern. Und wer weiß, vielleicht bin ich irgendwann völlig abgeklärt, handkemäßig, und mir ist alles völlig egal, die ganze Welt. Ich hoffe, dass das nie passieren wird. Ich hoffe, dass ich jetzt pubertär bleibe, sehr viele Jahre.
Wortlaut 2011
fm4
Clemens Setz ist auch Mitglied in der diesjährigen Jury zum FM4 Literaturwettbewerb Wortlaut.
Alle Infos unter fm4.orf.at/wortlaut.
Mit deinem Erzählband "Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes" bist du in der Tat einer, den man nicht einfach links liegen lassen kann. Das ist keine leichte Kost: Die Protagonisten sind gewalttätig, sadistisch, einsam, traurig, unsicher. Es ist ein bisschen geheimnisvoll, auf eine gewisse Art auch versponnen, und auch mit schönen Dingen können die Leute nicht umgehen. Was fasziniert dich an dieser düsteren Welt?
Die düstere Welt habe ich ja nicht erfunden, die ist ja zumindest Teil meiner Wirklichkeit. Es gibt ja unglaublich viel Gewalttätigkeit und auch verschiedene Spielarten von Gewalt. Gewalt kann ja zärtlich sein, kann Intimität bedeuten, kann aktionistisch gemeint sein, kann symbolisch sein und kann auch reiner Sadismus sein oder reine Befriedigung, was auch immer. Gewalt ist nicht etwas, was man einfach als Thema im Kopf hat. Sie erscheint manchmal in der Betrachtung von diesem Mysterium, mit dem wir ja jeden Tag konfrontiert sind, nämlich der Interaktion zwischen Menschen. Es ist für mich meistens sehr mysteriös, wie Leute untereinander funktionieren. Dieses Unverständnis, wie sie funktionieren, macht dann mich neugierig und macht dann auch Lust auf die Beschreibung dieser Sachen. Ich glaube, solange man neugierig auf menschliches Verhalten ist, wird man immer wieder auf Gewalt treffen.
suhrkamp
Mit dem Erzählband bist du für den Leipziger Buchpreis nominiert. Hast du damit gerechnet?
Nein. Ich hab das nicht erwartet, aber ich freue mich natürlich. Und jetzt bin ich ja auch schon Shortlist-erfahren. Jetzt war ich schon zwei Mal für einen Preis nominiert. Jetzt kenne ich das schon.
Weiß man denn schon vorher, wer den Preis gewonnen hat?
Nein, überhaupt nicht. Ich hab auch wirklich keine Ahnung, wer es kriegen kann. Ich habe meine Vermutung, ich habe meinen Favoriten. Das kann ich ja sagen, es ist der Wolfgang Herrndorf mit "Tschick". Aber das ist so ein Oskar-Moment: "And the winner is...", und dann steht halt der Gewinner auf und die anderen machen ihr Ich-freu-mich-so-für-dich-Gesicht. Das ist direkt, live, so wie auch in Frankfurt beim Deutschen Buchpreis. Dort ist es auch so, dass man als Autor anwesend sein muss, und dann wird erst der Umschlag ausgepackt und es wird der Name vorgelesen.
Und da hat aber jeder schon eine kleine Dankesrede vorbereitet, oder?
Mir ist jetzt nichts gesagt worden darüber. Damals beim Deutschen Buchpreis in Frankfurt schon, da hat man gesagt, man soll eine Dankesrede vorbereiten. Ich hab das aber auch nicht gemacht. Ich hab mir so ein bisschen was überlegt, was ich vielleicht sagen könnte, aber ich hab's wirklich nicht für wahrscheinlich gehalten. Und dann war ich's eh nicht, also war das dann nicht so schlimm.
dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt