Erstellt am: 17. 3. 2011 - 12:18 Uhr
What Did You Expect From The Vaccines?
Stell dir vor: meine liebsten Songs des Jahres 2011 sind alle auf einer einzigen CD drauf.
What Did You Expect From The Vaccines?
seit 14.03. als CD/Download via Columbia/Sony Music
Nein, ich hab mir nicht meine iTunes-Playlist auf CD gebrannt. Das Album gibts ganz offiziell zu kaufen.
Es heißt "What Did You Expect From The Vaccines?", ist die erste Platte einer Londoner Band namens The Vaccines, und der perfekte Soundtrack für die ersten warmen Tage im Jahr, wo du die Straße entlang springst und die ganze Welt umarmen möchtest.
Hör mal:
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Roger Sargent
Programm-Tipp:
The Vaccines und ihre vielschichtigen Einflüsse - am Sonntag, den 20. März stellen sie ihre Lieblingssongs vor:
- im FM4 Gästezimmer (irgendwann in FM4 Connected, 13 bis 17 Uhr).
Falls du jetzt zu faul zum Hören warst, oder noch ein paar Infos brauchst, oder so: Die Vaccines sind eine klassische Band. Also mit Gesang, Gitarre, Schlagzeug, Bass. Das, was sie machen, nennen sie selbst Rock'n'Roll. Mindestens ebenso wichtig sind für die Musik ein paar Folkeinflüsse und Songwriting im Stil von den Undertones oder den Ramones.
"Aha. Und?" fragst du jetzt.
Nix "und".
Weil die Vaccines die Musik nicht neu erfinden wie James Blake, der 2011 Pop mit Bassmusik kurzschließt. Oder wie Nicolas Jaar, der das Konzept Techno neu denkt. Oder wie die lustigen Kobolde, die sich alle paar Monate komplett neue Genres wie Witchhouse oder Chillwave aus den Fingern zaubern. Verglichen dazu sind die Vaccines konservativ wie Papst Benedikt.
Aber die Songs!
Trivia:
Sänger Justin Young war früher als Folksänger Jay-Jay Pistolet bekannt.
Gitarrist Freddie Cowans Bruder Tom spielt bei den Horrors.
Bassist Arni Hjörvar ist Isländer.
Drummer Pete Robertson ist seit Jahren mit Marcus Mumford von Mumford&Sons befreundet.
Elf Tracks sind auf dem Album. Und jeder einzelne davon ist ein unerhört guter Song. Große Pop-Refrains, die du schon nach einem Mal hören mitsingen kannst. Atmosphärische Landschaften, wo du am Ende des Songs so traurig bist, wie wenn du aus einem schönen Traum erwachst, weil du dich ärgerst, dass er vorbei ist. Jeder Song anders, aber jeder schreit laut Hit!.
Und das, obwohl jede einzelne Bandreferenz, jede mögliche Inspiration der Vaccines mittlerweile irgendwie schon schlecht riecht: das Geheimnis der Band heißt Rock'n'Roll. Ein Twist, der jedem der tollen Popsongs eine Art Dringlichkeit verpasst.
Thematisch gehts bei den Vaccines um das Große Dreigestirn britischer Teenagerbuben: hübsche Mädchen, Pubschlägereien und die große Liebe. Das alles aber nie dumpf, überheblich oder anzüglich, sondern stets wild-romantisch wie in James Dean Filmen.
Arthur Einöder
Obwohl ich dringend empfehlen würde, alle Songs anzuhören: Drei Anspieltipps für die, die sich nicht besonders dafür interessieren, aber zumindest mitreden wollen:
- Wreckin' Bar (läuft seit Oktober, 82 Sekunden Powerpop)
- Post Break-Up Sex (war Platz 1 der FM4-Charts, einer der ruhigeren Songs)
- If You Wanna (Sixties-Pop inspirierter Ohrwurm)
Die Vaccines schließen an jener Stelle an, bevor sich britische Gitarrenmusik verirrt hat, weil sie einen Typen namens Pete Doherty als Navigationshilfe verwendet hat. Als ich Vaccines-Gitarrist Freddie Cowan getroffen habe, hat er vom Libertines-Loch gesprochen. Jene Band, die in ihrer Musik so stark den poetisch-getriebenen Rock'n'Roll-Aspekt verkörpert hat, wurde von der Lebensrealität des Sängers eingeholt, der eine Guns'n'Roses-Fratze der ekelhafteren Art entwickelt hat. Auf die Aufbruchstimmung folgte die Übersättigung.
Gitarrist Freddie legt großen Wert darauf, den Vaccines-Rock'n'Roll nicht mit Rock zu vermischen. Dringlichkeit versus Stadionrock, romantische Träume versus breitbeiniges Rülpsen.
Noch bevor die Vaccines einen ersten Song veröffentlicht haben, haben sie bei Later... With Jools Holland auf BBC2 gespielt, noch bevor sie ein erstes Album veröffentlicht haben, haben sie Clubshows ausverkauft. Vom Staatsfunk (BBC Sound Of 2011 List) bis zur Musikrevolverpresse (NME) hat man sich in Vorfreude auf das Debüt der Vaccines überschlagen.
Da wird deutlich, wie sehr England auch im Jahr 2011 noch am Nationalheiligtum Gitarrenpop hängt. London mag in den letzten Jahren zur Welthauptstadt von Bass, Grime und Dubstep geworden sein. Weil aber die Vaccines in klassischer Besetzung und mit klassischen Songs daherkommen, wird sofort das reiche Erbe von Beatles, Kinks, Stones bis zu The Clash und Punk bemüht. Große Erwartungen auf den Schultern einer jungen Band.
Insofern bezieht sich der Titel What Did You Expect From The Vaccines nicht nur auf Sixtiespop (Titel wie "Something Else By The Kinks", "More Of The Monkees") und die Zeile der Hitsingle What Did You Expect From Post Break-Up Sex, sondern auch auf den Buzz, den die Band ausgelöst hat.
Arthur Einöder
Nochmal der Programm-Tipp:
The Vaccines und ihre vielschichtigen Einflüsse - am Sonntag, den 20. März stellen sie ihre Lieblingssongs vor:
- im FM4 Gästezimmer (irgendwann in FM4 Connected, 13 bis 17 Uhr).
Bei all den Meta-Ebenen, die da aktuell in England mitschwingen (auch die Herkunft aus der upper class ist da großes Thema), ist es eigentlich ein Wunder, dass die Band da komplett unbeeindruckt ein fantastisches Album hingelegt hat.
Gerade einmal ein bisschen länger als 30 Minuten dauert es. Und das, obwohl eine ausgedehnte Jamsession inklusive pianounterstütztem Bonustrack mit drauf ist. Das Livekonzert im winzigen Comet Club in Berlin war sogar noch ein wenig kürzer. "Es sagt alles, was es zu sagen hat", hat mir Drummer Pete Robertson über die Debütsingle Wreckin' Bar erzählt, die nach 82 Sekunden auch schon wieder vorbei ist. Das gleiche gilt auch fürs Album. Wozu gibts denn sonst bitteschön den Repeat-Knopf?
Ra! Ra! Ra!