Erstellt am: 17. 3. 2011 - 16:00 Uhr
Zwischen Backlash und Gender Mainstreaming
Backlash
Susan Faludi
"Backlash" - so hieß das Buch, mit dem die feministische US-Journalistin Susan Faludi 1991 große Aufmerksamkeit erregte. Kein Wunder, brachte doch der kantige Untertitel Faludis alarmierende Befunde in Sachen Geschlechtergerechtigkeit markant auf den Punkt: "The Undeclared War Against American Women". Die konservativen Reagan-80er-Jahre hätten die Ablehnung gegenüber Feminismus und "Karrierefrauen" mithilfe medial transportierter misogyner Stereotype auf die Spitze getrieben, so Faludis Urteil. Anhand bizarrer Statistiken und Horrorstories über beruflich erfolgreiche Frauen mit Burnout, ungewollter Kinder- und Ehelosigkeit, Depressionen, Alkoholismus und Haarausfall (!) schlug hier das Imperium der binär-konservativen Geschlechterordnung zurück. Was in den 60er und 70er Jahren von den "Women's Libbers" an Freiheiten erkämpft worden war, werde nun gegen die Frauen gewendet. Auch wenn sich Susan Faludis Buch primär mit der US-amerikanischen Situation befasste, war die Lage in Europa ganz ähnlich - das Stereotyp der hässlich ungepflegten "Emanze" mit Haaren auf den Beinen sowie auf den Zähnen machte bei uns im gleichen Zeitraum Karriere.
Institutionalisierung
100 Jahre Frauentag
von 8.-19. März auf FM4 und nachzulesen unter fm4.orf.at/frauentag.
Trotzdem - oder gerade deswegen - markiert diese Zeit Anfang der 1990er Jahre einen wichtigen Wendepunkt in Bezug auf die Geschichte der (damals bereits totgesagten) Frauenbewegung. Denn nicht nur formierte sich zeitgleich in den USA eine neue Welle aus jüngeren Feministinnen - die sogenannte Third Wave -, die oft starke Subkultur-Affiliationen hatten: die Riot Grrrls, die im kleinen Collegestädtchen Olympia nahe Seattle eine radikale feministische Auslegung von Punk starteten, sind bis heute eine wichtige Inspirationsquelle für Popkultur-interessierte Frauen. Parallel dazu war auch eine Institutionalisierung feministischer Forderungen und Programmatiken zu beobachten: "Der Institutionalisierungsprozess erfasste beinahe alle Bereiche der Frauenbewegung: Quotenregelung, Gleichstellungsbeauftragte, staatlich finanzierte Projekte wie Frauenhäuser und Gesundheitszentren, akademischer Feminismus, Therapeutinnen, Tagungshäuser" - so umreißt Andrea Truman in ihrer Einführung "Feministische Theorie" die Verankerung der einst radikalen Forderungen autonomer Frauengruppen in staatlichen Strukturen.
Mainstream
Dieses Aufgehen feministischer Anliegen im kapitalistischen Mainstream, das sich bis heute ja mit Gender Mainstreaming, Diversity Management und staatlichen Leitlinien zu geschlechtergerechter Sprache fortsetzt, wird von der Autorin nicht (nur) positiv bewertet: "So gab es bald keine autonome Frauenbewegung mehr, sondern nur noch Expertinnen, die für andere Frauen Politik machten. (...) Forschungsprojekte sollten beschreiben, was Frauen sind und welche Bedürfnisse sie haben. Dabei wurden freilich die Ergebnisse über eine bestimmte soziale Gruppe - nämlich weiße, mittelständische Frauen - für die 'Frau an sich' verallgemeinert."
Dekonstruktion
Genau hier setzte, wiederum parallel, eine feministische Kritik an, die schon früher von "Women of Colour"-Feministinnen oder Organisationen in Deutschland wie "FeMigras" geäußert worden war. Statt der vermeintlich universellen Kategorie Frau, die die gemeinsame Unterdrückungserfahrung konstituiere, gebe es noch viele andere Kategorien wie Klasse, Race, sexuelle Orientierung etc., die zu mehrfachen Diskriminierungen führe. Der dekonstruktive Ansatz von Judith Butler, der Geschlecht nicht als "natürliche" Gegebenheit, sondern als soziale Hervorbringung durch sein permanentes performatives "Aufführen" definiert, öffnete neue Handlungsräume, indem er für fluktuierende - queere - Identitäten und provisorische (politische) Bündnisse plädiert. Andererseits wurde, häufig von Feministinnen der vorangegangenen Generation, beklagt, dass der Bewegung damit auch ihr kollektiv handelndes politisches Subjekt abhanden gekommen sei.
Hendrik Speck, www.hendrikspeck.com
Die Dritte Welle
Doch die Frauen der Dritten Welle, die von diesen Ansätzen genauso wie von einem starken Popkulturbezug geprägt sind, erweisen sich als durchaus aktivistisch, wenn auch unter Zuhilfenahme anderer ästhetischer Mittel als ihre "Vormütter": Die "Erbinnen" der Riot Grrrls, die in den 90er Jahren noch Konzerte, Zines, Selbsthilfegruppen und Conventions organisiert hatten, vernetzen sich transnational über das Internet und weisen, zum Beispiel mit Ladyfesten, lokal auf die Unterrepräsentierung von Frauen und Transgenders im Kulturgeschehen hin. Während in der Zweiten Frauenbewegung noch weitgehend von einer Einheit von Sex (biologisches Geschlecht) und Gender (soziales Geschlecht) ausgegangen wurde und die beiden Geschlechter in einem mitunter unauflöslichem Konflikt gesehen wurden, heißt es heute bei den meisten Ladyfesten: "All Genders welcome."