Erstellt am: 17. 3. 2011 - 10:17 Uhr
Die Gehaltsschere im Kopf
100 Jahre Frauentag
von 8.-19. März auf FM4 und nachzulesen unter fm4.orf.at/frauentag.
Die Zahlen schwanken je nach Quelle. Rund um den Frauentag am 8. März ist die Eurostat-Studie zum Verdienstgefälle am häufigsten zitiert worden: Frauen verdienen im Schnitt pro Stunde um mehr als ein Viertel weniger als Männer. Als Hauptgründe für den Gender-Gap gelten allgemein, dass Frauen öfter Teilzeit arbeiten, häufig in schlechtbezahlten Branchen sogenannten Frauenberufen nachgehen, mitunter schwanger werden, in Karenz gehen und Karrieren dadurch gebremst werden. Ingrid Moritz beschäftigt sich bei der Arbeiterkammer mit dem Thema: "Wenn man alle diese Faktoren rausrechnet, bleibt eine Einkommensschere von 19 Prozent." Rolf Gleißner von der Wirtschaftskammer nennt sogenannte „sanfte Faktoren“, wissenschaftlich nicht oder nur schlecht messbare Gründe: "Man hat festgestellt, dass Frauen mehr Wert auf Lebensqualität legen, Männer legen mehr Wert auf Einkommen, Männer suchen das Risiko, Frauen sind eher ein bisschen risikoscheuer."
Das sind gern verwendete und ob ihrer schlechten Be- und Widerlegbarkeit umstrittene Argumente: Frauen würden ihr Gehalt schlechter verhandeln, sich seltener unternehmensintern für höhere Positionen bewerben, sich weniger zutrauen. Man zahlt Frauen - zum Vorteil der Unternehmen - weniger und die wehren sich kaum dagegen. Bei der Gleichbehandlungskommission, die es seit immerhin 30 Jahren gibt, sind in den Jahren 2008 und 2009 insgesamt 23 Beschwerden wegen Diskriminierung auf Grund des Geschlechts eingegangen. Bianca Schrittwieser, Arbeitsrechtsexpertin bei der Arbeiterkammer, vermutet die Dunkelziffer weit höher: "Das liegt daran, dass sich die Arbeitnehmerinnen in den meisten Fällen in einem aufrechten Dienstverhältnis befinden und davor zurückschrecken, ihren Arbeitgeber zu klagen." Außerdem gibt es immer noch das Problem, dass man glaubhaft darlegen muss, dass jene Person, wegen deren höherem Gehalt man klagt, dafür vergleichbare Arbeit leistet.
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Das soll sich nun aber ändern. Unternehmen mit mehr als 1000 MitarbeiterInnen müssen in Einkommenberichten die Durchschnittsgehälter von Frauen und Männern offenlegen, im Zweifelsfall führt aber auch weiterhin kein Weg an einer persönlichen Klage vorbei. Ebenfalls neu ist die Frauenquote in Aufsichtsräten staatsnaher Unternehmen, die bis 2013 ein Viertel, bis 2018 dann 35 Prozent betragen soll. Das soll die gläserne Decke aufweichen und eine Vorbildwirkung sowohl für Frauen, als auch für andere Unternehmen haben. Die Wirtschaftskammer wehrt sich gegen eine generelle Quote. Rolf Gleißner: "Wir glauben, dass Frauenquoten nur bei den Symptomen ansetzen. In Norwegen gibt es schon lange eine Quote und dort hat man festgestellt, dass 70 Frauen in über 300 Aufsichtsräten vertreten sind. Das heißt: Relativ wenige Frauen." An der Qualifikation sollte das aber nicht scheitern, haben Frauen doch schon lange sowohl bessere Schulleistungen als auch einen höheren Anteil an den Hochschulabschlüssen.
Was braucht es also, um die Situation zu verändern? Einig sind sich die einander sonst eher diametral gegenüber stehenden Arbeiter- und Wirtschaftkammer darin, dass Familie und Beruf besser vereinbar werden müssten. Es braucht also mehr Kindergartenplätze zu berufsverträglichen Zeiten. Dass manche Bundesländer den Gratiskindergarten wieder abschaffen und es viel zu wenige Kindergartenplätze gibt, ist natürlich wenig förderlich.
Auch bei besserer Information von angehenden Lehrlingen ist man sich einig. Schließlich entschließen sich mehr als die Hälfte aller weiblichen Lehrlinge dazu, Friseurin, Einzelhandelskauffrau oder Bürokauffrau zu werden. Berufe mit grundsätzlich geringem Gehalt.
Rolf Gleißner regt ein Angleichen des Pensionsalters an, sind doch die letzten Arbeitsjahre die lohnstärksten. Auch wenn das keine dezidierte Forderung der Wirtschaftskammer ist: "Es wäre volkswirtschaftlich sinnvoll."
Für die Arbeiterkammer geht es auch um eine gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeitszeit zwischen den Geschlechtern. Das würde auch die Einschätzungen von Unternehmen ändern, meint Ingrid Moritz: "Dann stellen Männer und Frauen gleichermaßen ein Risiko dar, ob sie den Beruf unterbrechen oder nicht." Die Väterkarenz wird bisher nur von weniger als fünf Prozent der Väter in Anspruch genommen. Warum eigentlich? Um es in den Worten eines Freundes zu sagen, der seit einem halben Jahr Vater ist und in einem großen, technischen und daher männerdominierten Unternehmen arbeitet: "Wenn ich in Karenz gehe, kann ich meine Karriere vergessen." Mann, ist das noch ein weiter Weg.