Erstellt am: 23. 3. 2011 - 20:07 Uhr
Where do broken hearts go?
Das erste Album der jungen schwedischen Weltenbummlerin hieß zurecht Youth Novels, da Lykke Li schon mit 19 ziemlich gute Geschichten zu erzählen hatte. Youth Novels heimste hervorragende Kritiken ein und auch die Traumfabrik war Fan. Ein fetter Scheck flatterte bei Lykke Li ein, weil einer ihrer Songs als Kuss-Soundtrack für Teenagervampire verwendet wurde. Wounded Rhymes ist der zweite Streich der Dame mit dem schweren Herzen und erhärtet meine Vorstellung von Lykke Li als weiblichem Desperado. Ich kann mir gut vorstellen, dass ihre Songs im Kopf des 14-jährigen Racheengels aus True Grit hallen, während sie die Mörder ihres Vaters sucht.
lykke li
Wounded Rhymes ist einer der seltenen Fälle, bei denen ich gar nichts wusste über die Frau, deren Stimme und Gestus irgendwo zwischen Kate Bush, Melissa auf der Mauer, Prince und Johnny Cash liegen und die der sonst nicht uneitle Kanye West für ein Genie hält. In Interviews antwortet sie auf die Frage nach zu Hause hämisch, dass sie mit dem Begriff nichts anfangen kann und dass sie Leben eher mit einem Fluss vergleicht. Nicht besonders ausgefallen, aber die Fluss-Metapher zieht sich durchs ganze Album.
Die erste Station des ewigen Wanderns, mit der ich gestern schon fast Kolleginnen zum Weinen brachte: I follow rivers. Eine bitterschöne Geschichte. Liebe gibt es nur im Moment, nichts ist von Dauer, nichts ist fest und beständig in dieser Welt.
Ok, Lykke Li hat meine Aufmerksamkeit, eine Heimatlose. Ich will wissen, woher die verwundeten Reime kommen. Das spuckt die allwissende Müllhalde aus: Lykke Li ist Mitte Zwanzig und Kind von Eltern, denen Leistungsdruck ein Fremdwort ist. Sie wurde in Schweden geboren, aber ihre Eltern packten sie ein und zogen mit ihr als kleinem Kind in die Berge von Portugal. Wüste, Steine, Wärme, ein weiter Horizont. Beide Eltern sind Musiker, fahrendes Volk. Ihr Papa war unter dem Namen Silver Surfer bekannt und Frau Mama, eigentlich unmusikalisch, gründete aus politischen Gründen eine der ersten All Girl Punk Bands Nordeuropas. Dass ihre Eltern irgendeinen direkten Einfluss auf ihr Werk gehabt hätten, bezweifelt Lykke Li.
„Ich hab mich früher wirklich angestrengt, Musik studiert und alles, was meine Eltern gesagt haben, war, ja, whatever.“ Musikalisch ist Wounded Rhymes ein fragiles Kleidchen, das um Lykke Lis Stimme gewebt ist. Wounded Rhymes sind zehn Songs, zerrissen und widersprüchlich, fragil und trotzig. Für Humor gibt es auch Raum, man kann es in Rich Kids Blues nachhören, oder wenn sie frisch am Boden Zerstörten mit Songs wie Sadness is a Blessing noch etwas Salz in die Wunden reibt.
Wie schreibt ein Kollege so schön und so passend? "Als würde Phil Spector aus seiner Gefängniszelle Soundtracks für Horrorfilme schreiben." Wenn Phil Spector ein Herz hätte und ein Mädchen wäre, dann würden wir uns dem Terrain nähern, auf dem Lykke Li wandert. Bereit für eine weitere Dosis souveräner Einsamkeit?