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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

13. 3. 2011 - 23:02

Fußball-Journal '11-18.

Internationale Bezugslosigkeit. Über das Elend des Niveauverlusts im Frühjahr.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch das neue Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und die Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit den Aufälligkeiten der eben ausgespielten 26. Runde der heimischen Meisterschaft.

International (also in Champions League oder Europa League)spielt aktuell nur Marc Janko (für Twente). Marcel Ritzmaier steht immer im der UEFA gemeldeten Großkader des PSV Eindhoven.
Christoph Knasmüllner darf nicht auf die Inter Mailand-Liste, weil er im Herbst dort schon für Bayern München stand. David Alaba wurde von den Bayern ja verliehen, Deniz Mujic hat es nicht geschafft. Auch Aleks Dragovic durfte nicht auf die FC Basel-Liste, weil er schon für die Austria EL spielte. Basel ist allerdings mittlerweile ebenso ausgeschieden wie Besiktas Istanbul mit Ekrem Dag und der VfB Stuttgart mit Martin Harnik. Holhauer, Aschauer und Kevin Stöger von Stuttgart II haben den Cut nicht geschafft wie auch Marc Sand bei Leverkusen.

Durch die diversen Schweigeminuten vor den Liga-Spielen wurde sie auffällig: die fehlende Anbindung an die internationale Wirklichkeit, die den österreichischen Fußball oft im Frühjahr erfaßt und dann Kunststücke fliegen lässt wie eine bleiernde Ente.

Im Herbst, da sind die Top 4 der Liga international gebunden, da denkt auch die Öffentlichkeit in europäischen Maßstäben. Im Frühjahr kommt das, auch weil kaum einer der Vereine so weit kommt, kaum vor. Und weil auch in der Nationalmannschaft tendenziell die Legionäre die Verantwortungsträger sind, versackt die Liga gerne in den Provinzialismus, der lähmend in ihren Genen lauert.

Gut: Junuzovic, Kavlak, Baumgartlinger oder Pehlivan, die locken wenigstens vereinzelt Scouts aus dem Ausland an.
Und, ja, bis auf Marc Janko ist kein Österreicher noch im Europacup aktiv - aber ein gutes Dutzend anderer spielt in Ligen, die unter weltweiter Beobachtung stehen und Top-Level garantieren.

Das macht die Lage der Liga aber nicht besser, das gleicht die fehlende Referenz, die mangelnde Kompetition nicht aus.

Die unabsichtliche Kunst der Selbstdemontage

Das betrifft auch das Coaching-Level. Seltsamerweise ist nämlich Huub Stevens, Salzburg-Trainer im Bäumchen-Wechsel-Spiel, das aktuell in Deutschland gespielt wird, dabei.
Die ältere Generation, Leute wie Heynckes, Van Gaal, Magath, Veh, Rutten wird mit allen möglichen Vereinen, die dem Trend zum Jungtrainer der Marke Klopp/Tuchel/Slomka/Dutt nicht mitmachen möchten, in Verbindung gebracht - und Stevens ist da dabei. Unverständlicherweise.
Denn Stevens Fehlleistungen werden immer intensiver und deutlicher.

In eine (durch peinliche Starrsinnigkeit selbstverschuldeten) Krise geraten, änderte er das seit Monaten gespielte System (4-1-4-1) und verlangte ein neues (4-4-2) - ein Trainer auf der Höhe der Zeit schafft sowas schon in der Vorbereitung; und vielleicht gar noch ein drittes.

Gestern stellt er einen grade wieder von einer Verletzung Genesenen und einen Grippekranken ins Abwehrzentrum und wundert sich über die Anfälligkeit. Er bildet seine Mittelfeldzentrale aus zwei Achtern, weil seine Sechser verletzt, vertrieben oder auf der rechten Abwehrseite gebunden sind. Stevens, als Meister der Defensive gefeiert, geht mit seiner Defensive um wie ein Anfänger.
Der Offensive geht es nicht besser: der offensive Wirbelwind muss verteidigen, vor ihm müht sich der Rekonvaleszente. Und natürlich wird nicht der unsichtbare der beiden Stürmer gewechselt, sondern der auffällige.

Das wirkt alles so, als würde hier jemand absichtlich gegen das Team, gegen den Erfolg und somit auch gegen sich arbeiten. Dass in der Mannschaft selber keiner steht, der diese Unsinnigkeiten durch ein spielerisches Machtwort auf dem Feld overrult, zeigt einmal mehr die strukturelle Schwäche der Dosentruppe.

Die fehlende Challenge drückt das Level nach unten

Taktischer Sieger der Runde war, wohl aber auch eher unabsichtlich, Peter Pacult. Der begegnete der Austria wie den Europa-League-Kontrahenten im Herbst, mit einem vorsichtigen und gut gefächertem 4-2-3-1; dessen Qualität er aber wohl nicht kapiert hat. Sonst würde nicht weiter Steffen Hofmann offiziell rechts spielen, was er weder mag noch kann, weil es ihn immer in die Mitte zieht - so hing das Spiel wieder einmal nach links. Kavlaks Verletzung ist keine Ausrede, Prokopic oder Trimmel können auch rechts spielen. Aber: die Offensive war Pacult im Derby ohnehin egal. In der 1. Hälfte wollte er nicht mehr als abblocken und die Austria, die spielerisch beste Mannschaft Österreichs zurmürben. Dazu stand die Abwehr samt Pehlivan-Kulovits davor zu dicht.

Und weil in der aktuellen Saison immer die eigentlich schwächere Mannschaft das Derby gewinnt, konnte sich Pacult drauf verlassen: die Austria, durch den Ausfall von Baumgartlinger um das entscheidende Alzerl geschwächt, lief sich fest (vor allem Nacer Barazite, der derzeit deutlich beste Fußballer aus heimischen Spielfeldern) und dem von Dinamo Kiev umworbenen Salihi gelang sein Zufallstor.

Trotzdem behaupte ich jetzt und hier: das wäre eine international geforderten Austria Wien nicht passiert. Die war in einem anderen Rythmus, anders gefordert, gechallengt und deshalb auch deutlich besser.
Einzig richtiger Einwand: ein international gefordertes Rapid hätte auch anders dagegengehalten, vielleicht sogar aktiv mitgespielt, versucht das Spiel zu gestalten anstatt es zu verhindern.

Der Qualitätsverlust der von Europa Ausgespuckten

Letztlich gilt das auch für Salzburg: zumindest einige der aktuell erschreckend denklahmen Traber hatten im Herbst zumindest das Feuer der Galopper unterm Arsch.

Weil genau diese internationale Anbindung fehlt und die halbjährige Bezugslosigkeit zu richtigen Fußball Einkehr in die Liga gehalten hat, sehen die Frühjahrsspiele so aus wie sie aktuell aussehen: unansehnlich und grau.
Denn auch die Begegnung der Salzburger mit den tapfer gegen den Formeinbruch kämpfenden Riedern bezog ihre Qualität nicht aus dem Niveau, sondern dem Tabellen- und Spielstand. Und auch das Stronach-Gedächtnis-Memorial zwischen Sturm und Neustadt konnte wenig.
Dass die Matches innerhalb der Teams im Tabellen-Niemandsland selbst von den Rechteverwertern und Dauer-Beschönigern aktuell recht ungeschönt als niveaulose Schlafpulver ausgewiesen werden, zeigt wie sich der Qualitätsverlust automatisch nach unten fortsetzt.

Die Lösung für diese Frühjahrs-Traurigkeit, die Frühjahrs-Müdigkeit, die zwei Schritte zurück nach dem einen Schritt nach vor im Herbst: sich qualifizieren, mitspielen, besser werden, den Teufelskreis durchbrechen. Oder einen mitteleuropäischen Cup derer, die der Europacup im Winter ausgespuckt hat, zu spielen, um zumindest ein bissl Antrieb zu bekommen, sich selber ein bissl Feuer unterm Arsch machen.

Alles ist besser als jetzt.
Also sollte man's angehen und offensiv drüber nachdenken.