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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

14. 3. 2011 - 09:10

Denk nach, Rudi

Moritz Bleibtreu und Georg Friedrich wechseln die Kleider und die Fronten. "Mein bester Feind" ist ein Verwechslungsspiel, das den Nationalsozialismus als zurechtgezimmerte Kulisse nützt.

Ja, darf man denn das? Das wird sich nach „Mein bester Feind“ niemand fragen. Wolfgang Murnberger hat eine Verwechslungstragikomödie im Nationalsozialismus angesiedelt, deren Tragik und Eindruck bescheiden ausfallen. „Mein bester Feind“ zeigt die dummen Nazis, die Kunst sammeln und doch einen Michaelangelo nicht von einer Kopie unterscheiden können. Es ist ein winziger Triumph, auf den dieser Unterhaltungsfilm baut. Tut ja gut, wenn einmal jene, die das Grauen über Europa brachten und sechs Millionen Jüdinnen und Juden ermordeten, eine in die Fresse kriegen. Und bei Gewalt schwenkt Murnberger zur Seite, die Tritte bauchstrudeln im Off. Praktisch.

Mit Moritz Bleibtreu und Georg Friedrich stehen einander zwei ebenbürtige Talente gegenüber. Mit dem Anschluss wenden sich die Verhältnisse zwischen Victor Kaufmann, dem Kind jüdischer Galeristen (Bleibtreu), und dem Sohn ihrer Bediensteten, Rudi Smekal (Friedrich). Der Führer sammelt eifrig Kunst, da macht sich der Wink zu einem Michaelangelo als Einstandsdienst in die SS für Smekal gut.

Moritz Bleibtreu als Victor Kaufmann in "Mein bester Feind"

Petro Domenigg

Die NS-Zeit als zurechtgezimmerte Kulisse

Hauptmann von Köpenick lässt grüßen. Kleider machen Leute, und so richtig losgehen kann der Klamauk, wenn der Film wieder zurück in der Anfangsszene ist: Aus dem brennenden Wrack eines Kleinflugzeugs birgt Victor seinen Rudi, eilig tauscht man die Kleidung. Rudi wird zum Juden in KZ-Häftlingskleidern, Victor nützt die uniforme Hierarchie des SS-Apparats, Dynamik setzt ein. Zuvor wird eine lange Stunde in Rückblenden das Schicksal der Familie Kaufmann besiegeln. Ihr Hab und Gut wird arisiert, statt in die Schweiz kommen die Kaufmanns in ein Konzentrationslager. Rudi Smekal steigt in der SS auf und führt das Leben in der Villa der Kaufmanns mit der Verlobten Victors (Ursula Strauss) weiter.

Das Casting ist eine runde Sache. Und damit meine ich nicht Bleibtreu, den Kritiker als den wohlgenährtesten Konzentrationslagerinsassen der Kinogeschichte anführen. Murnberger verweist auf die Kosten, die entstanden wären, hätte man Bleibtreu während der Dreharbeiten Zeit zum Abmagern eingeräumt. Von einer halben Million Euro, Minimum, ist da die Rede. Die Nazis mit ihren langen oder sommersprossigen Gesichtern und abstehenden Ohren machen jeder für sich eine gute Filmfigur, Tarantinos
"Inglorious Bastards" standen stumm Paten. Die Nahaufnahmen sind ein Gewinn, denn viel Leinwandraum nimmt sich Murnberger nicht. "Mein bester Feind" passt locker ins Fernsehformat, als Historienfilm genügt sich die Handlung mit dem Personal eines Kammerspiels. Fünf Jahre Konzentrationslager werden mit einem Stacheldraht, kläffendem Schäferhund und in einem Barackenkammerl abgehandelt.

Die simple Geschichte über Freundschaft und Verrat nützt den Nationalsozialismus als Kulisse, die man sich zurechtzimmert. Vom Sekretär im Kaufmannschen Wohnzimmer bis in die Schreibstuben der Nazis begegnen einem bewährte Klischees. Schöngeistige, wohlhabende Juden, Lehár hörende Nazis, nur ja nichts verkomplizieren. Doch Murnberger treibt es nicht auf die Spitze. Die Übersteigerung ins Absurde bleibt aus - und damit vergibt der Film jede Chance auf Relevanz. Das Drehbuch stammt von Paul Hennge, der damit jahrelang bei keiner Produktionsfirma punkten konnte und die Geschichte mit dem Titel "Wie es Victor Kaufmann gelang, Adolf Hitler doch noch zu überleben" als Roman auf den Markt brachte.

Moritz Bleibtreu in SS-Uniform, Georg Friedrich in Häftlingsanzu und Uschi Strauss zwischen den Beiden.

Petro Domenigg

Kollegialer Schlagabtausch

In erster Linie kann Murnberger auf seine Darsteller zählen. "Mein bester Feind" kann man sich als netten, kollegialen Schlagabtausch zwischen Georg Friedrich und Moritz Bleibtreu anschauen, wenn er im Fernsehen laufen wird. Das Duell entscheidet der Österreicher für sich. Als Emporkömmling, der seine Chance gekommen sieht, wird Rudi zu mehr als einem naiven Mitläufer, der Drohungen zischelt. "Der rechnet damit, dass er sterben wird. Womit kann man einem Menschen sonst noch drohen?", fragt Smekal an einer Stelle verzweifelt in die Kameradenrunde.

Nicht der geringste Anflug von Ambivalenz bestimmt Bleibtreus Rolle als treuer, sympathischer Freund. Dass ihn der Rudi, sein Kindheit- und Jugendfreund, übereifrig zum eigenen Vorteil den Nationalsozialisten ausgeliefert hat, ist unmittelbar vergessen. Keine Frage, dass er Smekal das Leben rettet. Der Klügere gibt nach, könnte Vater Kaufmann kommentieren, der sich bevorzugt in Lebensweisheiten ausdrückt, wäre er nicht im Konzentrationslager umgekommen. Spoiler ist das kein allzu großer, irgendjemand muss ja in einem Nazifilm auf der Strecke bleiben und ein Grammofon muss spielen.

Auf der diesjährigen Berlinale lief "Mein bester Feind" außer Konkurrenz. Derzeit ist der Film in den österreichischen Kinos zu sehen.

"Meinst, kann er den Krieg wirklich verlieren?" So klingt die erste Annährung Rudi Smekals an den besten Feind. "Denk nach, Rudi, denk nach!". In der Verlängerung des Rollentauschs setzt Murnberger noch zwei Wendepunkte, die man nicht derart klar kommen sieht wie die vorangengegangenen. Es ist ein leichtes und seichtes Ratespiel, zu wissen, wo der echte Michaelangelo am Ende hängt.