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Mari Lang

Moderiert, beobachtet und probiert aus – neue Sportarten, Bücher und das Leben in der Ferne. Ist Ungarn-Fetischistin.

13. 3. 2011 - 12:41

Helden von gestern, heute und morgen

Eine Woche lang haben sich die weltbesten Snowboarder und Snowboarderinnen bei den 29. US Open gebattelt, um schlussendlich gemeinsam zu feiern und für Japan zu beten.

Heute kann man es sich fast nicht mehr vorstellen. Aber Snowboarden war tatsächlich einmal eine Randsportart, die in manchen Skigebieten sogar verboten war. In einigen wenigen amerikanischen Wintersportorten ist das immer noch so. Nicht aber in Stratton im Nordosten der USA. Auf den Pisten rund um den nur 136 Einwohner zählenden Ort sind Snowboarder seit langem zu Hause. Deshalb finden hier auch die Burton US Open, einer der ältesten Snowboard-Contests, statt.

Das Gebiet ist überschaubar - elf Sessellifte und eine Gondel führen auf den Stratton Mountain auf 1181 Metern Seehöhe. Bei der Talstation Sunbowl thronen derzeit eine Superpipe und ein Slopestyle-Parcours, die eigens für die US Open hingestellt wurden, ebenso wie das Sponsor-Village – eine Ansammlung von grünen, roten und blauen Zelten. Hier kann man sich kostenlos mit Müsliriegeln und kleinen Tuben mit Haarshampoos eindecken und Snowboards der nächsten Saison testen. Werbung ist ganz offensichtlich Teil des Konzepts und das Motto eine Art Love&Peace-Festival. Junge Menschen in Ponchos verteilen Sticker, Fahnen mit Peace-Zeichen schmücken den Schnee und aus einem Zelt dringt Trommel-Musik. Es riecht nach gegrillten Fleischlaibchen und die Zuschauer halten Pappbecher mit Kaffee in Händen.

danny davis bild im schnee

mari lang

Auch die Teilnehmerliste bei den US Open macht deutlich, dass dieser Event auf amerikanischem Boden stattfindet. Die Hälfte der Starter und Starterinnen in der Qualifikation kommt aus den USA, viele davon direkt aus der näheren Umgebung in Vermont. Die Fancrowd ist dementsprechend groß und mit Bannern und Pappgesichtern der Stars, wie etwa Danny Davis, gerüstet. Aber auch Profis aus Norwegen, Finnland, Japan und dem benachbarten Kanada sind angereist. "For me this contest is a big challenge, because nobody really knows me here. And so it’s important, that I do well", sagt die junge Finnin Enni Rukajärvi und setzt ihre Worte am Freitag Nachmittag gleich in die Tat um. Beim Slopestyle Finale der Damen überzeugt sie mit einem starken Run aus 50-50s auf den Rails und einer Abfolge aus 540s, also eineinhalbfachen Umdrehungen um die eigene Achse, über die Kicker. Dafür bekommt sie nicht nur ein ordentliches Preisgeld, sondern auch wichtige Punkte für die TTR Snowboard World Tour, die sie auf den fünften Platz der Weltrangliste katapultieren. "It’s so great because that means, that next year I will automatically be invited to all the important TTR events."

Ergebnisse des Damen Slopestyle Finales:

1. Enni Rukajärvi (FIN)
2. Jamie Anderson (USA)
3. Silje Nordendal (NOR)

enni rukajärvi

shem roose

Die Wolken hängen tief, Regen wechselt mit leichtem Schneefall. Der Schnee ist matschig und die Sicht schlecht. Trotzdem machen es auch die Slopestyle-Herren bei den US Open 2011 noch einmal so richtig spannend. Viele können ihre Tricks ohnehin im Schlaf und so drehen, graben und landen die meisten mit Stil, der im Freestyle-Snowboarden immer noch eine große Rolle spielt. "The weather doesn’t really have an effect on my riding. I either go for it, or I fall and gladly it worked out", erklärt der Slopestyle-Sieger Eric Willett seine Schlechtwetter-Strategie.

Ergebnisse des Herren Slopestyle Finales:

1. Eric Willett (USA)
2. Mark McMorris (CAN)
3. Chas Guldemond (USA)

eric willett am rail

shem roose

Während die ersten drei auf den Siegertreppchen ihre Apple Cider Flaschen öffnen und einander vollspritzen, blitzen auch abseits des Podiums unaufhörlich die Kameras.

kevin pearce am sofa

mari lang

Der ehemalige Weltklasse Snowboarder Kevin Pearce ist zurück

Kevin Pearce, der ursprünglich aus Vermont kommt, ist unter den Zuschauern, gibt Autogramme und lässt sich mit Fans fotografieren. Viele können es noch gar nicht glauben, dass der 23-jährige nach seinem schweren Unfall vor eineinhalb Jahren wieder auf den Beinen ist. Beim Training für die Olympischen Winterspiele 2010 stürzte Kevin Pearce so heftig, dass er, obwohl er einen Helm aufhatte, ein gefährliches Schädel-Hirn-Trauma erlitt und wochenlang im Koma lag. Seine Balance ist immer noch beeinträchtigt, und auch seine Sehkraft hat durch den Unfall gelitten. Sein Optimismus jedoch nicht. "I’m just so lucky to be able to be here and doing so well. It could all have been much worse." Obwohl Kevin Pearce wahrscheinlich nie wieder auf einem Snowboard stehen wird können, ist die Boarder-Szene immer noch seine Heimat. Die Crew FRENDS, die er vor vier Jahren mit Danny Davis, Scotty Lago, den Mitrani Brüdern und anderen gegründet hat, war in den letzten eineinhalb Jahren immerhin ein wichtiger Bestandteil seines Lebens und hat ihn bei seiner Genesung unterstützt. Deshalb drückt Kevin Pearce beim Halfpipe Finale am Samstag seinen Freunden besonders fest die Daumen – mit einem lachenden und einem weinenden Auge. "It’s quite hard for me, because there is nothing I’d rather be doing than riding with all my friends. Snowboarding was the most important thing in the world to me and it still is. But I have kind of come to grips with the fact, that it’s not going to happen again and that I just need to move on."

kevin pearce kommentiert

mari lang

Kevin Pearce kommentiert das Halfpipe Finale der Herren mit

Samstag Nachmittag ist der Parkplatz vor der Sunbowl zum Brechen voll. Schon am Rand der Landstraße, die zum Eventgelände führt, stehen die Autos Nase an Nase aufgereiht. Unglaublich viele sind gekommen, um das Highlight der US Open mit eigenen Augen zu sehen – Eltern mit Kindern, Autogrammjäger und echte Snowboard-Lover, die jeden einzelnen Sprung kommentieren können und die Biografie vieler Rider kennen wie ihre eigene. "Kelly Clark is a real Vermont girl", sagt etwa eine junge Frau am Rande der Halfpipe. "Everytime we come here, she kills it in the pipe. She really pushes women snowboarding to a higher level." Dem kann man nur mehr schwer etwas hinzufügen. Tatsächlich springt kaum eine Frau in der Halfpipe so hoch wie die Olympiasiegerin und mehrfache US Open-Gewinnerin Kelly Clark. Und deshalb verwundert es nicht, dass sie auch in diesem Jahr den Contest für sich entscheidet, u.a. mit einem äußerst sicheren 1080, einem Trick, den bisher nur wenige Frauen in die Luft zaubern können.

Ergebnisse des Damen Halfpipe Finales:

1. Kelly Clark (USA)
2. Hannah Teter (USA)
3. Gretchen Bleiler (USA)

kelly clark in pipe

shem roose

Das verheerende Erdbeben in Japan geht auch an den US Open nicht spurlos vorüber. Die vier japanischen Snowboarder, die sich für das Halfpipe Finale qualifizieren konnten, bekommen von den Moderatoren und vom Publikum besonderen Support und machen es dann nochmal richtig aufregend. Vorjahressieger Kazuhiro Kokubo liefert sich mit dem Schweizer Ausnahmeboarder Iouri Podladtchikov bis zum Schluss ein Kopf an Kopf-Rennen. Der beste Run von drei Durchgängen zählt, und als Iouri bei seinem letzten Lauf stürzt, hat Kazu den Sieg schon in der Tasche. Mit ausgebreiteten Armen fährt er schnurstracks die Halfpipe hinunter ins Ziel und lässt sich feiern. "During the first two runs I really concentrated on my riding. The last run was my prayer for Japan, for my people at home", sagt der unscheinbare Halfpipe-Gewinner nach der Siegerehrung. Dass ihm die Situation in seiner Heimat nahe geht, sieht man deutlich.

Ergebnisse des Herren Halfpipe Finales:

1. Kazuhiro Kokubo (JPN)
2. Iouri Podladtchikov (CH)
3. Kohei Kudo (JPN)

gewinner halfpipe men

Shem Roose

Mit einer Orgie an Preisverleihungen gehen die 29. US Open in Stratton dieses Wochenende zu Ende. Denn nicht nur die Sieger in der Halfpipe werden gekürt, sondern auch die Sieger der Burton Global Series und die diesjährigen Weltmeister der TTR Snowboard World Tour. Wie schon im Vorjahr heißen sie auch in dieser Saison Peetu Piiroinen und Jamie Anderson, die beide in den vergangenen Monaten kontinuierlich auf einem extrem hohen Level gefahren sind. Und auch die schwedische Band The Sounds kennt man mittlerweile im Snowboardzirkus. Sie war bei den European Open 2010 zu Gast und beendet in diesem Jahr die Freestyle-Eventserie in den USA, obwohl es in ihrem bekanntesten Songs heißt: "No, we're not living in America." Aber, das ist an einem Tag wie diesem ja auch egal.

the sounds on stage

mari lang