Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Die fabelhafte Welt des David Sedaris"

Alex Wagner

Zwischen Pflicht und Kür

14. 3. 2011 - 09:10

Die fabelhafte Welt des David Sedaris

Mit Geschichten aus seinem Leben hat er uns alle zum lachen gebracht und ein Genre nachhaltig geprägt. Nun zeichnet David Sedaris in "Das Leben ist kein Streichelzoo" tragisch-komische Charakterstudien mit Hilfe von pelzigen Tierchen.

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Auf den ersten Blick scheint David Sedaris´ jüngstes Werk ein Kinderbuch zu sein. In sechzehn Abschnitten wird die Geschichte von Pavianen, Bären, Kühen und Papageien erzählt. Die Illustrationen von Ian Falconer unterstreichen den kindlichen Charakter. Doch "Das Leben ist kein Streichelzoo" ist nur für Erwachsene geeignet. Oder zumindest für Kinder, die gern trinken.

Fast könnte man meinen, David Sedaris wäre es leid, uns weiter an seinem Privatleben teilhaben zu lassen. Wissen wir nicht längst zu viel über den humoristischen Autor, Grammy-Nominierten und Radiomitarbeiter ("This American Life")? Über seine Kindheit und die Schwierigkeiten beim Erwachsen werden, über seine Ticks und Drogenerfahrungen? Über seine Familie und seine griechische Abstammung, über seinen Freund Hugh, mit dem er in Frankreich lebt und seinen Versuch, mit dem Rauchen aufzuhören? All das hat er in bisher sieben Büchern und dutzenden Artikeln niedergeschrieben und verarbeitet und uns in seine Welt des Wahnwitzes geführt. Und wir sind ihm immer bereitwillig gefolgt, haben Sedaris auf Urlaubsreisen und in die Hängematte mitgenommen und uns gefragt, welche lustigen Begebenheiten aus dem Alltag er uns in Zukunft noch erzählen will. Doch das aktuelle Buch bricht mit unseren Erwartungen.

"Squirrel Seeks Chipmunk: A Modest Bestiary"

Weinender Bär. Buchcover von "Das Leben ist kein Streichelzoo" von David Sedaris

Blessing Verlag / Ian Falconer

"Das Leben ist kein Streichelzoo" von David Sedaris ist 2011 im Karl Blessing Verlag erschienen. Georg Deggerisch hat das Original "Squirrel Seeks Chipmunk: A Modest Bestiary" ins Deutsche übersetzt.

"Das Leben ist kein Streichelzoo" ist eine Sammlung von sechzehn Fabeln, also kurzen Erzählungen, in denen Tiere personifiziert werden und menschliche Eigenschaften besitzen. Die Erzählungen haben zumindest einen angedeuteten belehrenden Charakter und enden meist böse. David Sedaris´ "Fiese Fabeln" handeln von fremdgehenden Hündinnen, geschwätzigen Pavianen oder einer heimtückischen Kuh, die sich den Truthahn beim Wichteln aussucht, um ihn zu beschenken, nur weil sie weiß, dass er als Festtagsbraten gerupft und geköpft Weihnachten nicht mehr erleben wird und sie sich um ihr Wichtelgeschenk keine Gedanken mehr machen muss.

David Sedaris verpackt in die tragisch-komischen Erzählungen detaillierte Beobachtungen und soziologische Phänomene. Dass die Erzählungen nicht gänzlich aus der Luft gegriffen sind, sondern durchaus einen realen Kern haben können, zeigt zum Beispiel die Fabel "Die Papageiin und das Hängebauchschwein". Die Papageiin ist Redakteurin bei einer Zeitung und wittert die Story ihres Lebens, als ein Hängebauchschwein neuer Museumsdirektor wird.

David Sedaris

Michael von Aulock

David Sedaris

Sie recherchiert in seiner Vergangenheit und kommt darauf, dass das Hängebauchschwein vietnamesischer Abstammung ist. Im Interview fragt sie das Hängebauchschein, es wäre ein weiter Weg von Ho-Chi-Minh-Stadt zum heiß begehrten Direktorenposten - ob sich durch seine Herkunft auch die Ausstellung verändere, ein neuer Asien-Flügel vielleicht? Und während die Papageiin im Kopf bereits die durchaus rassistische Headline "Museum bekommt gelben Anstrich" formuliert, antwortet das Hängebauchschwein, dass es biologisch gesehen zwar vietnamesischer Herkunft wäre, aber genauso wie seine Eltern im selben Land wie die Papageiin geboren wäre und eben kein Ausländer sei. Die Papageiin erwidert kurz, sie verstehe und notiert sich das Wort "Selbsthass" in ihrem Notizblock.

Während man beim Lesen darüber schmunzelt und sich überlegt, ob Medien wirklich so agieren, holt einen die Realität ein. Das gleiche ist vor kurzem unserer FM4 Moderatorin Claudia Unterweger passiert, die nun auch die ZiB Flashs präsentiert. Zum Einstand schrieb der Standard einen Artikel über sie mit folgendem Titel: "ZiB entdeckt Normalität des Farbfernsehens". Und griff dabei arg in die Klischee- und Minderheitenkiste bei der gebürtigen Wienerin Claudia Unterweger. David Sedaris lesen heißt vom Leben lernen.

Interview mit David Sedaris

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