Erstellt am: 14. 3. 2011 - 10:29 Uhr
Hüte dich vor Hüten
John Slattery ist mit ziemlicher Sicherheit der coolste unter den coolen Hegeln. In "Mad Men" trägt er als Roger Sterling fantastisch geschnittene Anzüge, manchmal Hut, balanciert trockene One-Liner auf den Lippen, die er mit Whiskey hinunterspült und arbeitet für eine Werbeagentur. In "The Adjustment Bureau" trägt er als vornamenloser Richardson fantastisch geschnittene Anzüge, immer Hut, hat keinen Whiskey für seine One-Liner, arbeitet aber auch für eine Agentur. Die hat allerdings mit Werbung nichts am Hut (sic!), sondern kümmert sich darum, dass das Weltgeschehen auf Schiene bleibt. Renkt, lenkt und justiert nach. Caseworker nennen sich Richardson und Kollegen, The Adjustment Bureau heißt die mysteriöse Macht, für die sie arbeiten.
Der gleichnamige Film, basierend auf einer Geschichte von Philip K. Dick, spielt mit Fragen der Menschheit, die das Science Fiction Genre zu einer Unzahl an Filmen inspiriert haben. Es geht um Zufall, Schicksal, freien Willen, Determinismus und Existenz einer höheren Macht, die Überblick über das Weltgeschehen hat und tatsächlich soetwas wie einen Plan hat. Wie religiös konnotiert man "The Adjustment Bureau" betrachten will, lässt einem der Film offen, amerikanische Kirchenmedien wie "The Jewish Journal" und "The Christian Post" freuen sich darüber, dass religiöse Fragen anhand des Films diskutiert werden können. "Finally, an Action Thriller for Religious Thinkers".
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Spiel- und Gummiball in dieser Geschichte, in der es eigentlich nur um die Liebe geht, ist Matt Damon als Politiker-Jungspund David Norris, ein ehrlicher Lackl und grader Michl, dem jugendlicher Unsinn eine wichtige Wahl versaut. Fotos, auf denen er bei einem College-Klassentreffen der amerikanischen Tradition des moonens nachgeht, tauchen auf. Die Lehre aus der tatsächlich runtergelassenen wird zu einer metaphorisch runtergelassenen Hose: In seiner Rede zum Wahlergebnis punktet er erneut mit Sympathie und entwaffnender Ehrlichkeit über Sperenzchen im Wahlkampf. Der Funke für diese Rede entspringt einer Begegnung auf der Herrentoilette, plötzlich taucht da Elise (Emily Blunt) auf, lockert ihm die Krawatte, innerhalb eines Dialoges, in dem viele Blicke gesenkt werden und errötet wird, wird man Zeuge einer Verliebtwerdung und dann dem aschenputtelgleichen Abgang Elises, wie sie mit den Schuhen in der Hand im Treppenhaus verschwindet. Und David Norris hat noch nichtmal einen Schuh als kleine Suchhilfe.
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Wir meinen es doch Hut mit dir
Aber man sieht sich ja im Leben immer zweimal, zumindest wenn der einem zugewiesene Beamte Slash Engel vom Adjustment Bureau schludert. So betritt David nach einem Zufallstreffen mit Elise und erfolgreich notierter Telefonnummer sein Büro, um darin alle Arbeitskollegen erstarrt anzutreffen. Ein Trupp Männer wachelt mit etwas, was ausschaut wie ein Handscanner vor dem Kopf seines Kollegen herum. Das sei nur brain callibration, keine Sorge, murmelt einer der Herren mit Hut. Viel größere Sorgen macht es ihnen, dass sie von Norris gesehen wurden, denn sie arbeiten zwar emsig, aber stets im Hintergrund. Er solle also lieber den Mund und sich von Elise fern halten, sie seien im Plan nicht für einander vorgesehen und, noch schlimmer, sie würden einander von ihren Karrieren abhalten.
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Erschreckend höflich sind die gut angezogenen Männer, nach all diesen Hiobsbotschaften und dem Vernichten des Zettels mit Elises Nummer, setzt Richardson noch ein Enjoy the rest of your day nach. Nicht mit diesem actionfilmüblichen ironisch und gewaltaufgeladenen Unterton. Reine Höflichkeit. Und das macht den Film unter anderem so interessant. Während andere Science Fiction Spinnereien die Idee der höheren Macht, einer ominösen Gewalt so oft auf Entmenschlichung basieren und sich Technikträumen, Roboterfantasien und Androidenvisionen hingeben, ist "The Adjustment Bureau" bezaubernd altmodisch.
Die Fedora-Herren haben Moleskine-artige Hefte, in denen streberhaft exakt gezeichnete Linien den Plan darstellen, ab und zu blinkt es in diesen Heften, das ist aber dann auch schon wieder genug der High-Tech-ererei. Die Arbeits-Räumlichkeiten dieser Vereinigung, sind altehrwürdige Bibliotheken mit schweren Holztüren, dunkle Schreibtische. Keine Computer, kein Retina-Scan, keine metallenen Kommanderstimmen, die an allen Ecken und Enden aus Lautsprechern klingen. Kein Hauch von Asepktik oder Kühle. Man hat die Geschichte zwar aus den 50er Jahren in die Gegenwart verlegt, nicht aber, ohne dieser Zeit zumindest visuell Tribut zu zollen. Die Geschichte um grundlegende philosophische und religiöse Fragen tänzelt mit dem Charme einer "Twilight Zone"-Episode einher, verbindet Retro-Schick mit Gegenwartsbezug (untermauert ua von Michael Bloomberg und Jon stewart as themselves), unterwandert eine Romanze mit Science Fiction-Elementen.
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Genre-Melange
"The Adjustment Bureau" will nicht auf den High Concept Thriller Zug aufspringen, kein "Inception"-Trittbrettfahrer sein. Regisseur George Nolfi hat den Genre-Quirl angeworfen und das Ergebnis ist prickelnd: Science-Fiction, Thriller, Drama, Komödie und Romanze sind zu fast gleichen Anteilen vorhanden und verschmelzen zu einem harmonischen Ganzen und einer reizvollen Melange. Im Gegensatz zur begleitenden Werbekampagne, die sich auf das Thriller-Element versteift, steht die Liebe zwischen David und Elise im Vordergrund. Regisseur George Nolfi, der auch das Drehbuch geschrieben hat und der mit dem Film ein erstaunliches Debüut hinlegt, beweist ein Händchen für all diese Genre. Als Drehbuchautor für "The Bourne Ultimatum" hat er bereits bewiesen, dass er mit Spannung, Action und vor allem Verfolgungsjagden umgehen kann, mit "Ocean's Twelve" sich als Dialogschnitzer mit der feinen Klinge hervorgetan.
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Schach Matt Damon
Matt Damon muss uns eh schon lange nichts mehr beweisen, übrrascht aber immer noch damit, dass er ein unglaublich vielseitig einsetzbarer Schauspieler ist. Dass er in Sachen Thriller und Action keine Nachhilfe braucht, weiß man spätestens seit der Bourne-Trilogie, aber er überzeugt hier auch in der Liebesgeschichte. Man nennt es auch Chemie, was er und Emily Blunt auf der Leinwand vorweisen können, Blunt spielt mit Natürlichkeit die Tänzerin Elise, das Gegenstück zum rationalen Politiker und entwickelt dialogtechnisch Screwball Comedy-Qualitäten.
Genauso stur wie seine Hauptfigur im Beharren auf seiner Liebe bleibt der Film im Beharren auf seine Geschichte und seinem Universum. Hier wird nicht gegen Ende eingelenkt und Plausibilität geheuchelt, "The Adjustment Bureau" erklärt jede Hanebüchenheit seiner Geschichte mit einer weiteren Hanebüchenheit, diesem sturen Charme kann man sich schließlich nur schwer entziehen. Wohl auch deshalb weil Sixties-Ikone Terence Stamp höchstpersönlich als "The Hammer" für gewisse Einhaltungen des Plans sorgt und auch erklärt, dass man eh versucht habe, die Menschheit allein werkeln zu lassen, dass das aber nur zu Katastrophen geführt hätte. Frech kontert der Damon, dass es ja jetzt gerade auch nicht nur spitze auf der Welt ausschaue, da packt Stamp das Totschlagargument aus, dass man sich ja anhand dessen ausmalen könne, wie es ohne die Herren mit Hut zugehen würde.
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"The Adjustment Bureau"/"Der Plan" läuft seit 11. März 2011 in den österreichischen Kinos
Das Ende wurde nachträglich geändert und das sieht man dem Film leider an. Ich war Stunden vor der "The Adjustment Bureau"-Vorstellung im kunsthistorischen Museum und starrte minutenlang auf Rubens' Bild des abgeschlagenen Medusenhauptes. Medusas Gesichtsasdruck soll den Ausdruck des Bildbetrachters wiederspiegeln. Emily Blunts verstörter Gesichtsasudruck in den letzten Minuten macht das ebenso. Das tut dem Vergnügen, das "The Adjustment Bureau" bereitet, keinen Abbruch. Ohne dem Determinusmus zu verfallen, werd ich ab nun an Tagen, an denen so gar nichts funktionieren will, John Slattery die Schuld geben und Bedrohungen mit der Blunt/Damon-Methode einfach wegschmusen.