Erstellt am: 10. 3. 2011 - 16:52 Uhr
Rechte Rollen und germanische Emanzen
In der öffentlichen Wahrnehmung werden Rechtsradikalismus und Neonazismus als männerbündisch strukturierte und von Männern dominierte Ideologien wahrgenommen. Auch das gängige Vorurteil vom rechten, gewalttätigen Skinhead ist das eines männlichen Jugendlichen. In Deutschland gab es aber in den letzten zehn Jahren einen regelrechten Boom an Neugründungen rechter Frauenorganisationen. Und ein genereller Modernisierungsschub der rechten Szene hat zu ideologischen Verschiebungen geführt, die sich auch auf das Bild der Frauen in rechten Organisationen auswirkten.
an.schläge
Dieser Artikel ist in seiner ursprünglichen Fassung in an.schläge - das feministische Magazin, Ausg. März 2009 erschienen.
Sind Frauen die softeren Skins?
Mittlerweile geht man nicht mehr davon aus, dass Frauen weniger anfällig für rechte Ideologien, grundsätzlich weniger rassistisch, antisemitisch oder ausländerInnenfeindlich wären. Aus der Forschung weiß man mittlerweile sehr genau, dass ebenso viele Frauen in ihren Einstellungen und politischen Grundhaltungen rechtsextrem bzw. rechtsradikal sind wie Männer. Auch in Bezug auf rassistische Äußerungen oder Verhaltensweisen in Familie oder Freundeskreis und darüber hinaus stehen sie diesen um nichts nach. Das zeigen zum Beispiel auch jüngste Verurteilungen zweier FPÖ-Frauen: So wurde die steirische Landtagsabgeordnete Susanne Winter aufgrund ihrer Aussagen über den Propheten Mohammed wegen Verhetzung verurteilt. Auch eine Vortragende der FPÖ-Akademie, die dort Islam-Seminare leitete und Mohammed dabei unter anderem einen "relativ großen Frauenverschleiß" unterstellte, wurde wegen "Herabwürdigung religiöser Lehren" zu einer Geldstrafe verurteilt.
Abgesehen von diesen prominenten Beispielen sind Frauen tendentiell allerdings weniger bereit als Männer, ihre Einstellungen öffentlich zu exekutieren, weiß Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): "Je weiter man nach rechts außen geht, das heißt auch je mehr Gewalt vorhanden ist, desto weniger Frauen sind zu finden. Im Skinhead-Milieu gibt es deutlich weniger Frauen als etwa beim Ring Freiheitlicher Jugend, aber auch der ist sehr männerdominiert."
In Deutschland, berichtet die Neonazismus-Expertin Renate Feldmann in einem Interview mit dem „Spiegel“, sind in den Organisationen und Cliquen etwa ein Drittel der Mitglieder Frauen, in den Parteien nur etwa zwanzig Prozent. Vor allem die Führungskader rechter Organisationen sind noch immer zu 95 Prozent männlich, Frauen sind eher an der Basis tätig. Aus der österreichischen Forschung weiß man, dass etwa zehn Prozent der bekannten FunktionärInnen und rechtsextremen AutorInnen Frauen sind. Auch hier zeigt sich das altbekannte Phänomen: je weiter unten in der Hierarchie, desto mehr Frauen. So gibt es bei den SpenderInnen und LeserbriefschreiberInnen einen Frauenanteil von etwa zwanzig Prozent.
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Sigrid Hunke und Barbara Rosenkranz
Grundsätzlich dominiert in der rechten Ideologie weiterhin ein sehr reaktionäres Frauenbild, das sich vor allem durch eine Konzentration auf Kind und Familie gepaart mit Rassismus auszeichnet. Doch auch wenn rechte Rollenbilder den Frauen traditionell weiterhin den Platz zu Hause und bei den Kindern zuweisen, finden sich in den letzten Jahren in rechtsextremen Publikationen zunehmend auch (pseudo)-emanzipatorische Ansätze.
Eine Vorläuferin solcher Ansätze war die 1999 verstorbene Sigrid Hunke, Vordenkerin der "Neuen Rechten". Sie berief sich auf die angebliche Gleichstellung von Männern und Frauen bei den Germanen. So propagierte sie etwa, es seien die "germanischsten unter den Frauen Europas gewesen", die für die Frauenbefreiung gekämpft hätten. Neben diesen Referenzen an "germanische Völker" hängen rechten Ideologien auch immer gewisse esoterische Vorstellungen an, in denen auch der Frau eine besondere symbolische Rolle zukommt: So wird ihr als Gebärende eine starke Verbindung zu "Natur" und zur "Erde" zugesprochen, sie wird als erdbezogen und mütterlich, aber auch als "von Natur aus friedvoll" dargestellt.
Analog zu diesen beiden symbolischen Erklärungsmustern gibt es auch in der Praxis sehr gegensätzliche Rollenbilder für Frauen in rechtsextremen Zusammenhängen. So wettern etwa manche nationale Frauen gegen das Eintreten von Frauen in die Erwerbstätigkeit und verurteilen diese als "Vermännlichung", andere fordern wieder den gleichberechtigten Einstieg in den Arbeitsmarkt und kritisieren Diskriminierung.
Es gibt also bei den rechten Frauen sowohl egalitäre als auch differenz-orientierte Haltungen. Bei keinem dieser Ansätze ist aber von einer Unterordnung unter den Mann die Rede, beide Ansätze postulieren eine Gleichwertigkeit der Geschlechter. Die individuellen Lebensentwürfe der Frauen sind auch meistens eher durch ökonomische Situation, persönliche Neigungen und Handlungsspielräume gekennzeichnet als durch die jeweils postulierte Geschlechterideologie. Als österreichisches Beispiel wäre hier die FPÖ-Nationalratsabgeordnete Barbara Rosenkranz zu nennen, die das Dasein der Frau als Hausfrau und Mutter propagiert, sich selbst auch als solche bezeichnet, gleichzeitig aber parteipolitisch und als Autorin Karriere macht.
Sexismuskritik und Selbstverteidigung
Die Entwicklung des "Völkischen Feminismus" oder auch "Feminismus von Rechts" bringt mit sich, dass viele der Aktivitäten und Ansprüche rechter Frauen Ähnlichkeiten zu jenen linker Organisationen aufweisen: Sexismuskritik wird artikuliert, es werden Selbstverteidigungskurse angeboten, es gibt Proteste gegen Frauenhandel oder auch gegen sexuelle Gewalt an Frauen. Durch diese Positionierungen lassen sich linke und rechte Ideologien an der Oberfläche kaum mehr unterscheiden. Rechte Argumentationen rufen nach Gleichberechtigung, nach Beseitigung von Diskriminierung von Frauen, nach Hilfe für Alleinerzieherinnen etc. Sieht man sich die Argumentationen jedoch genauer an, ist sehr schnell erkennbar, dass diese Gleichberechtigung nur für die "deutsche Volksgemeinschaft" bzw. für die "weiße Rasse" gilt. Ersichtlich ist diese Ideologie am Beispiel "Sexismus", wo die Bedrohung der deutschen Frau durch "fremde" Männer beschworen wird.
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Die Wandlungen im rechten Frauenbild sind somit nicht mit Emanzipation oder einem aufstrebenden Feminismus gleichzusetzen, sondern vielmehr als eine Anpassung an aktuelle gesellschaftliche Verhältnisse zu sehen.
Schutz- und Sexualobjekte
Unbeirrt von diesen Entwicklungen werden Frauen und Mädchen in den rechten jugendlichen Subkulturen, also vor allem unter rechten Skinheads, nach wie vor auf der einen Seite als Sexualobjekte abgewertet, auf der anderen Seite aber als Schutzobjekte auf ein Podest gehoben. In dieser Funktion werden die Mädchen von den männlichen Mitgliedern der Gruppe nicht selten vorgeschoben, um Konflikte zu provozieren. "Macht unsere Mädels nicht an" liefert noch immer einen willkommenen Grund, auf "Andere" (welcher Art auch immer) einzuprügeln.
Doch rechte und neonazistische Mädchen und Frauen haben auch in ihren Szenen damit begonnen, sich gegen diese passive Rolle aufzulehnen und organisieren sich zunehmend eigenständig. In den letzten Jahren ist etwa zu beobachten, dass sie bei Veranstaltungen nicht mehr nur als "Freundinnen" daneben stehen, sondern selbst aktiv mitgestalten.
Dennoch spielen sich ihre Tätigkeiten großteils im Hintergrund der Organisation ab: Weil Frauen und Mädchen unauffälliger sind - und eben weil man ihnen aufgrund der Klischees weniger Nähe zu rechtem Gedankengut zutraut - werden sie vorangeschickt, um Versammlungen oder Aufmärsche bei den Behörden anzumelden, Räume zu mieten, Konten zu eröffnen oder Telefonate zu führen.
Stabilität und Scharnier
Was bringt die Sichtbarkeit der Frauen also einer Szene, in der Männlichkeit doch ein so gehütetes und durch Rituale aufrechterhaltenes Gut ist, dem Frauen allenfalls dienen, aber das sie nicht infrage stellen dürfen? Renate Bitzan beantwortet diese Frage mit zwei Phänomenen: der Stabilisierung der Szene von Innen und die Scharnierfunktion in die Mitte der Gesellschaft hinein erfüllen.
Stabilisiert wird die Szene durch die vermehrte Anwesenheit von Frauen insofern, als die Männer nicht mehr außerhalb auf "Brautschau" gehen müssen. Somit finden sie zunehmend Partnerinnen, die Verständnis für das Engagement aufbringen und nicht etwa einen Gesinnungswandel einfordern. Auf der anderen Seite erfüllen rechtsextreme Frauen und Mütter eine Scharnierfunktion in die Mitte der Gesellschaft hinein, indem sie sich in lokalen Vereinen, in Schulen oder sonstigen Elternvereinigungen engagieren und dort ihre politischen Überzeugungen einfließen lassen. Und dies gelingt ihnen umso leichter, je länger sich das Bild der friedfertigen, unpolitischen und sicher nicht rechtsextremen Frau hält.
Spezialfall Mädelschaft
100 Jahre Frauentag
von 8.-19. März auf FM4 und nachzulesen unter fm4.orf.at/frauentag.
In Österreich haben sich im Gegensatz zu Deutschland bisher noch keine eigenständigen rechten Mädchen- und Frauenorganisationen gebildet. Dafür gibt es dank des sehr alten rechten Erbes andere traditionelle rechte Frauenorganisationen – die "Mädelschaft" als Pendant zur Burschenschaft. Da die deutschnationalen Burschenschaften die Mitgliedschaft von Frauen ablehnen, gibt es in Österreich seit 1988 Mädelschaften, je zwei in Wien und Graz. Andreas Peham ist allerdings überzeugt, dass darin keineswegs eine frauenpolitische Maßnahme zu sehen ist: "Mädelschaften sind dadurch, dass es sie gibt, auch Teil des Ausschlusses. Und sie dürfen ja auch gewisse Sachen nicht: Sie dürfen keine Mensur fechten, sie trinken auch kein Bier, sondern Wein. Die Hauptfunktion von solchen Mädelschaften ist es, für den WKR-Ball für die Burschen Mädels bereitzustellen. Wir haben es hier also eher mit einem völkischen Heiratsmarkt zu tun als mit einer eigenständigen Frauenorganisation."