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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

11. 3. 2011 - 14:15

"Es herrscht Aufbruchstimmung"

Mit Sabine Seidler übernimmt ab Herbst eine Frau das Rektorat der Technischen Universität Wien. Für sie ein ganz logischer Karriereschritt.

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So viel sich bezüglich Gleichstellung von Frauen in den letzten Jahren getan hat, bei der Berufswahl suchen sich Mädchen (aber auch Jungen) immer noch gendertypische Sparten aus. So zeigt zum Beispiel die Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer Österreich: Die beliebtesten Lehrberufe unter den Mädchen sind Verkäuferin, Friseurin und Sekretärin, unter den Jungen sind es Elektriker, Mechaniker und Installateur.

Auch auf der höheren Bildungsebene sieht es nicht viel anders aus: Auch hier wählen Frauen eher geisteswissenschaftliche, Männer eher technische Studienrichtungen. So sind zum Beispiel drei Viertel der Studierenden an der Technischen Universität Wien männlich, unter den Lehrenden stellen sie sogar 92 Prozent.

Seit Jahren wird versucht, dieses Verhältnismit Fördermaßnahmen zu verändern. Eine Frau, die es als Technikerin an die Spitze geschafft hat, ist Sabine Seidler, die ab Herbst das Rektorat der TU übernehmen wird. Die Werkstofftechnikerin aus Deutschland hatte ab 1996 als erste Frau eine ordentliche Professur an der TU, seit 2007 war sie Vizerektorin für Forschung. Dass sie jetzt Rektorin wird, ist für Sabine Seidler ein logischer Karriereschritt. Der Vorwurf der Quotenfrau geistert trotzdem durch die Medien und deren Foren. Sabine Seidler im Interview über Quote, Pionierinnendasein und Frauenanteil in der Technik.

Sabine Seidler

APA/Roland Schlager

Sabine Seidler

Seit vergangener Woche stehen Sie als zukünftige TU-Rektorin fest, ich hab mir die Artikel und Postings dazu durchgelesen, überall kommt sofort der Aufschrei, "Eine Quotenfrau!". Warum kommt immer dieser Vorwurf und womit entgegnen Sie?

Die Bezeichnung "Quotenfrau" ist für mich eine Diskriminierung von Frauen, die durch Leistungen Positionen erlangen, die möglicherweise für den einen oder anderen ungewöhnlich sind. Insgesamt finde ich es schade, dass man sich als Frau ständig mit dem Thema Quote auseinandersetzen muss. Ich würde mir wünschen, dass wir genau wie Männer, die in Spitzenpositionen gelangen, ausschließlich nach unseren Qualifikationen beurteilt werden und nicht nach diesen Quoten.

Wie war denn ihr Weg bis zur Rektorin?

Ich hab Werkstofftechnologie studiert und habe mich in diesem Bereich habilitiert. 1996 bin ich als erste ordentliche Universitätsprofessorin an die TU gekommen und leite seitdem den Lehrstuhl für nichtmetallische Werkstoffe.
Ich habe als "Quotenfrau" die TU sehr intensiv kennengelernt: einerseits bin ich sehr unterstützt worden, andererseits hieß es: "Na wenn wir schon eine Frau haben, dann zeigen wir sie auch her". Das heißt, ich habe in sehr kurzer Zeit sehr viele Gremien kennengelernt. Im Nachhinein betrachtet ist das positiv gewesen, weil ich die TU in sehr kurzer Zeit kennenlernen konnte. Auf der anderen Seite ist das puncto Fortkommen im Arbeitsgebiet dann auch aus rein zeitlichen Gründen ein klein wenig hinderlich. 2007 bin ich Vizerektorin für Forschung geworden, das war für mich sehr überraschend. In dieser Tätigkeit habe ich für mich selbst gelernt, wie viel Spaß es mir macht, gestalterisch tätig zu sein, und habe mich daher entschlossen, mich um die Nachfolge von Rektor Peter Skalicky zu bewerben. Und das ist für mich jetzt gut ausgegangen.

Als eine Art Pionierin an der TU, gab es besondere Hindernisse, die sie zu überwinden hatten, wurden sie vielleicht andererseits auch wieder gefördert?

Ich habe mich selber nie als Pionierin gesehen. Dass es Hindernisse gibt, habe ich erst in den letzten Wochen gelernt. Vorher ist mir das nie bewusst gewesen und ich hätte Ihnen vor sechs Monaten noch Stein und Bein geschworen, auf der TU gibt es so etwas nicht, auf der TU haben wir einen rationalen Zugang zum Thema Frauen. Ich habe wirklich erst in den letzten Wochen gelernt, dass diesen rationalen Zugang offensichtlich doch nicht alle haben. Es sind Argumentationen gekommen über die Rolle der Frauen als Rektorin in den Gremien wie der Rektorenkonferenz zum Beispiel, ob es gelingen wird, dass man sich als Frau durchsetzen kann. Solche Dinge.

Ihre Biografie, ist die repräsentativ für Frauen in der Technik und in der Wissenschaft? Oder ist die ein Einzelfall?

Also ich bin sicherlich kein Einzelfall, aber repräsentativ ist meine Biografie auch nicht. Vor wenigen Wochen gab es beispielsweis Interviews von im Management tätigen Frauen und die haben sich alle eindeutig zum Thema Familie und Beruf geäußert. Das "wäre für sie kein Thema gewesen, sie hätten sich nicht vorstellen könne, das zusammenzubringen". Ich habe zwei Kinder und meine gesamte Karriere mit Familie erlebt. Ich kenne aber nur wenige Kolleginnen die das auch so erlebt haben. Viele haben letztendlich ohne Kinder Karriere gemacht.

Ich glaube, dass jede Frau noch ihren eigenen Weg hat, aber es gibt sicher einige Aspekte, die uns gemein sind. Die hängen damit zusammen, wie man gefördert und unterstützt wird. Wobei ich auch glaube, dass das jeder benötigt, man macht so eine Karriere doch nicht alleine und im luftleeren Raum! Es muss immer Personen im Umfeld geben, die im Gegenüber etwas erkennen, was man vielleicht selbst noch gar nicht sieht.

Auf der Uni gibt es ja eine verpflichtende Frauenquote im Gegensatz zur Privatwirtschaft. Eine Kollegin von WIT sagte in einem Interview, eine Frauenförderung ohne Struktureinbindung verstärke wieder Geschlechterstereotypen, da sie Frauen als förderwürdig darstellt. Was ist Ihre Meinung dazu?

Ich habe ein Problem damit, weil die gesamte Thematik Frauenförderung letztendlich impliziert, dass Frauen Defizite haben. Eigentlich müsste das Umfeld gefördert werden, wir Frauen haben keine Defizite! Die Quote an sich ist ein politisches Instrument, von dem ich nicht sehr viel halte, aber von dem ich durchaus weiß, dass es eine beschleunigende Wirkung haben kann. Schon alleine deshalb, weil man sich über die Quote mit dieser Thematik auseinandersetzt. Die Diskussion ist bei uns eine sehr intensive. Der Frauenanteil auf der TU ist deutlich unterhalb dessen, was die Quote von uns verlangt. Jede Besetzung einer Kommission ist letztendlich auch eine Auseinandersetzung mit der Frage: Es sind nicht genügend Frauen da. Und darüber nachzudenken und sich Wege zu überlegen, wie man diese Situation ändern kann, ist natürlich schon wichtig, damit sich überhaupt etwas ändert.

Sie sind die erste Rektorin einer technischen Universität in Österreich, wird sich an der TU mit ihrer Rektorinnenschaft etwas ändern?

Na das hoffe ich doch (lacht). Das ist keine einfache Frage aus verschiedenen Gründen. Ganz wichtiger Grund ist, dass ich seit drei Jahren im Rektoratsteam tätig bin und wenn ich jetzt sage, es wird sich alles ändern in diesem Haus, würde ich sagen, ich habe keine gute Arbeit geleistet.
Es wird sicher so bleiben, dass die TU Wien sich als Forschungsinstitution versteht. Ich bin eine andere Persönlichkeit als der jetzige Rektor und ich gehe davon aus, dass das sehr wohl auch Änderungen in der Kommunikation usw. bewirken wird. Jeder, der das Haus ein bisschen kennt, bemerkt zur Zeit eine Form von Aufbruchstimmung, die fantastisch ist. Die Erwartungshaltung ist immens groß und ich hoffe, dass ich sie zumindest in Ansätzen erfüllen kann!

Zum Frauenanteil an der TU: Glauben Sie, dass Sie als Vorbild dienen können, dass mehr Frauen einen technischen
Beruf ergreifen oder braucht es da was anderes?

Ich glaube das ist ein Element. Auch da habe ich in den letzten Tagen sehr viel gelernt, weil ich von Frauen aus ganz Österreich Glückwünsche bekommen habe, das ist unglaublich! Und das zeigt mir, dass es sehr wohl eine Vorbildwirkung gibt. Das ist natürlich nicht ausreichend - wir brauchen viele verschiedene Maßnahmen, im Technikbereich generell und natürlich auch bezogen auf Frauen. Es wird auch eine intensive Arbeit mit den Schulen geben müssen, mit Lehrerinnen und Lehrern, um da etwas zu bewegen. Als Universität schaffen wir das nicht alleine!