Erstellt am: 22. 3. 2011 - 14:04 Uhr
Die Beste Partei
Dass Politiker Komiker sind, hat meine Urstrumpftante Fini ihr Leben lang hartnäckig behauptet. Doch dass sie mit diesem wie ein Mantra dahingesagten Spruch eines Tages so ins Schwarze treffen könnte, hätte sie sich sicher nicht träumen lassen. Der derzeit amtierende Oberbürgermeister der isländischen Hauptstadt Reykjavík war nämlich tatsächlich vor Amtsantritt (und viele behaupten auch noch danach) vor allem eines: ein Komiker.
Simply The Best
Hörður Sveinsson
Jón Gnarr heißt der Mann, der angetrieben vom Versagen der isländischen Politik-Elite während der Wirtschaftskrise 2008/09, die in Island besonders stark zugeschlagen hat, eine eigene Partei gründete, die offensichtlich als Spaßpartei angelegt war: Besti Flokkurinn, was simpel und einfach "Die Beste Partei" bedeutet. Zusammen mit VertreterInnen des intellektuellen und künstlerischen Islands - SchriftstellerInnen, SchauspielerInnen, MusikerInnen etc. - die den Stab seiner Partei bildeten, zog er dann auch in den Wahlkampf für die Kommunalwahlen in Reykjavík im Mai 2010 ein. Und gewann!
Hörður Sveinsson
34% der Stimmen gingen an die Besti Flokkurinn und somit 6 von 15 Sitzen im Gemeinderat. Die bis dahin regierende Bürgermeisterin Hanna Birna Kristjánsdóttir und ihre Unabhängigkeitspartei wurden mit wenig Abstand - sie erhielten 33,6% - auf den zweiten Platz verdrängt. Und das alles, obwohl Herr Gnarr und seine Partei nicht einmal ein richtiges Parteiprogramm vorgelegt hatten, nur einige Wahlversprechen, darunter zum Beispiel: gratis Handtücher in jedem Schwimmbad der Stadt, einen Eisbär für den Reykjavíker Zoo und zu guter Letzt auch das Versprechen, keines der gegebenen Versprechen einzuhalten.
Der offizielle Wahlsong: "Simply The Best" von Tina Turner, natürlich eingeisländischt. Better than all the rest.
Gewählt wurde Jón Gnarr aber nicht nur wegen dem fetzigen Wahlsong (siehe Video), sondern vor allem aufgrund einer im ganzen Land vorherrschenden Politikverdrossenheit, die während der Finanzkrise bei einem Großteil der IsländerInnen aus Enttäuschung gegenüber den amtierenden PolitikerInnen entstanden ist.
Ein Narr, der Gnarr
Die einjährige Regierungszeit des ehemaligen Komikers, Musikers und Schriftstellers Jón Gnarr hat die Isländer aber nicht nur zum Lachen gebracht, sondern auch stark an ihrer Wahl zweifeln lassen. Die politischen Ambitionen und Kenntnisse des Bürgermeisters sind - wie könnte es auch anders sein - nicht gerade ausgereift und bei so manchem Interview stammelt Herr Gnarr nur unverständliches Zeug, weil ihm ganz einfach eine Antwort fehlt. Das und auch die nicht eingelösten Wahlversprechen machen so manche Bewohner Reykjavíks ziemlich wütend.
Tina Bauer
Jón Gnarr reagierte auf diesen Umstand mit dem, was er am besten kann: einer Parodie, in diesem Fall auf sich selbst. Bei der Begrüßungsrede zur jährlichen Gay Pride Reykjavík trat Gnarr als Drag Queen auf und sagte ironisch über die "Abwesenheit" des Bürgermeisters: "This is what we get for voting for a clown in elections."
Und auch seine Befürworter sehen den Umstand seiner eher begrenzten politischen Fähigkeiten gelassen: Er ist eben tatsächlich kein Politiker und muss daher auch nicht immer auf alles eine Antwort bereit haben. Besser einmal stottern als leeres Gewäsch von sich geben, so wie man das sonst von PolitkerInnen kennt. Dieses Denken bringt frischen Wind in das kleine Land im Nordatlantik und das kommt bei sehr vielen, auch nach einem Jahr Regierungszeit, immer noch gut an.
Hörður Sveinsson
Jón Gnarr auf FM4
Anfang März war Jón Gnarr beim Aktionsradius Wien im Rahmen der Reihe "Art goes Government" zu Gast. Mein Kollege Rainer Springenschmid hat ihn zum Interview getroffen.
Zu hören ist das Interview am Dienstag, 22. März 2011, in der FM4 Homebase (19 bis 22 Uhr).