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Andreas Spechtl

Ist Sänger der Band "Ja, Panik" und lebt in Berlin.

7. 3. 2011 - 16:54

Vom Überleben in der Metropole

IX. Sich Erinnern.

Im Herzen Europas, hier am Rande des Waldes, einige wenige hundert Meter von der ungarischen Grenzen entfernt, an der die rote Armee 1945 das erste Mal österreichischen Boden betreten hatte, ist sie aufgewachsen, unsere Heldin.

Wald

Andreas Spechtl

Das alte Zinshaus vis à vis mit den tausend Zimmern und dem Dachboden voller wertvoller, verstaubter Schätze, in den man sich, aus Angst vor Schelte, immer heimlich hinaufschleichen musste, um dann stundenlang in den ausrangierten Sachen herumzustöbern. Der für Kinderaugen schier unendlich riesige Garten mit den Obst- und Nussbäumen, an denen immer wieder waghalsige Kletterversuche in blutigen Knien und abgeschürften Ellenbogen geendet haben. Den schmalen asphaltierten Weg hinunter waren es nur ein paar Schritte zur Schule, vom Wohnzimmer Fenster aus blickte man immer schon, Tag ein, Tag aus auf den gegenüberliegenden Friedhof. Hier ist sie Indianerin, Cowboy, Robin Hood, Räuber und selten auch Gendarm gewesen. Hier hat sie Mac Gyver und den Mauerfall im Fernsehen gesehen.

Garten

Andreas Spechtl

Das Haus hat man dann vor einigen Jahren verkauft und ist nach Wien gezogen. Zu schwer alles instandzuhalten für ein altes Leben. Seit einer knappen Dekade ist sie schon nicht mehr hier gewesen und steht jetzt ganz in Schwarz am Gartenzaun. Sie versucht sich zu erinnern. Es hat sich nicht viel verändert, das Erinnern fällt leicht. Gerade mal der alte Greißler am Dorfplatz hat vor einigen Jahren geschlossen, man fährt jetzt wohl ins benachbarte Mannersdorf zu irgendeinem Billa oder Spar.

„Was, du bist die kleine Andrea? Ich hab dich das letzte Mal gesehen als du sooooo klein warst!“ Sie kennt praktisch niemanden mehr, aber man teilt sich im Großen und Ganzen das Blut. Erfolglos versucht sie einen krakeligen Stammbaum im Kopf zu zeichnen.

Haus am Land

Andreas Spechtl

Was hier passiert, ist eine Sache, die nicht zu begreifen ist, deshalb schickt es sich eigentlich nicht Worte darüber zu verlieren. Das unheimliche Gebrummel aus den Bänken und der seltsame Sing Sang des lächerlich gekleideten Mannes, der sich so gar nicht mit den feierlichen Orgelklängen, die durch die kalten Wände hallen, vertragen will, machen es ihr schwer sich auf den Moment einzulassen. Und doch fällt sie in eine Art verwunschenen Halbschlaf, aus dem sie erst eine gewaltige Prise Weihrauch reißt.

Eine Leberkässemmel und einen G`Spritzten, diese Worten erzählt man sich vom letzten Abend. Die Leberkässemmel war noch aufzutreiben, der G`Spritzte nicht. Das Angebot dürfte jetzt grenzenlos sein. Das hoffe ich doch sehr, obwohl ich nicht daran glaube. Aber das ist doch das schönste am Leben, die Unsicherheit über das was danach kommt. Gute Nacht.

Nur noch 40 Tage bis DMD KIU LIT