Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Fußball-Journal '11-16."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

5. 3. 2011 - 21:16

Fußball-Journal '11-16.

Zeitreise in den August 2009 - ein altes Kapfenberg-Spiel sehen um Betrugsanzeichen zu erkennen und dabei scheitern. Und andere unangenehme Nachrichten zum österreichischen Wettskandal.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch das neue Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und die Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit der Fortsetzung des nun auch in Österreich angekommenen großen globalen Fußball-Wettskandal, der hier im Fußball-Journal seit jeher Thema war, und gestern angesichts konkreter Vorwürfe (an nicht benannte Spieler von Kapfenberg und Hartberg) aufpoppte, und die Bierruhe der hiesigen Verantwortungsträger, die sich in fahrlässiger Fassungslosigkeit ergehen, massiv ins Straucheln bringt.

Im übrigen gilt für die in der Anklageschrift von Bochum benannten Vereine und Spieler die Unschuldsvermutung.

Interessant wie sehr sich so ein Wochenende auf die Untersuchungslust der heimischen Berichterstattung auswirkt. Wo gestern, angesichts der Meldung, dass die in Bochum angeklagten Wettbetrugs-Paten auch die Bestechung bei fünf österreichischen Spielen (an einen Verteiler in Kapfenberg, der die Gelder weiterverteilt hat und mehrere Bestochene in Hartberg - die Facts hab ich gestern hier zusammengefasst) an-/zugegeben haben, noch große Info-Sammellust festzustellen war, bewegt sich heute praktisch gar nichts.

Nachdem Kapfenberg-Präsident Erwin Fuchs in einem Interview für den ORF-Kurzsport seinen Verdacht erstmals aussprach (dass nämlich Defensiv-Mann Mario Majstorovic bereits damals unter entsprechender Beobachtung der Behörden stand - auch hier im Kurier nachzulesen), gab es offenbar keinen Anlass für Nachfragen.

Wenn Majstorovic im Zentrum von Untersuchungen stand...

Wie etwa ist die offizielle Erklärung von ÖFB und Liga zu verstehen, dass man nicht wisse und keinerlei Kenntnis von gar nix habe - wenn Fuchs versehentlich das damalige Verdachtmoment anspricht?

Offenbar wurde Majstorovic von offizieller Seite vernommen, offenbar war der Verdacht so weitreichend, dass sein Vertrag beim KSV nicht verlängert wurde, und offenbar wurde auch die Bekanntschaft von Majstorovic mit Sapina (die der ja nicht dementierte, sondern nur als harmlos darstellt) wurde bekannt, offenbar erschien das Salzburg gegen Kapfenberg-Spiel als gefährdet am Wettradar - und klarerweise wurden auch Liga/Verbands-Vertreter (und wohl auch die extra dafür abgestellte Task Force) von all diesen Vorfällen informiert.

Wie kommen die dann zu ihren Unschulds- und Nichtwisser-Mienen und Posen? Ich würde das bewusste Verschleierung und Täuschung des Publikums nennen; etwas, was wohl auch unter Mithilfe der wegschauenden Mainstream-Medien passiert ist.

Fakt ist: Allein die unabsichtliche Fuchs-Aussage beweist, dass es Untersuchungen in begründeten Verdachtsfällen gab - und das widerspricht allen offiziellen Stellungnahmen. Denn die bestehen darauf, dass gar nix passiert ist, und niemand jemals irgendwie auf irgendwas angesprochen wurde, in ganz Österreich. Der Mythos von der Insel der Seligen im globalen Wettsünden-Pfuhl sollte da aufrecht erhalten werden, scheint es.

Interessanterweise wird auch jetzt nicht versucht aufzuklären. Die Bundesliga-Website enthält, eher versteckt, nur die offizielle Erklärung, die ÖFB-Site lässt Präsident Windtner in Abwiegelung üben. Man will um Akteneinsicht ersuchen, und das mit demselben Nachdruck, der bislang keinen Erfolg brachte. Zitat: "Sollte sich irgendein Verdachtsmoment bestätigen, wird der ÖFB selbstverständlich erneut, und wie bereits in der Vergangenheit praktiziert, um Akteneinsicht ersuchen."

...wieso erzählen Liga und ÖFB dann, sie wüssten von nichts?

Vorschlag aus der Lebenspraxis: Vielleicht fährt einmal jemand nach Bochum und erkundigt sich bei den zuständigen Behörden, ist ja schließlich erst seit November 09 anhängig, die ganze Sache...

Aber das würde einen offensiven Zugang zu der unangenehmen Geschichte benötigen - und den gibt es in einer Gesinnungsgemeinschaft der Mauschler, Schleiermacher und Maurer natürlich nicht.

Es wäre etwa möglich die inkriminierten Spiele online zu stellen, damit sich jeder anschauen kann, wie die abgelaufen sind. Es wäre möglich Anzeige zu erstatten und so eine österreichische Untersuchung zu ermöglichen, also den Übeltätern ernsthaft auf den Pelz zu rücken, anstatt sein Nix-Tun andauernd auf Nix-Wissen und Nix-Können auszureden.

Stattdessen: fast schon akkordiertes Schweigen. Wichtige Medien spielen brav mit - die Kronen-Zeitung brachte etwa erst in der Morgenausgabe einen kleinen Einspalter, von Hauptbroadcaster Sky kam ein freundlicher Assistenzeinsatz für Majstorovic, der seine Leistungsdaten in den drei Spielen als Maßstab nimmt - in guter österreichischer Tradition will man die Sache also aussitzen.

Ich hab nächtens eines der inkriminierten Spiele bei mir im Archiv gefunden: Salzburg gegen Kapfenberg (4:0) vom 29. August 2009, das erste und das einzige gelungene der von einigen KSV-Akteuren in betrügerischer Absicht verfälschten Matches (die anderen Manipulationen gingen ja schief: Gegen Rapid verlor man nicht hoch genug, gegen die Austria gewann man versehentlich).
Und ich hab da reingeschaut, quasi parallel zum aktuellen Meisterschafts-Spiel der Salzburger gegen Mattersburg.
Auch in meine damaligen Notizen zum Spiel.

Was die alten Notizen sagen...

Salzburg war gerade aus den Champions-League-Träumen gerissen worden, Kapfenberg als Opfer, an dem man diesen Ärger auslässt, kam gerade recht.
Trainer Gregoritsch war krank, Co-Trainer Manfred Unger leitete die KSV-Bank. Taboga war gerade nach Norwegen gegangen, Pitter, Erkinger, Felfernig und auch Schönberger waren verletzt, Gansterer noch im Aufbautraining, Rauscher gesperrt, Pejic entlassen.
Raphael Wolf spielte im Tor, Osoinik rechts in der Abwehr, rechts innen Boris Hüttenbrenner, links innen der Tscheche Milan Fukal und links in der Abwehrreihe: Mario Majstorovic.
Im Mittelfeld defensiv zentral der Tscheche Siegl, etwas offensiver Sencar, rechts der angeschlagene Arno Kozelsky, links Schellander, in diesem Spiel der Kapitän. Hinter Srdjan Pavlov, der echten Spitze hatte Marek Heinz alle Freiräume.
Die Wechsel (Scharrer, Georg Krenn und Alar) passierten alle beim Stand von 3:0 - und das hatte für die mehr-als-drei-Tore-Unterschied-Wette eh schon gereicht. Auf der Bank noch Manuel Schmid und der spielende Manager Mucki Wieger, Tormann Eisl und der nicht fitte Gansterer. Draußen, wohl als überzähliger Ausländer: Sonko Pa.

Auffälliger im Spiel war, das sagen meine Notizen, logischerweise Salzburg, damals schon mit Stevens, auch schon im 4-1-4-1. Die hatten zwar eine Horror-Innenverteidigung (Dudic-Opdam, Sekagya war verletzt, Schiemer angeschlagen, Afolabi stand gerade ante portas, als Abschiedsgeschenk von Hochhauser), aber beide Außenverteidiger (Schwegler rechts und Ulmer links) waren in guter Form und powerten ordentlich.

Beim 2:0 notiere ich: "Drei KSV-Spieler stehen falsch." Nach dem 3:0: KSV inferior. Auch beim 4:0 steht: nach Fehler KSV - und ich schreibe so was nur auf, wenn es eklatant ist (denn Fehler gibt's immer).
Die erste gelbe Karte gibt es erst in der 49. Minute, für Hüttenbrenner. Und nur eine weitere, für Siegl in der 77. So was ist ein schönes Zeichen für geringe Gegenwehr.
Die erste Kapfenberg-Offensivaktion findet in der 66. Minute statt. Erster Schuss: Schellander volley. In der 71. ein Solo-Konter von Osoinik, den er knapp vergibt - wobei er sich auch noch leicht verletzt. Er spielt weiter und rettet bei einem Vladavic-Schuss in der 87. Minute auf der Linie.

... und was das Wiedersehen mit dem alten Spiel erzählt.

Ich muss kurz ausholen: aus meiner schmalen Erfahrung im Umgang mit geschobenen Spielen weiß ich eines - man sieht es mit freiem Auge nicht. Nicht am Bildschirm, nicht im Stadion selber.

Vllaznia Shkodër etwa stellte sich bei seinem Auftritt im Hanappi-Stadion am 16. Juli 09 eine Halbzeit lang sehr gut an, verströmte durchaus Gefahr und brach dann in der 2. Hälfte ein. Gegen Rapid und den finalen Druck, den man daheim entwickelt, durchaus normal. Konnte keiner wissen, dass das von großen Teilen der Mannschaft geplant war, um dem Willen der Wettmafia zu entsprechen.

Wenn es stimmt, was Ante Sapina sagt und 140.000 Euro Schmiergeld aufgewendet wurden um Kapfenberg am 29. August 09 eine Niederlage mit mehr als drei Toren Differenz in Salzburg zuzufügen, dann muss ich in Anbetracht des eben noch einmal nachgeschauten Spieles sagen: Auch das war nicht zu erkennen.

Die Ausgangsposition war perfid gestrickt. Salzburg war in der Liga vorne dabei und träumte noch europäische Träume. Kapfenberg war vorletzter, mit nur drei Punkten nach sechs Runden; kein Auswärtspunkt, nicht einmal ein Auswärtstor. Dahinter nur noch die völlig hinichen Kärntner. Da konnte und durfte man sich in Salzburg also nichts ausrechnen.

Kapfenberg sah gegen die an diesem Tag perfekt beißende Doppelflügelzange (rechts Schwegler und vor allem Tchoyi, links Ulmer und Svento) die Janko und Zickler fast im Minutentakt mit Flanken fütterte, von Beginn an kein Land.
Sich aber derart aufzugeben, wie sie es dann taten, unengagiert, in kampfloser Ergebenheit, peinlich passiv, das fiel auch den damaligen Beobachtern sehr unangenehm auf.

Mit freiem Auge nicht zu sehen

Just die für ihre Fighter-Qualitäten bekannte Mannschaft ließ diese Qualitäten just in einem Spiel ohne Antreiber-Coach Gregoritsch (der grippig im Bett lag) vermissen. Und so stand jeder Kapfenberger jeweils meterweit weg von jeglichem Gegenspieler, nicht nur in der Abwehr, sondern auch im Mittelfeld.

Milan Fukal sah bei zwei der drei Gegentore in der 1. Hälfte und eigentlich bei jedem Kopfballduell (die er allesamt verlor) noch schlechter aus als der eh schon schlimmaussehende Rest der Truppe - aber was sagt das schon aus? Mario Majstorovic machte gegen Tchoyi keinen Stich, aber wer tat das schon? Boris Hüttenbrenner schwamm, wie wohl jeder Mittelfeldspieler, der als Innenverteidiger einspringen muss. David Sencar und Marek Heinz waren mit freiem Auge nicht wahrzunehmen - kein Sonderfall; und Patrik Siegls Ausputzversuch vor dem 1:0 war zu kurz. Pavlov war vorne chancenlos, Raphael Wolf gab sein Bestes - dem ist nichts anzukreiden. Schellander und Osoinik, die einzigen, die die Möglichkeit dazu hatten, wollten ein Tor machen, scheiterten aber.

Andererseits: Nach dem 4:0 (der Fehler der dazu führte, passierte eher unglücklich) war der Ehrgeiz kein weiteres Tor mehr zu bekommen, durchaus bemerkbar. Plötzlich gewann auch Fukal ein Luftduell, wurden die besten Salzburg-Chancen weggefightet; und auch Majstorovic rettete einmal vor der Linie.

Seltsam, das was Fukal und Wolf nach dem Match sagten. Fukal betonte achtmal, dass man gegen den Meister gespielt hätte, und wie auswärtssschwach man wäre. Und er sagte dass, die Defensiv-Leistung immer eine Frage der gesamten Mannschaft sei. Wolf sagte entschuldigend, er hoffe dass es nicht so schlimm ausgesehen habe, wie es sich für ihn angefühlt hätte.

Drei Fragen an die Profi-Abwiegler

Hat es aber: Die Leistung des KSV in Salzburg am 29. 8. 2009 war wirklich bemerkenswert miserabel, untypisch für die sonst so kämpferische Truppe. Da dieses Match (wie die Öffentlichkeit erst jetzt erfährt) im Vorfeld als verhaltensauffällig im Netz des Wettradars landete, wundert es schon einigermaßen, dass sich - nach totaler Erfüllung der entsprechenden Erwartungen - da niemand näher damit beschäftigt hat. Wozu gibt es eine Task-Force, wenn sie sich nicht einmal mit den alleroffensichtlichsten Verdachten beschäftigt? Zum professionellen Abwiegeln?

Drei Fragen die sich aktuell stellen:

  1. Selbst wenn Majstorovic der Mittelsmann von Sapina gewesen sein sollte: Er allein hätte die Niederlage nicht herbeiführen können; dazu hätte es zumindest zwei oder drei Mitspieler, vielleicht auch mehr gebraucht. Wird sich die österreichische Öffentlichkeit also mit dem Zuschieben des schwarzen Peter an Majstorovic zufriedengeben?
  2. Warum hat die Task-Force das bereits im Herbst 2009 bekannte Wissen (der alarmierte Wettradar, die Untersuchungen gegen Majstorovic, die Kontakte zu Sapina) nicht verknüpft und eigene Nachforschungen angestellt?
  3. Sind ÖFB und Bundesliga tatsächlich an einer Aufklärung interessiert? Wenn ja, warum bestehen sie nicht auf Akteneinsicht, spätestens jetzt, wo die Bochumer Anklageschrift ja bereits ausformuliert ist?

Dazu kommt noch das aktuell ein wenig untergegangene Thema Hartberg. Und: dass sich die üblichen Haberer-Medien aalglatt an die Interessen der Fußball-Nomenklatura anpassen, eh klar.

Allein die Tatsache, dass Werner Gregoritsch zum Thema nur zusammenhanglose Wortfetzen absondern kann, zeigt, wie tief die Anklage die Betroffenen erwischt hat. Wenn das offizielle Fußball-Österreich die Traditionslinie der frühen 2. Republik (Verdrängen statt Aufarbeiten) zu ihrer Leitlinie in diesem Fall machen will - und danach sieht es aktuell leider aus - dann werden die weiteren Aufdeckungen (und es werden garantiert welche folgen) weiter auf unvorbereitete Akteure treffen und umso mehr Unheil anrichten.