Erstellt am: 5. 3. 2011 - 15:40 Uhr
Die Renaissance der Scheiße
Heute müssen wir uns einem, nicht nur auf den ersten Blick, unappetitlichen Thema widmen. Es geht um den Kot, den Stuhl, das Exkrement, die Ausscheidung, die Scheiße. Es ist nun einmal so, dass gerade in Berlin in den letzten Wochen eine Art "Renaissance der Scheiße" zu beobachten war.
Es fing mit den Hunden an.
So wurde in den Berliner Zeitungen zum etwa siebzehntausendsten Mal das Berliner Dauerthema und Haupt-Alltagsproblem "Hundekot" besprochen. Keiner kommt gegen die Millionen Hundehaufen, die auf Gehwegen, in Grünflächen und sogar auf Spielplätzen herumliegen an. Auch der millionenteure Einsatz von "Hundekotmobilen" konnte die zunehmende Verkotung bestimmter Stadtteile nicht verhindern, denn die Rüsselmaschinen nehmen täglich nur ca. 2,4 t Hundeexkrement auf, insgesamt geht die Senatsverwaltung aber von 55 Tonnen Hundekot täglich aus.
Stadt Berlin
Dann widmete die Stadtzeitschrift "tip" dem Thema ihre Titelseite und fragte "Sind Hunde scheiße?", was ihr den Boykott durch einige der etwa 150.000 Hundebesitzer der Stadt einbrachte.
So war das Thema (Hunde-) Scheiße grade mal wieder in aller Munde, als auch noch ein Sachbuch mit dem Titel "Dunkle Materie" eine Kulturgeschichte der Scheiße, auf den Markt kam.
Lebenslang
Nicht zum ersten Mal wird darin das delikate Sujet kulturwissenschaftlich behandelt, 1891 kümmerte sich schon John Gregory Bourkes im "Buch des Unrats" um das Thema und 1978 erschien der Klassiker "Die gelehrte Geschichte der Scheiße" von Dominique Laporte. "Zwischen Kot und Urin werden wir geboren", sagte angeblich schon Augustinus, und damit beginnt unsere notgedrungen lebenslange Auseinandersetzung mit unseren Exkrementen. Sie prägen unser Verständnis von Kultur, Identität, Gesellschaft, Gesundheit, Schönheit, Anstand und Humor. In der Kunst, in den Naturwissenschaften, in der Ökonomie und in der Architektur spielten menschliche Ausscheidungen eine große Rolle, erklärt der Autor des Sachbuchs.
So rollten sich bei "Jackass" Menschen in Dixie-Toiletten den Berg hinunter, wurde in einer Southpark-Folge der Weihnachtskot aus der Toilette heraus getanzt, findet in Wolf Haas’ neuesten Brenner-Roman eine Erleuchtung in der Jauchegrube statt. Borat präsentiert seinen Gastgebern als angeblich kasachische Tradition eine Tüte voll Scheiße, und nicht erst seit Jays Verteidigungsrede in der RTL- Dschungelshow ist "Bullshit" ist ein Modewort.
Aber wenn die Wiederentdeckung der Scheiße vorbei ist, kann es zu einem Comeback von anderen Körperflüssigkeiten kommen. So wurde im Literaturteil der taz letztens beobachtet, dass sich junge Autorinnen heute so gern in Schleim und Blut suhlen würden, und wer weiß, vielleicht steht eine Renaissance des Eiters kurz bevor?