Erstellt am: 5. 3. 2011 - 10:43 Uhr
Cooking History
Zunächst macht einen das Thema neugierig. Auf elementare Prinzipien unserer Nahrungsmittelvorsorgung hinzuweisen, ist ein wichtiger Schritt in Sachen Aufklärung. Wer weiß heutzutage schon, wie Vieh geschlachtet wird oder wie essentiell der Wert von einem nackten Laib Brot sein kann. Das alles sind Punkte, die gerne verdrängt werden, leichtsinnig unbeachtet bleiben und oft ausgeklammert. Wir halten uns an die Produkte am Ende der Nahrungsmittelindustriekette und haben keinen wirklichen Draht mehr zum Wissen um die Produktion.
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Vermeintlicherweise provoziert der Film mit langen Sequenzen von Schlachtungen und Meditationen übers Backen vom „deutschen Brot“, aber wirklich geschmacklos wird es durch die Kommentare der Soldaten.
Es gibt auch andere Filme, die das Thema Algerien und Frankreich beleuchten. "La battaglia di Algerie" z.B.
Quer durch die Bank werden die Anekdoten der Soldaten unkommentiert in den Raum gestellt und sie erhalten damit unverdientes Rampenlicht für abscheuliche Selbstbeweihräucherung. Die armen Russen in Tschetschenien sind noch richtig harmlos, bitter wird es bei den Erinnerung der Wehrmachtssoldaten, verachtenswert ist der Realitätsverlust von französischen Algerienveteranen und widerlich ist der schaumgebremste kroatische Soldatenkoch mit seinem nationalistischen Understatement.
Nun will ich dem Filmemacher nichts Böses unterstellen, es könnte auch das Pech eines unglücklichen Schnittes sein, vielleicht wollte man Haarsträubendes auch gegen die Wand rennen lassen. Nur wollte das mit der Mauer nicht so wirklich klappen.
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Weiters gibt es grobe Schnitzer, die mir die Verteidigung der künstlerischen Position sehr schwer machen. Eine der wenigen charismatischen Figuren im Film, eine Köchin für russische Jagdflieger, wird am Friedhof der Soldaten verhöhnend gefragt, wieso sie die Pietät besitzt, den Toten gutes Essen zu hinterlassen. In einem sehr unglücklichen Gegenschnitt wird der Bäcker der Wehrmacht mit einem jüdischen Rachekommando in Szene gesetzt, was eine verboten unverschämte und unnütze Aktion war. Als ob man den verzweifelten Versuch von Juden, das Brot von SS Soldaten zu vergiften mit dem systematischen Zynismus eines Vernichtungsregimes vergleichen könnte.
Das Kapitel über das ehemalige Jugoslawien ist dann so haarsträubend lächerlich, dass es schon fast wieder lustig geworden wäre und man sich denken könnte, dass es sich vielleicht doch um den im Pressetext erwähnten „Sarkasmus“ handeln würde. „Lassen wir den Wahnsinn walten, bis er sich selbst entlarvt.“
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Lesenswert dazu: Kritik der zynischen Vernunft von Peter Sloterdijk
Ich hoffe sehr, dass es so gemeint war. Nur halte ich „Sarkasmus“ nicht für das richtige Stilmittel in einer Dokumentation zu einem so heiklen Thema, weil Zynismus ist der Humor der Macht. Es war das erste Mal, dass ich nach einem Film über Essen keinen Hunger bekommen habe.
Na Mahlzeit!
Cooking History, ab 4. März 2011 in österreichischen Kinos zu sehen.